Der Musikethnologe Prof. Dr. Tiago de Oliveira übernimmt eine Stiftungsprofessur für Transcultural Music Studies an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Mit der Einrichtung durch die Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung erhält das Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena gleichzeitig mit der Einrichtung des Forschungsschwerpunktes „Geschichte des Jazz und der populären Musik“ – im Rahmen der Exzellenzinitiative des Freistaats Thüringen – ein zusätzliches Profil.
Erstes konkretes Ergebnis der neuen Professur ist die Ausrichtung eines internationalen Workshops zum Thema „Automatische Klassifikation von Musik“, der vom 11. bis 13. November 2009 erstmals an der Hochschule stattfand. Zu dem interdisziplinären Workshop, der künftig einmal jährlich durchgeführt wird, reisten 18 Wissenschaftler, Archivleiter, Medienfachleute und Unternehmer aus verschiedenen Ländern an. Kooperiert wurde dabei mit dem Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) am Fraunhofer-Institut Ilmenau sowie mit „Bach Technology“ (Norwegen / Thüringen). Zusätzlich wurde eine Partnerschaft mit dem „Western Norway Research Institute“ (Sogndal) an der Universität Bergen in Norwegen vereinbart.
Ziel der intensiven Fachgespräche war es, der Thüringer Forschung an der Schnittstelle von Informationstechnologie und Musikwissenschaft eine international führende Position zu verschaffen. Aus dieser Kooperation, die auch das Internationale Archiv für Jazz und populäre Musik (L+R-Musikarchiv) in Eisenach mit einbezieht, sollen eine zuverlässige Methode für die automatische Musikklassifizierung sowie neue nutzerfreundliche Werkzeuge für die Suche und das Auffinden von Musik aus der ganzen Welt – basierend auf Audio-Analyse in digitalen Klangdatenbanken – entwickelt werden. Die potentielle Anwendung ist vielfältig: Sie reicht von der wissenschaftlichen Erschließung von Musik in ihren kulturübergreifenden Merkmalen über den Einsatz in Musikarchiven, Rundfunk und im Musikunterricht bis hin zu privater Musiknutzung in Computer und Handy.
Im Rahmen seiner Professur befasst sich Prof. Dr. Tiago de Oliveira Pinto mit musikalischen Transferprozessen zwischen den Kulturen in Zeiten der neuen Medien und der Globalisierung. Tiago de Oliveira Pinto stammt aus São Paulo, Brasilien. Nach seiner Promotion 1989 in Musikethnologie an der Freien Universität Berlin wirkte er von 1989 bis 1996 am Internationalen Institut für Traditionelle Musik, bis 2002 dann als Direktor des Brasilianischen Kulturinstituts in Deutschland. Seit 2001 hatte er eine Professur am Institut für Sozial-Anthropologie der Universidade de São Paulo inne. Von 2006 bis 2009 lehrte er am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg.
Der Ethnologe unternahm Feldforschungen in Brasilien, Portugal und der Türkei, in Südostasien sowie in Afrika. Über einhundert Publikationen aus seiner Feder sind erschienen, in Buchform oder als Artikel in Fachzeitschriften, Sammelbänden und Katalogen. Ferner zeichnet er für zahlreiche Musikproduktionen und Klanginstallationen in Museen verantwortlich, wirkte als Kurator von Ethnographie- und Kunstausstellungen und gastierte bei Musikfestivals und World Music Veranstaltungen. Prof. Dr. Tiago de Oliveira Pinto war Präsident der Gesellschaft für Traditionelle Musik Berlin (2000-2002) und Präsident der Brasilianischen Gesellschaft für Ethnomusikologie (2004-2006).