Dresden - Nach Jahren des Ringens um den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche und deren Ausgestaltung spielt die Musik wieder die Hauptrolle im Leben von Ludwig Güttler. Der Trompeter, der heute (13.6.) 70 Jahre alt wird, hat trotzdem kaum ausreichend Zeit für die anderen schönen Dinge. «Ich habe genau so viele Konzerte wie eh und je», sagt er. 110 Auftritte pro Jahr, meist in Deutschland, und zwei Benefizkonzerte für die Frauenkirche, zählt Güttler auf. Keine Spur also von Ruhestand. «Ich weiß gar nicht, was das ist.»
Eigentlich wollte er kürzertreten, als er 2008 noch mal heiratete. Eine gut 30 Jahre Jüngere, «noch einmal eine große Liebe», wie der Witwer damals sagte. Die Ehe ist eine moderne Fernbeziehung: Juliane (38) lebt als Regisseurin in Köln, er als Musiker in Dresden. Für Güttler noch immer eine Herausforderung. Seitdem achtet er auf Pausen - nicht nur täglich. «Nach drei Wochen Arbeit mache ich eine Woche Urlaub», sagt der Künstler, der als Solist auf Trompete und dem Blasinstrument Corno da caccia zu den erfolgreichsten Virtuosen der Gegenwart zählt.
Schon als Kind lernte der 1943 in Sosa im Erzgebirge geborene Güttler, der österreichische Lauten- und Geigenbauern unter seinen Vorfahren hat, neben Trompete auch Klavier, Orgel, Flöte und Cello. «Ein Trompeter spielt mit dem Atem, das hat mich begeistert», erklärt er seine Instrumentenwahl. Später studierte er an der Musikhochschule Leipzig und begann seine Konzertkarriere 1965 beim Hallenser Händel-Festspielorchester. Von 1969 bis 1980 war er Solotrompeter der Dresdner Philharmonie.
Seitdem widmet er sich verstärkt der Kammermusik und gründete drei eigene Ensembles: Leipziger Bach-Collegium, Blechbläserensemble und Kammerorchester Virtuosi Saxoniae. Freunde Alter Musik schätzen ihn wegen solistischer Qualitäten und seines Engagements für vergessene Barockkomponisten. Die Liste seiner Schallplatten- und CD-Aufnahmen ist lang, tägliches Proben auch mit fast 70 noch Pflicht. Entspannung findet der fast zwei Meter lange Mann beim Lesen, Spaziergängen, der Gartenarbeit, den inzwischen acht Enkeln - und beim Reisen. «Da habe ich Nachholbedarf.»
Einige Träume hat er sich schon erfüllt, aber der Baikalsee wartet noch. Denn: «Lebensinhalt und Arbeit ist Musik». Güttlers Herz aberhängt auch an der Architektur - einst heimlicher Berufswunsch. Sein Name ist untrennbar mit dem Wiederaufbau der 1945 zerstörten Dresdner Frauenkirche verbunden. «Wir waren glücklich, als zur Weihe 2005 klar war, dass der Bau bezahlt ist.» Güttler selbst sammelte Geld zur Finanzierung des auch umstrittenen Projekts - bei 1500 Konzerten und Gastspielen. Auch an seinem 70. Geburtstag wird er im originalgetreu errichteten Spätbarockbau auftreten.
Jubiläen sind für ihn Anlässe zur Rückschau und der Dankbarkeit gegenüber denen, die ihm halfen. «Als junger Mensch ist man im Beruf darauf angewiesen, dass Menschen ja zu einem sagen.» Auch er selbst hat das «Nein»-Sagen noch nicht gelernt. «Meine Verführbarkeit, wenn jemand was Tolles macht, zu helfen, habe ich schon eingeschränkt.» Trotzdem engagiert er sich für eine Musikschule oder gibt Rat bei einer Kirchenrenovierung.
Beruflich kann sich Güttler auf Material konzentrieren, von dem manches in den letzten Jahren in die zweite Reihe geschoben werden musste. «Das möchte ich noch auflegen und herausgeben.» Allerdings müsste er schon 130 Jahre alt werden, wenn er nur einen Teil des Fundus spielbar und aufführungsreif machen will. Die Gesundheit und das Können dafür hat er noch immer. Dabei hatten das nicht einmal seine Lehrer an der Hochschule geglaubt: «Die haben mir gesagt: so wie Du spielst, das machst Du nur bis maximal 48.»
Simona Block
Ludwig Güttler ist Schirmherr des Festivals "Unerhörtes Mitteldeutschland" des Vereins Straße der Musik. Dort ist er auch mit einem Konzert präsent:
Donnerstag, 4. Juli 2013, 19.30 Uhr Marktkirche, Halle (Saale)
Unerhörte Komponisten | Ludwig Güttler (Leitung, Trompete, Corno da caccia), Solistenensemble Virtuosi Saxoniae
Werke von Johann Ernst von Sachsen-Weimar, Johann Friedrich Fasch, Johann Sebastian Bach, Christoph Förster, Christoph Schaffrath, Johann Georg Pisendel