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„Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“: Johannes Heesters (1903–2011). Foto: youtube
„Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“: Johannes Heesters (1903–2011). Foto: youtube
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Mein Herz müsste ein Rundfunksender sein: Im Alter von 108 Jahren starb der Operetten-Bonvivant Johannes Heesters

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Wer die Geschichte der deutschen Unterhaltungskultur des 20. Jahrhunderts erzählen will, kommt an dem holländischen Sänger und Schauspieler Johannes Heesters nicht vorbei, der ein Leben lang von seinem Ruf als ewiger Danilo zehrte. Ein Ufa-Geschöpf, das die Traumfabrik des Dritten Reichs lange überlebte.

Es war der Hamburger Detlef Sierck, der im Winter 1933 Kurt Weills letzte deutsche Oper „Der Silbersee“ inszeniert hatte, der 1936 für Heesters' ersten großen Ufa-Auftritt sorgte, in der musikalischen Komödie „Das Hofkonzert“. Ein Jahrzehnt lang, bis zum Untergang des Dritten Reichs sollte Heesters der Operettenstar der Ufa bleiben: von den Millöcker-Verfilmungen „Der Bettelstudent“ und „Gasparone“ über seine Tonfilmoperetten mit Marika Rökk bis zur „Fledermaus“, die erst nach dem verlorenen Krieg ins Kino kam. Aus diesem runden Dutzend Filme stammten alle seine Evergreens: „Jede Frau hat ein süßes Geheimnis“, „Ich brauche keine Millionen“, „Das Karussell“, „Mein Herz müsste ein Rundfunksender sein“ und natürlich „Man müsste Klavier spielen können“. Tonfilmschlager, die komponiert wurden von denen, die die große Lücke nach der „Entjudung“ der Ufa füllen durften: Peter Kreuder, Franz Grothe, Michael Jary oder Friedrich Schröder.

Und wie kein zweiter profitierte auch Johannes Heesters von den „Zeitläuften“, der Marschroute der Nazis, die jüdische Sänger wie Richard Tauber oder Joseph Schmidt ins Exil zwang. In allen Nachrufen auf „Jopie“ wurde auf die „Paraderolle seines Lebens“ verwiesen: den Grafen Danilo aus Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“, den er zum ersten Mal 1938 am Münchner Gärtnerplatztheater gab. Inzwischen ist es Allgemeingut geworden, dass „Die lustige Witwe“ die „Lieblingsoperette“ des „Führers“ war. Weniger bekannt ist, dass der jüdische Ur-Danilo Louis Treumann von den Nazis 1943 im KZ Theresienstadt ermordet wurde. Und erst in den letzten Jahren erfuhr man, dass der politisch sehr naive Heesters auch im KZ Dachau aufgetreten war. Genau in jener Zeit war er der große Charmeur gewesen, den die Frauen gerne „eskottierten“.

Ein „großer Schauspieler“, wie er in vielen Nachrufen genannt wurde, ist Heesters nie gewesen, das zeigen auch seine Auftritte im Kino der fünfziger Jahre, in Willi Forsts Verfilmung vom „Weißen Rössl“; Otto Premingers „Die Jungfrau auf dem Dach“ oder in einem Remake von „Viktor und Viktoria“. Und diese Werke sind eigentlich seine einzigen nennenswerten Filme der Nachkriegszeit. Der Ufa-Glanz war verschwunden und so verabschiedete sich Heesters vom Kino und ging Anfang der sechziger Jahre zum Fernsehen. Natürlich spielte er auch dort wieder den Danilo und später tauchte er sogar einmal im „Kommissar“ auf. Mitte der siebziger Jahre trat er schließlich in die Fußstapfen von Maurice Chevalier (das Vorbild, das er nie erreicht hat) und spielte wiederum am Gärtnerplatztheater den Honoré Lachaille in dem Musical „Gigi“, natürlich mit Frack und Zylinder.

Als er 1992 schließlich die um 45 Jahre jüngere Simone Rethel heiratete, wurde der einstige Operettenbonvivant zum Helden des Boulevards, zur „Super-Illu“-Ikone. Schon 2001 landete Heesters als ältester aktiver Schauspieler der Welt im „Guinness-Buch der Rekorde“. Und nach seinem 100. Geburtstag glaubte man, dass der Boulevard den rüstigen Salonlöwen bald heilig sprechen würde. In den Niederlanden freilich hat man ihm seine „Kollaboration“ nie vergeben. Nein, der „größte deutsche Schauspieler und Sänger“ war er gewiss nicht, auch nicht in seinem Genre, aber einer, der mit seiner Mittelmäßigkeit sehr nonchalant umging, ein ewiger Charmeur der alten Schule halt.

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