In zwei „offenen“ Briefen geht es um die Wahl des Präsidenten des Deutschen Musikrates Ende 2021. In einem ersten Brief rufen das Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates Rüdiger Grambow und 30 Mitunterzeichner den amtierenden Präsidenten dazu auf, erneut für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, obwohl der amtierende Amtsträger Martin Maria Krüger nach 18 Jahren seine Tätigkeit nach eigenen Angaben beenden wollte. In einer Antwort des Präsidenten des Bayerischen Musikrates, Thomas Goppel, reagiert dieser. Wir dokumentieren die beiden Briefe nachfolgend.
Offener Brief vom 5.10.2020 Rüdiger Grambow
Herrn
Prof. Martin Maria Krüger
Sehr geehrter Herr Prof. Krüger,
die Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates (DMR) wird im Oktober 2021ein neues Präsidium und zugleich eine Präsidentin oder einen Präsidenten wählen.
Da Sie gelegentlich anklingen ließen, dass Ihre lange Amtszeit von 18 Jahren und das inzwischen erreichte Lebensalter bei Ihnen zu der Überlegung geführt haben, ob eine erneute Kandidatur als Präsident des DMR wirklich wünschenswert sei und im Interesse unseres Dachverbandes liegt, wenden wir uns heute direkt an Sie.
Wir- die Unterzeichnenden- möchten Sie mit diesem offenen Brief ausdrücklich darum bitten und dazu aufrufen, sich für die im Oktober 2021beginnende nächste Amtsperiode erneut als Kandidat für das Präsidentenamt des DMR zur Verfügung zu stellen.
Seit der Neustrukturierung 2003/2004 haben Sie den DMR nicht nur wesentlich geprägt, sondern können auf eine außergewöhnlich umfassende und erfolgreiche Bilanz Ihres bisherigen Engagements für die Musik in Deutschland in all ihren vielfältigen Facetten zurückblicken. Ihr großer Erfahrungsschatz, Ihr hohes An sehen im Musikleben und bei den Mitgliedern des Deutschen Musikrates sowie Ihre exzellente Vernetzung bilden die besten Voraussetzungen für eine weitere Amtsperiode als Präsident des Deutschen Musikrates.
Das an den Interessen des DMR ausgerichtete, konstruktive und gute Zusammenwirken von Präsident, Generalsekretär und Geschäftsführer sowie die ebenso konstruktive Zusammenarbeit mit den zahlreichen Verbandsgremien sind von besonderer Bedeutung für den DMR und haben gerade in der jüngeren Zeit eine zukunftsorientierte, strategische Ausrichtung unseres Dachverbandes und seiner Förderprojekte voran getrieben. Als Beispiel sei hier nur die Gründung des Bundesjugendchores genannt- ein Ensemble, das ohne Ihren unermüdlichen und diplomatischen Einsatz möglicherweise noch lange nur ein Traum geblieben wäre.
Wir danken sehr herzlich für Ihr bisheriges, außergewöhnliches Engagement und bitten Sie ausalldiesen guten Gründen, 2021ein weiteres Mal für die Präsidentschaft des Deutschen Musikrates zu kandidieren.
