Von Jürg Baur bis Jin Wang, der GEMA und dem AfS
Die Spannweite eines expressiven schöpferischen Ansatzes
Dem Komponisten Jürg Baur zum Neunzigsten – empfehlenswerte Einspielungen
Am 11. November dieses Jahres konnte der Komponist Jürg Baur seinen 90. Geburtstag feiern. Sein Geburtsort Düsseldorf blieb im Grunde sein Leben lang Zentrum seines musikalischen Wirkens. Die Ausbildung von Komponisten seiner Generation fiel in die Zeit des Nationalsozialismus, den Aufbruch der Avantgarde nach 1945 erlebten sie als schon etwas Ältere, die dem radikalen Umschwung der Jungen nicht mit der gleichen Emphase folgen konnten. Zwischen 1937 und 1939 hatte er Unterricht bei Philipp Jarnach in Köln, die Studien setzte er dort nach russischer Kriegsgefangenschaft zwischen 1946 und 1948 fort. Schon ab 1946 wirkte er als Dozent am Robert Schumann Konservatorium in Düsseldorf, dem er nach seiner Kantorentätigkeit an der Pauluskirche Düsseldorf zwischen 1965 und 1971 als Direktor vorstand. Als Nachfolger von Bernd Alois Zimmermann, einem weiteren Komponisten dieser Zwischengeneration, wirkte er von 1971 bis 1990 als Professor für Komposition in Köln.
Das umfangreiche Schaffen Baurs schlug sich auch in einer großen Reihe von Schallplatten- oder CD-Veröffentlichungen nieder. Immer wieder hat sich das Label Schwann des Schaffens von Baur angenommen. Bei ihm erschienen unter anderem die sechs Bagatellen (Vogelrufe) für Klarinette solo (VMS 2043), das Choral-Triptychon „Christ ist erstanden“ (Schwann ams st. 4514/4515), „Mit wechselndem Schlüssel – Lieder nach Gedichten von Paul Celan“ (VMS 2043), die Sonate für Viola solo (VMS 2043) und vor allem die Porträt-LP aus dem Jahr 1986 mit den Werken „Ritratti“, „Kontrapunkte 77“ „Herz stirb oder singe“ und „Cinque Impressione“. Auf einer Porträt-LP bei Wergo (WER 70001) finden sich die Werke „Divertimento – Drei Fantasien für Cembalo und Schlagzeug“, „Heptameron – Sieben Stücke für Klavier“, „Quintetto sereno – Musik für 5 Bläser“, sowie „Romeo und Julia“, Visionen für Orchester. Diese Einspielungen dürften in der Regel nur noch antiquarisch erhältlich sein.
Des Weiteren sei auf drei CDs hingewiesen, die ausschließlich dem Schaffen Baurs gewidmet sind. 1998 hat der Pianist Oliver Drechsel das Klavierwerk Baurs in sehr engagierter und dem Wesen der Musik nachspürender Form eingespielt. Es ist bei Telos (TLS 024) aufgelegt. Dem Liedschaffen mit den Gruppen „Im Waldesschatten“, „Vom tiefinneren Sang“, „Mit wechselndem Schlüssel“, „Senza Speranza“, und „Nachklang“ sowie weiteren Einzelliedern hat sich der Verlag Dohr gewidmet. Der Bariton Matthias Güdelhöfer und wiederum Oliver Drechsel am Klavier gestalten nachdrücklich den angespannt expressiven Gestus sowie die lyrischen Innenwendungen des Liedschaffens von Jürg Baur. Aufnahmedatum war 2001 (Dohr, DCD 008). Und schließlich gibt es eine sehr ansprechende, bei Thorofon 1995 aufgelegte CD mit wichtigen Orchesterwerken Jürg Baurs. Hier finden sich die „Sinfonischen Metamorphosen über Gesualdo“ aus dem Jahr 1981, „Romeo und Julia“ von 1962/63, „Musik mit Robert Schumann“ (1972) und das „Concerto Romano“ für Oboe und Orchester von 1960/61. Diese CD veranschaulicht vielleicht, auch wegen durchweg exzellenter Interpretationen, am nachdrücklichsten die Spannweite des schöpferischen Ansatzes von Jürg Baur (CTH 2270). Von dieser Stelle nachträglich alles Gute zum 90. Geburtstag. [Reinhard Schulz]
