Sylvain Cambreling geht an die Staatsoper, Nachfolger beim SWR-Sinfonieorchester: François Xavier Roth *** Herzenssache Kammermusik: Eberhard Schmidt feiert seinen 80. Geburtstag *** Schlüsselbegegnung mit Carl Orff: Werner Thomas zum Hundertsten *** Schneider-Schott-Musikpreis für Prohaska *** Erwin Lehn *** Stéphane Denève zum RSO Stuttgart *** Helmut Calgéer *** Marcus Bosch für Nürnberg nominiert *** Christian Höppner Vizepräsident des EMR
Der Dritte für Stuttgart ist gefunden
Sylvain Cambreling geht an die Staatsoper, Nachfolger beim SWR-Sinfonieorchester: François Xavier Roth
Die Entscheidung der Stuttgarter Oper, als dritten Mann im Bunde von Jossi Wieler und Sergio Morabito den Dirigenten Sylvain Cambreling an das Haus zu binden, zeigt, dass es dem neuen „Team“ ernst ist, die Stuttgarter Oper wieder zu einem Markenzeichen modernen Musiktheaters zu erheben. Nach Klaus Zeheleins Ausscheiden dümpelte die Stuttgarter Oper mehr und mehr vor sich hin. Das mehrmalige „Opernhaus des Jahres“ gehörte einer verklärten Vergangenheit an. Das soll sich jetzt wieder ändern. Wieler und Morabito haben als Stammregisseure viel zum Renommee der Stuttgarter Musikbühne beigetragen. Der Papierform nach müsste Cambreling der ideale Partner für die Musik sein. Er beherrscht moderne Partituren und deren oft vertrackte Notierungen – was er als einstiger musikalischer Dirigent des Pariser Ensemble Intercontemporain, als ständiger Betreuer des Wiener Klangforums und last not least zehn Jahre lang als Chefdirigent des Südwestrundfunk-Sinfonieorches-ters wohl hinreichend „gelernt“ hat. Cambreling dirigiert Klassisches und Romantisches ebenfalls mit hoher Kompetenz. Und dass er ein genuiner Operndirigent ist, der Messiaens „Franziskus“-Oper oder Bergs „Wozzeck“ ebenso souverän „durchleuchtet“ wie Wagners „Ring“ – das weiß man seit Cambrelings Brüsseler Tagen, denen noch große Operntaten in Frankfurt, Salzburg, bei der Ruhrtriennale oder an der Pariser Grand Opéra folgten.
Nachfolger Cambrelings beim SWR-Sinfonieorchester wird François Xavier Roth. Der 1971 geborene Franzose ist derzeit musikalischer Leiter des Orchestre Philharmonique de Liège. gr
Engagierter Netzwerker in Niedersachsen
Herzenssache Kammermusik: Eberhard Schmidt feiert seinen 80. Geburtstag
Wenn am 14. Mai in Wolfenbüttel in der erst kürzlich eröffneten Landesakademie Niedersachsens Landesjugendchor sein 30-jährigen Bestehens feiert, dann hat Eberhard Schmidt mehrfachen Grund, mitzufeiern und befeiert zu werden. Befeiert wird er zu seinem 80. Geburtstag, bedankt für all das, was der ehemalige Schulmusiker Eberhard Schmidt neben Unterricht und Chordirektion ADC, zunächst in Iburg, dann 30 Jahre lang in Hannover, für die Aufwertung der Musik in Niedersachsen zuwege gebracht hat. Aus der Kooperation der am Wettbewerb „Jugend musiziert“ beteiligten Institutionen entwickelte er als Dachorganisation den Landesmusikrat Niedersachsen, präsidierte ihn 15 Jahre und ist jetzt dessen Ehrenpräsident. Er initiierte den „Musikplan Niedersachsen“ und schuf unter dem Aspekt Kooperation ein funktionables Netzwerk und bei der Einforderung musikalischer Grundversorgung zugleich eine beneidenswerte Vertrauensbasis zur politischen Legislative und Exekutive.
