Ludwigshafen - «Antigone» von Sophokles ist Hansgünther Heymes Lieblingsstück. «Es gibt kein besseres», sagt der Intendant des Theaters im Pfalzbau, der gestern 75 Jahre alt wurde. Für Ludwigshafen inszeniert er den Stoff gerade zum fünften Mal in seinem Leben, «alle zehn Jahre muss man so ein tolles Monster an Stück machen», sagt er. Dabei hat er derzeit noch ein anderes Projekt zu stemmen.
Er inszeniert Richard Wagners Opern-Vierteiler «Der Ring des Nibelungen», eine Kooperation des Theaters im Pfalzbau mit der Oper Halle und der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Der erste Teil «Das Rheingold» wird bei der Eröffnung der diesjährigen Ludwigshafener Festspiele am 5. November Premiere haben.
Es sei sein Anliegen, Theater nicht nur für eine Elite zu machen, sagt Heyme. «Dieser Anspruch hat sich bei mir mit den Jahren verschärft.» Das «Ring»-Projekt heißt im Untertitel auch «Wagner fürs Volk». Das heißt für Heyme, bekannte Werke modern zu inszenieren und sie damit begreifbar machen.
Heyme ist einer der Mitbegründer des sogenannten deutschen Regietheaters. «Regietheater» war ursprünglich der Spottname für Inszenierungen, in denen die Ideen des Regisseurs nach Auffassung der Kritiker den Inhalt des Stückes verzerrten oder in denen ihrer Meinung nach verzichtbare Zurschaustellungen von Nacktheit oder Gewalt vorkamen. Für Heyme bedeutet Regietheater, klassische Stoffe für die Gegenwart neu zu deuten.
Heyme wurde 1935 in Bad Mergentheim (Baden-Württemberg) geboren. Gleich nach dem Abitur 1955 nahm er parallel zum Studium diverser Fächer Schauspielunterricht. 1956 wurde er Regieassistent des einflussreichen Avantgardisten Erwin Piscator. Nach fünf Jahren als Schauspieler und Regisseur an der Städtischen Bühne in Heidelberg wechselte er 1963 zum Hessischen Staatstheater Wiesbaden, wo 1965 seine Inszenierung von Friedrich Schillers «Wilhelm Tell» wegen Anspielungen auf die Umdeutungen des Stückes in der Nazizeit einen Theaterskandal auslöste, in dessen Folge er sogar in der Schweiz zeitweise verhaftet wurde.
Es sollte nicht der einzige Skandal bleiben: Bei der Münchner Uraufführung von Wolf Biermanns «Der Dra-Dra» 1971, die Heyme inszenierte und in der ein Drache, der den Kapitalismus symbolisiert, getötet wird, kam es zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen im Publikum. Im gleichen Jahr wurde Heymes Inszenierung von Dieter Fortes «Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung» ausgebuht, weil am Ende der ermordete Münzer nackt aufgehängt wurde.
Zu den bedeutendsten und ruhmreichsten Stationen von Heymes Karriere gehörte die Intendanz der Ruhrfestspiele in Recklinghausen von 1991 bis 2003. Er förderte dort insbesondere die Zusammenarbeit mit ausländischen Theatern und reformierte die Spiele so zu einem «Europäischen Festival». Seit 2004 ist Heyme Intendant des Theaters im Pfalzbau in Ludwigshafen. 2005 führte er dort die Internationalen Festspiele Ludwigshafen ein.
In einer Arbeiterstadt wie Ludwigshafen sieht er es heute als seine zentrale Aufgabe, theaterfernes Publikum an die Kunst des Theaters heranzuführen. Dafür veranstaltet er Workshops für Kinder und Jugendliche in Schulen oder erlässt schon einmal Arbeitslosen den Eintritt. «Ich gehe immer dahin, wo es besonders schwierig ist», sagt Heyme.