Fast sagenhafte 35 Jahre lang war Harry Vogt Redakteur für Neue Musik beim Westdeutschen Rundfunk Köln. Er verantwortete die künstlerische Leitung der Konzertreihe „Musik der Zeit“ und des Festivals „Wittener Tage für neue Kammermusik“ sowie diverse Rundfunk- und CD-Produktionen. Sein Nachfolger ist seit 2022 Patrick Hahn, ausführlich vorgestellt im Interview „Was wird die neue Musik?“, nmz 12/2023, S. 8/19.

Patrick Hahn. Foto: Holger Talinski/WDR
Patrick Hahn gibt Redaktion neue Musik WDR Köln auf
Nun wird Hahn jedoch lediglich drei Jahre Redakteur für Neue Musik des WDR gewesen sein, wenn er zum Ende des zweiten Quartals dieses Jahres seinen unbefristeten Vertrag kündigt, um ab 1. Juli 2025 Manager des Ensemble intercontemporain zu werden.
Wie zuvor schon Vogt pflegte auch Hahn schon seit Längerem enge Kontakte nach Frankreich, nicht zuletzt während seiner sieben Jahre als künstlerischer Programmplaner beim Gürzenich Orchester an der Seite des französischen Dirigenten und Kölner GMD François-Xavier Roth.
Um möglichen Gerüchten vorzubeugen – wie sie die allgemeine Krise der verbliebenen ARD-Kulturradios freilich nahelegt –, betont Hahn, dass sein Wechsel nichts mit den Arbeitsbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten beim WDR zu tun hat: „Ich war insgesamt zehn Jahre in Köln, davor beim Gürzenich Orchester, und verlasse nun beim WDR eine tolle Aufgabe für eine tolle Sache in Paris. Das ist keine Entscheidung gegen den WDR, sondern für Paris.“
Die Stelle bei dem von Pierre Boulez 1976 gegründeten und seit 2013 vom Komponisten-Dirigenten Matthias Pintscher künstlerisch geleiteten Ensemble intercontemporain wurde frei und im Dezember 2024 offiziell ausgeschrieben, weil der bisherige Manager als Ko-Intendant zum Festival d’Aix-en-Provence wechselt. Die mit 31 festen Mitgliedern weltweit größte Spitzenformation für neue Musik hat ihren Sitz in der 2015 neu eröffneten Pariser Philharmonie. In der Verbindung mit der Pariser Philharmonie sieht Hahn gute Möglichkeit zu kreativer Gestaltung und programmatischer Neukonzeption. „Ich hatte mir vorgenommen, die Arbeit im WDR sieben Jahre zu machen, weil ich es für ein Auslaufmodell halte, dass jemand auf einem solchen Posten mehrere Jahrzehnte tätig ist. Nun sind es nur drei Jahre geworden, weil ich die Gelegenheit in Paris einfach ergreifen musste.“
Während Hahn bei seinen redaktionellen Planungen im Kölner Sender mehr oder minder alleine blieb, trifft er nun beim Pariser Ensemble auf ein Team von hoch professionellen Mitarbeitenden speziell für Programmplanung, Einladung von Dirigentinnen, Solisten, Gästen, für Organisation, Terminplanung, Koordination, Vertragsabschlüsse, Kommunikation, Marketing, Dramaturgie, Programmheftgestaltung, Veranstaltungsmanagement.
Das jüngste Konzert der WDR-Reihe „Musik der Zeit“ am 9. März widmeten Hahn und das WDR Sinfonieorchester unter Leitung von Jonathan Nott dem hundertsten Geburtstag von Pierre Boulez. Dass der WDR dabei im Programmheft der Kölner Philharmonie kaum als Veranstalter in Erscheinung trat, hatte laut Hahn pragmatische Gründe: „Wir können beim WDR spannende Programme machen und haben auch ein wahnsinnig tolles Orchester. Aber wir sind nicht so gut in Marketing und im Verkauf von Konzertkarten. Deswegen haben wir bei diesem besonderen Konzert mit der Kölner Philharmonie und deren Reihe ,Kölner Sonntagskonzerte‘ʻ kooperiert, damit dieses sehr aufwändige Programm auch wirklich sein Publikum findet. Ebenso haben wir schon bei Konzerten mit der Philharmonie Essen kooperiert.“ Tatsächlich war „Musik der Zeit“ diesmal auffallend besser besucht als sonst.
Hahn ist zuversichtlich, dass die durch seinen Weggang frei werdende WDR-Stelle durch den Sender bald wiederbesetzt und das Programmsegment neue Musik dort unvermindert weiter erhalten bleibt. „Ich hoffe, in meiner kurzen Zeit als Redakteur für neue Musik beim WDR gezeigt zu haben, dass die Geschichte der neuen Musik noch lange nicht auserzählt ist.“ Wer diesen Erzählfaden nun aufgreift, bleibt abzuwarten.
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