Mit freundlichen Grüßen ihr
Rüdiger Grambow
Liste der Mitunterzeichnenden
des Offenen Briefes an Prof. Martin Maria Krüger vom 5. Oktober 2020
- Dr. Eleonore Brüning, Vorsitzende Preis der deutschen Schallplattenkritik e.V., Stv. Vorsitzende des Projektbeirates Deutscher Musikwettbewerb
- Jens Cording, Vorsitzender des Projektbeirates Neue Musik
- Prof. Udo Dahmen, Vizepräsident des Deutschen Musikrates, Vorsitzender des Projektbeirates Jazz, Künstlerischer Direktor der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim
- Prof. Dr. Andreas Eckhardt, Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates
- Prof. Alfred Eickholt, Präsident der European Guitar Teachers Association- Sekt. Deutschland
- Johannes Freyer, Präsident der Jeunesses Musicales Deutschland
- Bernhard Fromkorth, Präsident des Landesmusikrates Saar, Mitglied des Projektbeirates Jugend musiziert
- Prof. Axel Gerhard, ehem. Mitglieder der Berliner Philharmoniker, Prof. an der Hdk Berlin, Förderer des Bundesjugendorchesters
- Rüdiger Grambow, Ehrenmitglied des DMR, Mitglied des Aufsichtsrates der Projektgesellschaft des DMR gGmbH, Präsident der European Guitar and Mandolin Association
- Prof. Peter Gülke, Ehrenmitglied des DMR, Chefdirigent Brandenburger Symphoniker
- Dominik Hackner, Präsident des Bundes Deutscher Zupfmusiker
- Jochen Haußmann, MdL BW, Präsident des Deutschen Harmonika-Verbandes
- Hartmut Karmeier, Vizepräsident des Deutschen Musikrates
- Prof. Dieter Kreidler, Vorsitzender des Projektbeirates Deutscher Orchesterwettbewerb
- Prof. Dr. Eckart Lange, Präsident des Landesmusikrates Thüringen
- Prof. Maurice Lausberg, Vorsitzender der Institutsleitung des Instituts für Kulturmanagement und Medien an der HfMT München
- Prof. Dr. Ulrike Liedtke, Vizepräsidentin des Deutschen Musikrates, Vizepräsidentin des Deutschen Kulturrates, Vorsitzende der Konferenz der Landesmusikräte, Landtagspräsidentin in Brandenburg
- Ernst-Uirich Neumann, Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates
- Prof. Ernst Oestreicher, Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, Mitglied im Projektbeirat Deutscher Orchesterwettbewerb
- Prof. Christoph Poppen, Prof. für Violine u. Kammermusik an der HfMT München, Principal Conductor Kölner Kammerorchester, Artic Director Festivallnt. de Musica de Marv o
- Matthias Rieger, Vizepräsident des Landesmusikrates in der Freien und Hansestadt Hamburg
- Michael Russ, Ehrenmitglied des DMR, Ehrenpräsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft
- Jan Schumacher, Vorsitzender des Projektbeirates Deutscher Chorwettbewerb
- Sarah Wedi-Wilson, M.A. (Cantab), Rektorin der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin
- Prof. Oliver Wille, Vorsitzender des Projektbeirates Deutscher Musikwettbewerb, Intendant Sommerliche Musiktage Hitzacker, Prof. für Kammermusik an der HfMTM Hannover
- Lothar Zagrosek, Generalmusikdirektor, Vorsitzender des Projektbeirates Dirigentenforum
- Dr. Brigitta Zielbauer, Vizepräsidentin des Deutschen Zithermusik-Bundes
Offener Brief: Thomas Goppel
Herrn
Prof. Martin Maria Krüger
Per E-Mail: generalsekretariat [at] musikrat.de (generalsekretariat[at]musikrat[dot]de)
Datum: 16.10.20
DMR-Durchwahlen 2021
Kandidaturaufruf von Rüdiger Grambow etc. vom 5. Oktober 2020
Sehr geehrter Herr Präsident und Professor,
lieber Martin Maria,
Rüdiger Grambow, das Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates führt eine illustre Schar von „Großkopferten“ in der deutschen Musikszene an, die mich unter dem 5. Oktober 2020 davon in Kenntnis setzt, dass man Dich in 2021 in einer vierten Kandidatur zum Präsidenten des Deutschen Musikrates erneut antreten sehen möchte. So sehr ich die Argumente, die für Dich angeführt sind, nachvollziehen kann, komme ich, was den vierten Anlauf zum gleichen Führungsamt angeht, zu anderen Schlussfolgerungen. Dabei stelle ich mit Bedauern fest, dass die Summe der über 30 Befürworter Deiner Kandidatur Deinen eigenen Herkunftsverband, von Ernst Oestreicher abgesehen, gänzlich außer Acht gelassen hat.
Wir hätten in Bayern gerne vor dem Aufruf eingehend mit Dir diskutiert, ob und was dafür spricht, in unveränderter Formation über das 18. Amtsjahr hinaus für den Deutschen Musikrat einzutreten. Weil die Argumente, die nicht außer Acht bleiben dürfen, nicht intern diskutiert worden sind, die Gelegenheit dazu leider auch fehlte, sehe ich mich veranlasst, meine abweichende Meinung mit diesem Schreiben kundzutun. Ernst Oestreicher, mein präsidiales Mitglied im Freistaat, bekommt einen Abdruck dieses Briefes.
