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Lernen und Staunen: György Ligeti (1923–2006). Foto: Charlotte Oswald
Lernen und Staunen: György Ligeti (1923–2006). Foto: Charlotte Oswald
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Musik für den Weltraum: Zum 100. Geburtstag von György Ligeti

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Er bereitete Kinogängern kalte Gänsehaut und Konzertbesuchern schiere Begeisterung: György Ligeti hat Avantgarde-Musik für großes Publikum erschlossen. Er gilt als einer der bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts. Am 28. Mai wäre er 100 Jahre alt. Was bleibt von seinem Werk?

Hamburg - Streicher-Einsätze so groß und nicht fassbar wie das All. Chorstimmen, die wie elektronisch summen: Die hypnotische Musik von György Ligeti (1923-2006) hat Hollywoodfilmen wie «2001 - Odyssee im Weltraum», «Shining» und «Eyes Wide Shut» Tiefe und Bedrohlichkeit verliehen. Die Kompositionen, die Meisterregisseure wie Stanley Kubrick und Martin Scorsese so gern einsetzten, sind der bekannteste Teil eines großen und facettenreichen Werks. Der Ungar, der lange in Hamburg und zuletzt in Wien gelebt hat, gehört zu den herausragenden Komponisten des 20. Jahrhunderts und steht in der Neuen Musik neben Größen wie Pierre Boulez, Mauricio Kagel und Karlheinz Stockhausen. Ligeti wäre an diesem Sonntag (28. Mai) 100 Jahre alt geworden.

«Es ist extrem schwierig, György Ligeti in nur wenigen Sätzen zu würdigen - einfach weil er ein so facettenreicher Künstler war», so die Intendantin der Berliner Philharmoniker, Andrea Zietzschmann. «Und genau das macht seinen Rang aus: dass er mit seiner Entdeckerlust die Grenzen der Musik kontinuierlich erweitert hat.»

Ligeti wurde 1923 als Kind ungarischer Eltern in Siebenbürgen (heute Rumänien) geboren. Sein Vater und sein Bruder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. 1956 floh er nach dem Ungarn-Aufstand nach Wien und nahm später die österreichische Staatsbürgerschaft an. Aus Ungarn nahm er wesentliche Einflüsse mit. Zum einen misstraute er zeitlebens allen Ideologen. Aber auch musikalisch prägte ihn seine Heimat: Als Kind habe er auf Verwandtenbesuch «noch ganz echte ungarische Folklore» aufgenommen, wie er in einer ARD-Doku erzählte. «Und dann kam später der große Einfluss von Béla Bartók dazu.»

Ligeti habe «in Anknüpfung an Bartók die Gattung des Streichquartetts weiterentwickelt», schildert der Präsident der Deutschen Liszt-Gesellschaft, Albrecht von Massow. «Viele seiner Werke wurden weit über die Szene der Neuen Musik hinaus zu Publikumserfolgen», erklärt der Professor am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena.

Denn in Österreich und Deutschland konnte Ligeti seine Laufbahn gut fortsetzen. Ende der 1950er Jahre arbeitete er im legendären «Studio für elektronische Musik» des Westdeutschen Rundfunks (WDR) mit den bundesdeutschen Elektronik-Pionieren um Stockhausen zusammen. Die Erfahrungen dieser Zeit hört man seinen späteren Werken an.

Auch wenn er sich von der Elektronik entfernte, so konnten sich menschliche Stimmen bei ihm elektronisch anhören. Etwa in «Lux Aeterna»: Mancher Kinogänger mag sich an den unheimlichen durchdringenden Chor erinnern, zu dessen Klängen in «2001» ein schwarzer Block außerirdischen Ursprungs schwebt. Ligetis Kompositionen schienen oft nicht von dieser Welt.

Das Neun-Minuten-Stück «Atmosphères» - bei den psychedelischsten Szenen von «2001» zu hören - ist bis heute sein bekanntestes Werk. Ein beklemmender Klangteppich von Streichern und Bläsern nimmt den Zuhörer in Besitz. Die Instrumente klingen atonal, irritieren das Ohr. Es klingt wie ein heraufziehender Sturm oder ein reißender Fluss. Die Musik wird plötzlich schwächer, setzt neu an. Das Publikum der renommierten Donaueschinger Musiktage war 1961 so begeistert, dass es das Stück sofort noch mal hören wollte. Manche sprechen von einem Lust-Erlebnis der Unbehaglichkeit. Es setzt Kopfkino in Gang. Bis heute ist die Untermalung von Gruselfilmen der Kanal, auf dem Neue Musik die meisten Hörer findet. Das gilt nicht nur für Ligeti.

Ligeti war anerkannt - als wichtiger Künstler und als wichtiger Ausbilder. Komponist Manfred Stahnke, der Ligetis Schüler war, hat ihn als «höchst fordernden Lehrer» in Erinnerung. «Wir alle spürten seine tiefe Suche nach dem nächsten Schritt für die Musik. Wenn dieser zunächst unerreichbar war, zweifelte Ligeti genauso an sich selber und sagte uns das auch, wie er an uns zweifelte.»

Auch Intendantin Zietzschmann erinnert sich an Ligeti als einen Suchenden: «Bei ihm war man nie sicher, was er sich als Nächstes ausdenken würde. Das konnten die faszinierende Klangschichtungen in seinem Werk «Atmosphères» sein oder das «Poème symphonique» für 100 Metronome, mit dem Ligeti uns eine wichtige Botschaft hinterlassen hat: dass nämlich auch der Humor in der Avantgarde seinen Platz hat.»

 

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