Sein Feuer bezog er Mitte der Fünfziger Jahre aus der Aufbruchstimmung der jungen Jeunesses Musicales in Deutschland, musikbegeisterten und -talentierten jungen Menschen Entfaltung und Förderung zu ermöglichen, sei es in der Laien- und Popular-, sei es für zeitgenössische Musik. Das Ergebnis zeigte sich beispielsweise in den verschiedenen Landesjugendensembles, deren Gründung ihm zu verdanken sind. Vom Traum einer bundesweiten Kammermusikakademie blieb immerhin in Verbindung mit „Jugend musiziert“ die Einrichtung des Deutschen Kammermusikkurses, erst als Initiative der Musikalischen Jugend, dann in der Trägerschaft des Deutschen Musikrates. Als künstlerisch Verantwortlicher war ihm diese Ensemblearbeit 25 Jahre lang Herzenssache. „Mit großer fachlicher Kompetenz, Ideenreichtum und politischer Durchsetzungsfähigkeit“ habe er das Musikleben landes- und bundesweit entscheidend geprägt, lobte ihn Niedersachsens Kunstminister. Sein vielseitiges Ehrenamt fand Würdigung durch die Verleihung des Niedersächsischen Verdienstkreuzes, des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und des Praetorius-Musikpreises Niedersachsen. Dass die Landesmusikakademie des Landesmusikrates, für deren Einrichtung sich Eberhard Schmidt über 30 Jahre lang vehement stark gemacht hat, in seinem achtzigsten Lebensjahr doch noch eingeweiht wurde, dürfte für ihn die allergrößte Genugtuung sein. er
Innovatorische Potenz als Leitthema
Schlüsselbegegnung mit Carl Orff: Werner Thomas zum Hundertsten
Die Wort- und Klangmagie der antiken Welt haben ihn fasziniert, Werner Thomas, den ehemaligen Gymnasiallehrer aus Ludwigshafen, und ihn eingeholt in die Fänge polyästhetischer Erziehung. Haben ihn zum Grenzgänger zwischen klassischer Philologie und Musikwissenschaft werden lassen und, wie konnte es anders sein, ihm die Begegnung mit Carl Orff gebracht: „Alles was mich interessierte und meinen geistigen Horizont bestimmte, war in ihm wie in einem Kristall zusammengeschlossen: die Musik, die Sprache, das Theater, die selbstverständliche geistige Präsenz der abendländischen Überlieferung auf dem Fundament der Antike, dazu die Offenheit gegenüber den musikalischen Hochkulturen der Welt. Das Musikpädagogische war nur ein Aspekt ...“, so erläuterte Thomas in einem Interview vor 25 Jahren, wie es zu dieser lebenslangen Freundschaft mit Carl Orff kam, zum intensiven Gedankenaustausch, zu fruchtbarer Zusammenarbeit.
Bei der Bundesschulmusikwoche 1955 interpretiert Thomas erstmals die Chancen und Möglichkeiten des Orff-Schulwerk als pädagogisches Modell, beschwört deren innewohnende kreative Phantasie. Ihre „innovatorische Potenz“ ist sein Leitthema als ständiger Gastdozent im Orff-Institut des Mozarteums und bei der Orff-Schulwerk-Gesellschaft. Fortan begleitete, deutete, reflektierte er die nach und nach entstehenden Chor- und Bühnenwerke Orffs, lieferte Einführungen, ja wurde sein Biograph, und selbstverständlich wirkte er mit bei der achtbändigen Dokumentation „Carl Orff und sein Werk“. Thomas’ anderes Steckenpferd galt Franz Schubert und der Rezeption seines Schaffens. Hunderte von Publikationen, Aufsätze und Vorträge rund um Musica Poetica und Theatrum Mundi geben Aufschluss vom unermüdlich forschenden und musikschriftstellerischen Fleiß dieses unermüdlichen Denkers Werner Thomas; am 27. April durfte man ihm zu seinem 100. Geburtstag gratulieren. er
Schneider-Schott-Musikpreis für Prohaska
Die Sopranistin Anna Prohaska erhält den Schneider-Schott-Musikpreis Mainz 2010. Der Preis wird alle zwei Jahre abwechselnd an junge Interpreten und Komponisten vergeben. Er ist mit 15.000 Euro dotiert und zeichnet besondere Leistungen auf dem Gebiet der Interpretation und Schöpfung zeitgenössischer Musik aus. Anna Prohaska wurde 1983 geboren und erhielt seit ihrem vierzehnten Lebensjahr Unterricht in Klavier, Musiktheorie und Stimmbildung bei Eberhard Kloke. Noch vor dem Abitur begann sie ein Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, das sie 2009 beendete. Nach Engagements an der Komischen Oper Berlin wurde Anna Prohaska zu Beginn der Spielzeit 2006/07 Ensemblemitglied der Staatsoper Unter den Linden Berlin. 2008 debütierte sie mit den „Vier Liedern“ op. 13 von Anton Webern bei den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle. Bei den Salzburger Festspielen 2009 wurde sie in „Al gran sole carico d’amore“ von Luigi Nono mit den Wiener Philharmonikern unter Ingo Metzmacher gefeiert.
