Ein kleiner Hof, am besten mit Garten, Bäume darin. Im Haupthaus viel Platz für Menschen, die die meiste Zeit ihres Lebens Musik gemacht haben. „Casa di Cielo“ soll es heißen. Himmelshaus. „Vielleicht nenne ich es aber auch noch anders“, sagt Yuuko Amanuma. „Himmelshaus - da meinen manche, dass sie darin sterben müssten.“
Dabei sollen sie doch hier leben, intensiv leben, die verschiedensten, in die Jahre gekommenen Musiker, die im Rentenalter aus den meisten ihrer Verpflichtungen entlassen wurden.
Es war im Dezember 2004, als sich die Dozentin an der Würzburger Musikhochschule entschied, eine Stiftung zu gründen. Aus den Stiftungsgeldern sollen später einmal Heime für alternde Musiker finanziert werden. Mindestens eines möchte Amanuma in Japan errichten, ein anderes in ihrer zweiten Heimat Süddeutschland. „Und vielleicht ein drittes in Mallorca.“
Durch ein Benefizkonzert vor bald fünf Jahren wurden die ersten Gelder in die Stiftung gespült, außerdem brachte die Leiterin der Würzburger Opernschule eine CD, „Das verräterische Herz“, heraus. Die gibt es bisher allerdings noch nicht in Deutschland, sondern nur in Japan zu kaufen. Aus jeder verkauften CD fließt ein Euro in die mit knapp 5.000 Euro noch nicht allzu üppig ausgestattete Stiftung. Yuuko Amanuma will sich weitere Initiativen ausdenken, um das Stiftungsvermögen in den kommenden Jahren zu vergrößern. Dass es notwendig ist, Häuser für betagte Musiker zu bauen, daran zweifelt sie nicht. Nichts Schlimmeres, als nach der Karriere einsam in den eigenen vier Wänden vor sich hin zu leben.
Inspirationsquelle für die Idee der japanischen Komponistin und Dirigentin ist die von Giuseppe Verdi 1895 gegründete Seniorenheim „Casa Verdi“. Die hier residierenden Musiker agieren unter anderem als Mentoren für Musikstudenten. So ähnlich stellt sich Yuuko Amanuma, die vor über 20 Jahren erstmals von der Existenz der „Casa Verdi“ erfuhr, ihre „Casa di Cielo“ vor. Natürlich würde sie selbst dort einziehen: „Ich habe keine Familie gegründet, wäre im Alter also auch alleine.“
Ihr großes Interesse an älteren Menschen reicht noch weiter zurück als bis zu jenem Film über die „Casa Verdi“, den sie vor über 20 Jahren sah.
Yuuko Amanuma hatte als Kind ein ausgesprochen liebevolles Verhältnis zu ihrer Großmutter. „Schon als Siebenjährige wollte ich sie unbedingt unterstützen“, erzählt die Musikerin, die sich daran erinnert, wie sie ihr tägliches Taschengeld von umgerechnet zehn Cent sparte, bis 50 Cent zusammen waren: „Die schenkte ich der alten Dame.“ Was diese auch gern annahm.
Dass betagte Musiker Angst haben vor Alter und Einsamkeit, hat Yuuko Amanuma schon oft erfahren. Sie erinnert sich an einen knapp 60 Jahre alten Orchestermusiker, der sie vor zwei Jahren ansprach. Warum, fragte er sich, engagieren sich Dirigenten vor allem für junge Musikerinnen und Musiker? Warum schwinden die Chancen auf öffentliche Anerkennung, nur weil man alt ist? Das Orchestermitglied zeigte sich begeistert von der Idee, einen Hof für betagte Instrumentalisten, Dirigentinnen, Sänger und Komponistinnen zu gründen. Und dort ein Orchester zu etablieren.
Yuuko Amanuma ist davon überzeugt, dass sie selbst wohl niemals aufhören wird, sich mit Musik zu beschäftigen. Musik sei ja etwas, was nie aufhöre, was immer weiter, immer tiefer gehe. Eigentlich, meint die 53-Jährige, ist der Jugendkult im Musikbusiness absurd. Natürlich müssten junge Menschen gefördert werden. Warum aber werden gleichzeitig alte Künstler so häufig ignoriert? Dabei haben sie so viel weiterzugeben. Nicht nur an konkretem Wissen über Techniken. Sondern an Erfahrungen, die nirgendwo nachzulesen sind.
Für Ende dieses Jahres plant Yuuko Amanuma ein erstes Benefizkonzert in Deutschland für ihre Stiftung. Auch soll bald ein Spendenkonto für deutsche Unterstützer eingerichtet werden. In Japan nahm die Musikerin auch schon Kontakt zu Politikern auf: „Alle zeigten sich von der Idee begeistert. Konkrete Unterstützung wollte allerdings niemand zusichern.“