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Musik aus der Wundertüte

Untertitel
Viera Jánarceková – ein Nachruf
Vorspann / Teaser

Eine Große ist gegangen. Viera Jánarceková hatte ihren zauberhaften und fast ein bisschen verwunschenen Garten so geliebt. In ihm wuchsen die schönsten Pflanzen. Nicht geziert, nicht völlig wild, aber Pflanzen konnten dort frei wachsen. Wie die Noten, die Viera Jánarceková aufs Papier pflanzte beziehungsweise schrieb. Sie wollte nämlich immer „zur Abenteuer­lust ermutigen“ mit ihrer Musik, wie die Süddeutsche Zeitung über sie vor drei Jahren schrieb, als Viera Jánarceková den renommierten E.T.A.-Hoffmann-Preis für ihr Schaffen erhielt.

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Vom kletternden Mädchen im Apfelbaum hin zur preisgekrönten Komponistin: 1941 in der Slowakei geboren und mit 31 in die Emigration gezwungen, weil ihr als Regimeunkonforme schlimmste Repressionen drohten, zu einer Arbeitsstelle an der Kirchenmusikhochschule Rottenburg und weiter zu einem Klavier-Aufbaustudium in Luzern (wo sie bei Landsleuten wie Rudolf Firkušný, einem Janácek-Schüler, studierte), über Kanada und dann die letzten 10 Jahre in Bamberg, anfangs mit einem Stipendium.

Als zunächst studierte Pianistin lernte sie über Kurse bei der Cembalis­tin Zuzana Ružicková noch in Prag die individuelle, aber wohlbegründete und durchdachte Interpretation, besonders von Bach’schen Werken. Gefragt, ob sie als Komponistin auf Vorbehalte gestoßen war, entgegnete sie: „Dieser schiefe Blick hat sich zum Glück im Lauf der Jahre verändert, dank überzeugender Leistungen vieler Komponistinnen.“ Mit solchen war sie als langjährige Teilnehmerin der Darmstädter Ferienkurse und auch mit den Komponistinnen im Internationalen Arbeitskreis Frau und Musik in intensiverem Austausch. Sie komponierte vom Klavierkonzert bis zu kleinen Besetzungen. Für sie war es wichtig, dass ihre Musik einhergeht mit akustisch-inhaltlicher Selbstbestimmung, einer Synthese von Klang und Geräusch, einem organischen Formfluss, einer untergründigen Dramaturgie und einer Multidimensionalität der Töne. Zu diesem Zweck hatte sie beim Komponieren immer verschiedene Musikinstrumente griffbereit, um damit neue und andere Klänge auszutesten. Ihr Komponieren war auch ein bisschen wie das Streuen von Samen aus einer Wundertüte in den Garten: Wie daraus überraschend schöne Blumen entstehen können, wenn man sie eben nur wachsen lässt. Viera Jánarceková wusste um das Glück dieser Freiheit. Sie starb am 14. Mai in Großbottwar, unweit von Marbach am Neckar.

Im Archiv Frau und Musik finden sich von Viera Jánarceková 90 Medien (Bücher, Aufsätze, Tonträger etc.), darunter 50 Notenwerke.

 

 

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