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Foto: Hildegard Ginzler
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Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht werden.

Aktiver Botschafter
Unter den Praetorius-Preisträgern, als „aktive Botschafter des Musiklandes Niedersachsen“ vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten kürzlich ausgezeichnet, befindet sich, tituliert als „Ehrenamtlich Engagierter“, auch Eberhard Schmidt, Ehrenpräsident des Landesmusikrates. Neben fast 30 Jahren Schulmusikerdienst in Iburg und Hannover, galt sein Einsatz der Förderung junger Musiktalente. So setzte er sich bei der Jeunesses Musicales Deutschland und durch seine Mitgestaltung der Wettbewerbe „Jugend musiziert“ vor allem für das kammermusikalische Ensemblespiel junger Instrumentalisten ein. Viele Jahre war er Leiter des Hannover-Chores.

Sozialistischer Realismus und Jenaer Romantik
Zum Tode des Komponisten Tilo Medek · Von Volker Tarnow
Er besaß die seltene Gabe, Menschen für sich zu gewinnen – durch seinen Charme und seinen Witz, vor allem aber durch seine Musik. Doch während ihn Ausübende wie Zuhörer liebten, verhielt sich die Kritik meistens reserviert. Der 1940 in Jena geborene und im Zuge der Biermann-Ausbürgerung 1977 in den Westen übergesiedelte Komponist folgte einer ästhetischen Tradition, die ihn gleich zweifach verdächtig machte: Er schrieb in einem harmonisch-melodischen Stil, und er bekannte sich zu jenen Einflüssen, die ihn in der DDR geprägt hatten, in erster Linie also zu Hanns Eisler, aber auch zu Dmitri Schostakowitsch, dem er noch 1975 in Moskau seine Verehrung persönlich bekunden konnte – 14 Tage vor Schostakowitschs Tod. Obwohl Medek gelegentlich große Erfolge feierte, Werke wie „Die betrunkene Sonne“ oder die Rilke-Kantate „Gethsemane“ fast Klassiker sind, errang er im Musikleben nicht die ihm gebührende Stellung. Die Verleger behandelten ihn schofelig, so dass er 1982 seinen eigenen Hausverlag „Edition Tilo Medek“ gründete. Nur mutige Solisten – Saschko Gawrilow etwa, Gerhard Oppitz, Siegfried Palm – bekannten sich zu ihm; in der Regel zog man es vor, sich nicht mit dem westdeutschen Establishment anzulegen.
Tilo Medek verkörperte auch biografisch einen deutschen Sonderfall. Als Außenseiter schien er dazu geboren, überall anzuecken. Er begegnete 1962 Hanns Eisler, konnte aber nicht mehr Schüler des kaltgestellten, innerlich mit dem SED-Regime überworfenen Altmeisters werden (1998 erwies er ihm eine späte Referenz, indem er Eislers 3. Symphonie vollendete und vom Gewandhausorchester Leipzig aufführen ließ). Medek wurde Mitte der 60er-Jahre Meisterschüler von Rudolf Wagner-Régeny, machte durch Werke und Preise auf sich aufmerksam, geriet aber schon bald mit der Staatsmacht in Konflikt. Seine Vertonung von Celans „Todesfuge“ galt als unschicklich, noch weniger verzieh man ihm, dass er ausgerechnet zum Prager Frühling 1968 mit Lenins „Dekret über den Frieden“ hervorgetreten war. Dennoch schmückte sich die DDR mit ihm und ließ ihn sogar an den West-Berliner Festwochen teilnehmen.
Nach der Übersiedlung zog es Tilo Medek und seine Frau Dorothea, die ihm viele Libretti lieferte, an den Rhein. Zuletzt bewohnte er eine Villa bei Remagen mit stolzem Blick über den Strom. Dieses Schwärmertum kontrastierte eine höchst kritische Einstellung gegenüber der kapitalistischen Welt. Er lernte Heinrich Böll kennen, schrieb mit dessen Segen die Oper „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Der Kontrast von Sentiment und Schärfe kennzeichnet auch Medeks Stil. Er gibt sich holzschnittartig-schroff, verströmt sich aber genauso gern in einer Zärtlichkeit, wie sie kein zweiter deutscher Komponist nach 1945 zu formulieren wagte. Sozialistischer Realismus plus Jenaer Romantik – er sah keinen Grund, seine Wurzeln zu verleugnen.
Tilo Medek starb am 3. Februar 2006 in Duderstadt an einer zu spät erkannten Krebserkrankung. Wenige Wochen zuvor hatte er die Hoffnung geäußert, dass von ihm vielleicht drei oder vier Werke überleben würden. Kandidaten dafür sind die „Eisenblätter“ für Orchester mit Orgel, einige Chor- und Orgelstücke und nicht zuletzt einige der 14 Solokonzerte, allen voran das 1978 von Siegfried Palm in Berlin uraufgeführte, vom Publikum frenetisch gefeierte 1. Cellokonzert. Eindringlich und berührend kündet es von diesem Mann, der seinem individuellen Gesetz folgte und nicht den bleiernen Dogmen unserer Zeit.

Ein Komponist nach eigenen Regeln
Zum siebzigsten Geburtstag von Aribert Reimann

Aribert Reimann experimentierte zwar in frühen Jahren mit seriellen Schreibweisen, kam dann aber rasch zur Einsicht, dass er einen eigenen, ihm gemäßen Weg einschlagen müsse, um seinem Denken und Empfinden einen entsprechenden musikalischen Ausdruck zu verleihen. Die Einsicht in die eigene Individualität, von seinem Lehrer Boris Blacher befördert, ließ im Lauf der Jahre und Jahrzehnte ein Werk von hoher Eigenständigkeit und organischer Geschlossenheit entstehen. Die menschliche Stimme wurde für den Komponisten zum Mittelpunkt seines Schaffens. Lied und Oper beherrschen seinen Werkkatalog. Sieben Liederzyklen für Stimme und Klavier, acht mit Orchesterbegleitung und sieben Opern beweisen das. Großdimensionierten Bühnenwerken wie „Lear“ oder „Troades“ steht eine kammermusikalisch entworfene Oper wie die „Gespenstersonate“ gegenüber. Reimann hat Kafkas „Schloss“ und Yvan Golls „Melusine“ auf eindrucksvolle Weise in Opern verwandelt und damit das oft gern als antiquiert klassifizierte Genre der Literaturoper als eine bestimmte Form von Opernkomponieren legitimiert. Wer Aribert Reimann als Liedbegleiter großer Sänger und Sängerinnen erleben durfte, weiß, dass große Liedgestaltung erst aus dem ebenbürtigen Zusammenwachsen von Spieler und Sänger entsteht. Die Namensliste der Dichter, die Reimann vertonte, gleicht einem Gotha der Weltliteratur: Shakespeare und Michelangelo, die deutschen Romantiker Hölderlin, Günderrode und Eichendorff, dann auch Rilke, viele anglo-amerikanische Autoren von Keats und Shelley bis zu James Joyce, der wunderbare „Zyklus“ nach Celan – den Reimann besonders schätzte – es ist gleichsam ein großes Welttheater in Liedform, das der Komponist in fast fünfzig Jahren geschaffen hat. gr. Foto: Charlotte Oswald

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