Würzburg-Krimi mit Fortsetzung
Debatte um Würzburgs Generalmusikdirektor Jin Wang hält an
Von der Beurlaubung zur fristlosen Kündigung: Würzburgs Generalmusikdirektor Jin Wang soll nun endgültig und sofort gehen. Zunächst hatten sich die Orchestermusiker in einer geheimen Abstimmung mehrheitlich gegen ihren Chefdirigenten entschieden. Dazu kam der öffentlich gemachte Vorwurf der „angeblich sexuell motivierten Nötigung“ einer Studentin, die an einem gemeinsamen Projekt von Musikhochschule Würzburg und Theater teilgenommen hatte. Dies führte dann zunächst zur Beurlaubung bei vollen Bezügen samt Hausverbot, schließlich – nachdem Wang sich an die Öffentlichkeit wandte – zum sofortigen Rauswurf.
Jin Wang allerdings bestreitet den Vorwurf der sexuellen Belästigung – und von der angeblich Betroffenen liegen offenbar weder eine Klage noch eine öffentliche Bestätigung der Vorwürfe vor. Wang hat sich – nach eigener Aussage – mit einer Zahlung von 5.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung einverstanden erklärt, die zur vorläufigen Einstellung des staatsanwaltlichen Verfahrens gegen ihn geführt hat: nicht als Schuldeingeständnis sei diese Zahlung gedacht gewesen, er habe lediglich die Privatsphäre der Frau schützen wollen. Vorwürfe Wangs ebenso wie des Fördervereins der Würzburger Philharmonie richten sich nun gegen den Vertreter des „Arbeitgebers“, den Würzburger Kulturreferenten Muchtar Al Ghusain. Dieser wiederum spricht von einem „zerrütteten Verhältnis“ zwischen dem Orchester und seinem Dirigenten. Jin Wang hat inzwischen angekündigt, vors Bühnenschiedsgericht in München zu ziehen. Seine Anwälte erklärten, es gebe keinen Anhaltspunkt für einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Zuvor hatten sie Vorwürfe gegen Würzburgs Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD) erhoben und „schwere Verfahrensfehler“ moniert. Die Gerüchteküche kocht weiter.
Mag die GEMA keine Frauen?
Niederlage beim Landesarbeitsgericht Berlin
Als erstes deutsches Unternehmen wurde die GEMA wegen Diskriminierung einer Mitarbeiterin verurteilt. Silke Kühne, Leiterin der Personalabteilung in Berlin, hatte geklagt, weil die GEMA sie bei einer Beförderung zugunsten eines männlichen Kollegen übergangen und sie über einen Zeitraum von sechs Jahren weniger verdient habe als Männer in gleicher Position. Die Güte der Personalpolitik gilt als wichtiges Kriterium für die Qualität eines Betriebes. Dass diese Kennung vom GEMA-Vorstand wohl eher als unwichtig eingeschätzt wird, bewies die Hekersche Hire-and-fire-Beschäftigungs-Strategie gerade auf Führungsebene in den vergangenen Jahren - ohne dass dahinter sonderlich aufschlussreiche Kompetenz-Merkmale für die jeweilige Personalentscheidung erkennbar gewesen wären.