Erwin Lehn
Der Gründer und langjährige Leiter des Südfunktanzorchesters, Professor Erwin Lehn, ist am 20. März 2010 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren in Stuttgart gestorben. Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) würdigte Erwin Lehn als Musiker von Weltruhm. Seine musikalische Laufbahn begann Lehn 1945 als Pianist und Arrangeur beim Radio-Berlin-Tanzorchester. In den Jahren 1947 bis 1950 leitete er, gemeinsam mit Horst Kudritzki, das Orchester und spielte seine ersten Platten ein. Am 2. April 1951 gründete Lehn das Südfunktanzorchester in Stuttgart. In den Fünfziger und Sechziger Jahren machte er das Orchester, dessen Leiter er mehr als 40 Jahre lang bis November 1991 war, zur führenden Jazz-Big-Band neben der von Kurt Edelhagen. 2001 wurde Erwin Lehn für sein Lebenswerk mit der German Jazz Trophy ausgezeichnet.
Stéphane Denève zum RSO Stuttgart
Stéphane Denève wird mit Beginn der Saison 2011/12 neuer Chefdirigent beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. Er tritt die Nachfolge von Sir Roger Norrington an, der seit 1998 in gleicher Position das RSO Stuttgart leitet. Derzeit ist Denève in seiner fünften Saison als Musikdirektor des Royal Scottish National Orchestra tätig. Denève, der sich ein großes Repertoire klassischer und zeitgenössischer Werke angeeignet hat, pflegt eine besondere Beziehung zur Musik seiner französischen Heimat. SWR-Intendant Peter Boudgoust: „Denève gehört zu den spannendsten Vertretern der jüngeren Dirigentengeneration. (...) Mit seiner Berufung vollzieht das RSO einen viel versprechenden Generations- und Profilwechsel.“
Helmut Calgéer
Der Deutsche Musikrat trauert um sein Ehrenmitglied Helmut Calgéer, der am 17. April verstorben ist. Calgéer war Ehrenbürger der Stadt Tübingen, deren Musikschule er ab 1955 aufgebaut hatte, und Ehrenpräsident des Landesmusikrates Baden-Württemberg. An der Gründung und dem Aufbau der „Landesarbeitsgemeinschaft Musikerziehung und Musikpflege“ – der Vorgängerorganisation des Landesmusikrates Baden-Württemberg – war er maßgeblich beteiligt. Dazu der Präsident des Deutschen Musikrates, Martin Maria Krüger: „Für Helmut Calgéer waren Musik und Musikalische Bildung Basis einer stabilen und humanen Gesellschaft. Aus einer tiefen Verwurzelung in seiner Heimat Tübingen und Baden-Württemberg heraus hat er jahrzehntelang gleichermaßen engagiert wie erfolgreich wertvolle Impulse für den Bundeswettbewerb ‚Jugend musiziert’ und das Laienmusizieren, vor allem für den weltweiten Austausch von Musik, gegeben.“
Marcus Bosch für Nürnberg nominiert
Der Stiftungsrat des Staatstheaters Nürnberg hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, mit dem derzeitigen Aachener Generalmusikdirektor Marcus Bosch in Verhandlungen zu treten. Der 40-jährige Bosch soll zur Spielzeit 2011/12 die Nachfolge des derzeitigen Nürnberger GMDs Chris-toph Prick antreten. Boschs Vertrag in Aachen läuft bis Mitte 2017, mit einer Ausstiegsoption zum 1. August 2014. Sein Amt in Aachen hatte er 2002 angetreten und das dortige Sinfonieorchester auf ein beachtliches, auf zahlreichen CD-Einspielungen dokumentiertes Niveau gebracht. Auch für die zeitgenössische Musik hat Marcus Bosch sich engagiert, bei der Münchener Biennale dirigierte er Ende April die Uraufführung von Philipp Maintz‘ Musiktheaterwerk „Maldoror“, einer Koproduktion mit den Theatern Aachen und Basel.
Christian Höppner Vizepräsident des EMR
Die Mitgliederversammlung des Europäischen Musikrates hat bei ihrer Jahresversammlung in Wien Mitte April einen neuen Vorstand gewählt. Präsident ist Timo Klemettinen (Finnland), Vizepräsident Christian Höppner und zum Schatzmeister wurde Stef Coninx (Belgien) gewählt. Dazu der Präsident des Deutschen Musikrates, Martin Maria Krüger: „Das zivilgesellschaftliche Engagement ist für die Rahmenbedingungen des Musiklebens im zusammenwachsenden Europa von immer größerer Bedeutung. Ich freue mich daher sehr, dass der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, mit einem hervorragenden Wahlergebnis wiederum zum Vizepräsidenten des Europäischen Musikrates gewählt wurde.“