Was lässt mich dazu raten, die vierte Kandidatur wirklich zu hinterfragen?
1. Aus meiner politischen und gesellschaftlichen Erfahrung heraus, den Erkenntnissen, die ich mit Vierfachkandidaturen bundesweit gesammelt habe, rate ich seit langem niemanden mehr, sich selbst zum Opfer ermüdeter Kommentatoren der eigenen Arbeit zu machen. Von Angela Merkel angefangen bis zu simplen Erfahrungen in allen gesellschaftlichen Bereichen können viele von den zu diesem Zeitpunkt der eigenen Laufbahn beginnenden und begonnenen Verwerfungen erzählen. Dem muss man sich nicht aussetzen.
2. Dr. Theo Waigel, selbst nach seiner Einschätzung generationenübergreifender Kandidaturen befragt, hat ausdrücklich erklärt, dass Führungsämter in besonderer Weise bei überlangen Laufzeiten sowohl an Einfühlungsvermögen als auch an Gestaltungkraft einbüßen, dass er deshalb selbst für eine deutliche Beschränkung der Wiederwahlmöglichkeiten eintrete. Die Argumentation halte ich für nachvollziehbar.
3. Jetzt im November wird sich der Bayerische Musikrat einen neuen Präsidenten wählen. Weil ich den Waigel‘schen Gedankengang folge, endet meine Zeit in der genannten Position jetzt nach 12 Jahren. Der Präsident hier wird aus den Reihen der Führungskräfte neu besetzt und damit zentrale Stelle für die zeitgemäße Anpassung unserer Vorhaben und Wünsche an Politik und Gesellschaft. Der Zug, besser: Der neue Schwung, den ein neuer Präsident auslöst, ist wichtig, wenn auch Verbände zeitgemäß repräsentiert bleiben (wollen).
4. Mit dem „Corona-Jahr“ 2020, mit der Digitalisierung, mit den vielen Strukturanpassungen eben dieses letzten Jahres verändern sich so viele Parameter des Musiklebens, dass es Sinn macht, den von Theo Waigel monierten Neuanfang auch für unsere Herausforderungen zu überlegen.
5. Führungswechsel geschieht gerne aus drei Gründen: Amtsinhaber haben das Aufbruchssignal rechtzeitig gegeben, die aktuellen Themen brauchen eine ebenso langfristig ansetzende und glaubwürdige Repräsentanz oder stimmberechtigte Mitgliedsverbände rebellieren. Letzteres ist im Deutschen Musikrat und in den Landesverbänden nicht in Sicht. Die Bewältigung neuer Entwicklungen will beherzt und zeitgemäß angegangen sein. Solche zwei Sichtweisen stehen sich gegenüber und brauchen den Impuls, der uns „Kontinuität im Wandel“ garantiert.
Diese letzte Feststellung lässt mich an der Schwelle zu 2021 dafür eintreten, personell in der Führung auch des Deutschen Musikrates einen Neuanfang, aus aktuellem Anlass eine Neuordnung der Kräfte in Angriff zu nehmen. Deshalb haben die Initiatoren des Kandidaturaufrufes Recht getan, mich nicht um meine Unterschrift zu bitten. Ich würde ihn wegen der notwendigen Veränderungen und Anpassungen auch im Musikrat nicht unterschreiben.
Die Entscheidung, ob Du kandidierst liegt an Dir. Empfinde meinen Brief bitte als einen Rat aus der benachbarten Alterskohorte. Wie auch immer Du ihn aufnimmst, den Rat: Er ist solide bedacht und auch abgewogen. Ihn insoweit in Deinen Überlegungen berücksichtigt zu wissen, würde mich freuen.
An letzter Stelle in diesem Brief muss Platz dafür sein für Deine viele und solide Arbeit in 18 Jahren DMR-Präsidentschaft mit allen anderen aufrichtig und ehrlich Dank zu sagen. „Unsere 12 davon“ waren nicht die einfachsten. Das weiß und berühmt zur rechten Zeit
Dein
Dr. Thomas Goppel
Präsident Bayerischer Musikrat