Beruf: Provokateur: Zum Tod des Regisseurs und Aktionskünstlers Christoph Schlingensief – Auch zu spät ist nicht zu spät: Salzburger Musikpreis für Friedrich Cerha und Elena Mendoza – Leonid Brumberg – Abbey Lincoln – Hoffnungsträger: David Afkham erhielt Salzburger Dirigentenpreis
Beruf: Provokateur
Zum Tod des Regisseurs und Aktionskünstlers Christoph Schlingensief
Der Film-, Theater- und Opernregisseur Christoph Schlingensief war ein Liebhaber der Provokation, des Skandals und wurde als solcher von den Medien wiederum geliebt. Das zeigt sich auch nach seinem Tod, über den in allen Feuilletons, in der Tagesschau und überhaupt überall ausführlich geschrieben und gesprochen wurde. Dass er meist das Gegenteil von dem tat, was man von ihm erwartete, wurde zu seinem Markenzeichen. In diesem Sinne geriet er spätestens seit seiner Bayreuther „Parsifal“-Inszenierung zum Teil des künstlerischen Establishments: Der Name Schlingensief im Programmheft garantierte Publikums-Run wie ausgiebige Berichterstattung in den Medien. Ob es das war, wovon der junge, im Abseits des Kunstbetriebs sich bewegende Regisseur und Aktionskünstler Schlingensief geträumt hatte? Die Neugier auf Schlingensiefs Alterswerk jedenfalls, die in einigen Kommentaren zu seinem Tod aufscheint, kann nun nicht mehr befriedigt werden. Ein Hauch von Alterswerk steckt vielleicht in seiner Idee, in Burkina Faso ein Operndorf zu bauen, das eben nicht nur ein Opernhaus, sondern auch eine pädagogische wie soziale Infrastruktur einschließt. Das war eine kühne Idee, die erkennbar ehrlich die unbekannten Künste der Gastgeber wahrnehmen und zusammen mit deutschen Qualitäten daraus etwas Neues machen wollte.
Zu wünschen wäre es Christoph Schlingensief (und nicht nur ihm), dass all die Feuilletonisten, Intendanten, Politiker und Künstler, die in den vergangenen Tagen seinen Tod so medienwirksam beweinten, sich ernsthaft für die Fortsetzung des afrikanischen Opernprojektes engagierten. Das wäre dann ein ehrliches Bekenntnis zu Christoph Schlingensief als Ideen-Ausbrüter, als exzentrischem Künstler und als faszinierendem Menschen.
Christoph Schlingensief erlag am 21. August seinem Krebsleiden, mit dem er sich in den letzten Jahren auch künstlerisch auseinandergesetzt hatte, etwa mit seinen letzten Inszenierungen „Mea Culpa“, „Kirche der Angst“ oder „Sterben lernen“.
Auch zu spät ist nicht zu spät
Salzburger Musikpreis für Friedrich Cerha und Elena Mendoza
Der österreichische Komponist Friedrich Cerha erhält den mit 80.000 Euro dotierten Salzburger Musikpreis 2011. Der Preisträger bekommt davon allerdings nur 60.000 Euro, die anderen 20.000 Euro sind für einen Nachwuchskomponisten reserviert, für 2011 wurde von der Jury die spanische, in Berlin lebende Komponistin Elena Mendoza auserwählt. Unser Bild zeigt beide Preisträger bei der Bekanntgabe in Salzburg. (Foto: Charlotte Oswald). In seiner kurzen Dankesrede meinte Cerha leicht ironisch, dass der Preis vielleicht etwas zu spät komme. Aber man kann ihn trösten: schließlich existiert der Preis erst seit zwei Jahren – zuvor hatten ihn Salvatore Sciarrino und Klaus Huber erhalten. Auch zu spät ist nicht zu spät. Die Auszeichnung wird Cerha und Elena Mendoza 2011 im Rahmen der nächsten Salzburger Biennale überreicht. gr
Leonid Brumberg
Leonid Brumberg wurde in Rostow am Don geboren und studierte am Moskauer Konservatorium Klavier bei Heinrich Neuhaus, Instrumentation bei Dmitri Schostakowitsch und Komposition bei Nikolaj Mjaskowski. Als Assistent von Neuhaus, dem Pädagogen und Ziehvater von Swjatoslaw Richter und Emil Gilels, setzte Brumberg die Moskauer Klaviertradition an der Gnessin-Akademie in Moskau fort, der er später als ordentlicher Professor angehörte. Im Laufe der Zeit wuchs sein Repertoire auf über 30 Klavierkonzerte und 100 Soloprogramme an, darunter die 32 Klaviersonaten von Beethoven und das Gesamtwerk Chopins.
Seit 1982 war Brumberg Professor am Konservatorium der Stadt Wien. Leonid Brumberg gehörte seit langem zu den Stammkünstlern des Rheingau Musik Festivals. Der Musiker starb nach Angaben seiner Familie am 20. August im Alter von 85 Jahren in Wien.
Abbey Lincoln
Abbey Lincoln war Glamour Queen, schöne singende Ikone des Hollywood-Films, engagiertes Mitglied der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Ehefrau und Muse des Schlagzeugers Max Roach, Schauspielerin und Golden Globe Nominierte. Nach einer Phase der Zurückgezogenheit, in der sie „nur“ als Schauspiellehrerin gearbeitet hatte, kehrte sie 1980, im Alter von 50 Jahren, auf die Bühne zurück – und wurde eine der richtungsweisenden Jazzsängerinnen unserer Tage. Ihre Faszination bezog Lincoln nach eigenen Worten aus dem Rat des Pianisten Thelonious Monk, der ihr während der Aufnahme des Albums „Straight Ahead“ zugeflüstert haben soll: „Sei nicht so perfekt.“ Lincoln arbeitete auch mit Jazzmusikern wie Sonny Rollins, Eric Dolphy, Mal Waldron, Coleman Hawkins, Jackie McLean, Clark Terry, Miles Davis und Stan Getz.
Am 14. August ist Abbey Lincoln im Alter von 80 Jahren gestorben.
Hoffnungsträger
David Afkham erhielt Salzburger Dirigentenpreis
Die Salzburger Festspiele werden nicht müde, bei der musikalischen Jugend nach neuen Talenten Ausschau zu halten, die demnächst den eigenen Darbietungen jenen Glanz verleihen könnten, den es für ihr Festspiel braucht. Nach dem Nachwuchspreis für junge Theatermacher und deren Produktionen sowie dem Preis für junge Sänger gibt es jetzt auch einen für Dirigenten, den „Young Conductors Award“, gemeinsam gestiftet und finanziert von den Festspielen und dem Nestlé-Konzern als Sponsor. Erster Preisträger der mit 15.000 Euro dotierten Auszeichnung ist der 1983 in Freiburg geborene David Afkham, der bereits mit verschiedenen international bedeutenden Orchestern gearbeitet hat. In Salzburg leitete er ein Konzert des Gustav Mahler Jugendorchesters. Ligetis „Atmosphères“ und Schostakowitschs zehnte Sinfonie erhielten unter Afkhams geschmeidiger Zeichengebung klares Profil. Beethovens drittes Klavierkonzert mit dem Solisten Till Fellner blieb etwas neutral im Ausdruck. Eine Begabung, die größere Hoffnungen weckt, ist David Afkham auf jeden Fall. gr