Hamburg/München - Die Münchener Biennale, Deutschlands berühmtes Festival für Neue Musik, wird er 2014 ein letztes Mal anführen. Aber dann will Peter Ruzicka, der am Mittwoch (3. Juli) 65 Jahre alt wurde, es noch einmal so richtig krachen lassen. Es soll, so das rebellische Motto, alles «Außer Kontrolle» geraten.
«Es wirdStücke geben, in denen es regelrecht explodiert», sagte Ruzicka der Nachrichtenagentur dpa. Am spektakulärsten ohne Zweifel im Werk eines jungen Serben, der den schockierenden Mord an dem kanadischen Komponisten Claude Vivier zur Vorlage hat. Den hatte 1983 ein 19-jähriger Stricher erstochen.
An Experimentierlust und Innovationswillen hat es dem in Düsseldorf geborenen und in Hamburg lebenden Ruzicka nie gemangelt. Er erwarb sich früh Ruhm als ein Meister der souveränen Mehrgleisigkeit. Mit 19 Jahren siegte er auf dem Feld der Naturwissenschaften beim Bundeswettbewerb «Jugend forscht». Da hatte er seine musikalische Ausbildung (Oboe, Klavier, Komposition) bereits hinter sich. Und während er erste Triumphe als Komponist feierte, absolvierte er ein Jura-Studium, um sich nach der Promotion als Urheberrechts-Experte hervorzutun.
Auch als Musikmanager hat er stets besondere Qualitäten bewiesen. So machte er sich als Intendant der Hamburger Staatsoper (1988-1997) und als Chef der Salzburger Festspiele (2001-2006) für das zeitgenössische Musiktheater (Rihm, Schnebel, Lachenmann) stark, aber auch für die Opern lange verpönter Komponisten wie Schreker oder Zemlinsky. Zum Finale seiner Salzburger Amtszeit, im Mozart-Jubiläumsjahr 2006, setzte er gegen massive Kritik sämtliche Opernwerke Mozarts aufs Programm: ein triumphaler Akt aufgeklärter Mozart-Hommage.
Was sein eigenes Werk betrifft, so will Ruzicka nach der Biennale 2014 eine neue, dritte Oper schreiben, die seinen auf Seelenverwandtschaft beruhenden Werken «Celan» (2001) und «Hölderlin» (2008) würdig zur Seite stehen kann. Titel und Thema sind freilich noch offen. Unter dem Titel «Nach-Zeichnungen» erscheint in diesen Tagen Habakuk Trabers Monografie zu Ruzickas Werken.
Als gefragter «Composer-Conductor» wird er auch in Zukunft primär seine eigenen Werke betreuen. Vornehmlich am Pult der großen Radio-Sinfonieorchester. Doch dirigiert er auch das Philharmonische Staatsorchester Hamburg bei einer späten Wagner-Hommage im November. Dort wird unter seiner Ägide nicht nur Wagners frühe C-Dur-Sinfonie zu hören sein («ein interessanter Fall, der schönste Erkenntnisse über Wagners musikalische Sozialisation gewährt»), sondern auch seine eigenen Wagner-Paraphrasen «Über Unstern» und «R. W.»: Übermalungen von zwei späten Liszt'schen Klavierwerken. «Das sind Stücke, die völlig aus der Zeit gefallen sind. Mich hat das Weiterwirken dieser Stücke interessiert, ihr utopisches Potenzial.»
Barbara Sell