Ein Killer-Argument für die Besetzung von Direktoren-Posten wurde jetzt aufgedeckt, und das sogar gerichtsmäßig: Die Wahrscheinlichkeit, als Frau bei der GEMA in eine Spitzenposition aufzurücken, beträgt gefühlte ein Prozent. Im Rahmen eines Arbeitsgerichts-Prozesses errechnete ein Wissenschafts-Mathematiker als Gutachter eine 99-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür, dass es kein Zufall sei, wenn bei der GEMA Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden. Dafür spricht auch die reale Situation: Zwar arbeiten 65 Prozent Frauen bei unserer geschätzten Verwertungsgesellschaft. In den letzten 30 Jahren hat es aber nur eine einzige geschafft, sich einen der 27 Chefsessel zu erobern.
Die GEMA verliert also den Arbeitsgerichtsprozess, ein hübsches Sümmchen auf Dauer (die Klägerin erhält Schadensersatz fünfstellig und ein deutlich höheres Gehalt) sowie weitere Teile ihres aufwändig gepäppelten Images und ihrer Glaubwürdigkeit. Man darf sie künftig laut als ziemlich frauenfeindlich einschätzen. Was sagen dazu eigentlich die Komponistinnen, die Autorinnen und die Verlegerinnen? Mittels einiger Rechenkunststücke hat die GEMA ihre Frauenquote im Rahmen einer Pressemitteilung mittlerweile schön gerechnet: Nur – wo sind die Direktorinnen? Zum Gegenstand – der Minderbezahlung ihrer Mitarbeiterin im Verhältnis zu Männer-Salären kein Wort. Immerhin: Anwälte bleiben beschäftigt, die GEMA hat Berufung angekündigt. [thg]
Neuer Dirigent fürs vielstimmige Concerto Bavarese
Der ehemalige Kunstminister Thomas Goppel wird Präsident des Bayerischen Musikrates
Das Concerto Bavarese hat ein überraschendes Finale hingelegt: Mit dem ehemaligen bayerischen Kunstminister Thomas Goppel (Foto: Hufner) ist derjenige Politiker zum neuen Präsidenten des Bayerischen Musikrates gewählt worden, dem die Verbandsvertreter bisher im Ministerium gegenüber saßen. Goppel folgt damit dem Komponisten Wilfried Hiller nach, der das Amt drei Jahre lang inne hatte. Als eines seiner wichtigsten Ziele nannte Goppel die Unterstützung der Schulmusik. Kinder aller Altersstufen müssten mit Musik konfrontiert werden, gerade auch in neu entstehenden Ganztagsschulen. Auch müsse sichergestellt werden, so Goppel weiter, „dass Pläne, die noch unter meiner Führung im Wissenschaftsministerium geboren wurden, nun auch umgesetzt werden.“ Um den Bayerischen Musikrat auch in der Öffentlichkeit mehr in das Bewusstsein zu rücken, lädt er jeden ein, sich ein eigenes Bild zu machen. Goppel: „Ich mag Kritik gern, aber qualifiziert, das macht den guten Kritiker aus.“ Einblicke in Goppels Gedankenwelt auch unter www.nmz.de/media
Rücktritte beim AfS
Wegen einer seit längerem andauernden Auseinandersetzung im Geschäftsführenden Vorstand des Arbeitskreises für Schulmusik (AfS) ist dieser am 9. November 2008 zurückgetreten. Bis zur Mitgliederversammlung am 17. Januar 2009 in der Musikhochschule Frankfurt nimmt der AfS-Vorstand seine Aufgaben weiterhin kommissarisch wahr.
Preise nach Köln
Der Pianist Philip Zoubek (Kölner Hochschulklasse Hans Lüdemann und Frank Gratkowski) hat 2008 den mit 10.000 Euro dotierten Jazz-Preis der „Horst-und-Gretl-Will-Stiftung“ in Köln erhalten. David Geis aus der Violoncello-Klasse Prof. Claus Kanngiesser durfte als Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes Siegen im Jahr 2008 den Wagner-Opern in Bayreuth beiwohnen. Die Wagner-Verbände vergeben weltweit jährlich 250 Stipendien, die zum Besuch bei den Bayreuther Festspielen einladen.