Zum Tod des Musikpädagogen, Organisten, Chorleiters und Begabungsforschers Hans Günther Bastian +++ Lera Auerbach in Dresden +++ Julia Fischer wechselt an die Musikhochschule München +++ Zum Tod Vicco von Bülows +++ Zum Tod von Vladimir Krainev +++ Mangelsdorff-Preis für Peter Brötzmann +++ Preis für Alexander Schimpf
Musikpädagogik mit bildungspolitischer Perspektive
Zum Tod des Musikpädagogen, Organisten, Chorleiters und Begabungsforschers Hans Günther Bastian
Der namhafte Musikpädagoge Prof. Dr. Hans Günther Bastian ist am 11. Juli 2011 im Alter von 67 Jahren durch einen tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Hans Günther Bastian lehrte als Professor für Musikpädagogik seit 1980 an der Universität Bonn, bevor er 1986 an die Universität Paderborn wechselte. Als Lehrstuhlinhaber in Paderborn vertrat er die Schwerpunkte Empirische Musikpädagogik und Musikpädagogische Psychologie. Im Jahr 1998 folgte er einem Ruf an die Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er bis zu seiner Emeritierung 2005 den Lehrstuhl für Musikpädagogik innehatte.
Bastian war ein äußerst vielseitiger Musikpädagoge, der es wie kein anderer geschafft hat, die Musikpädagogik in den Blickpunkt von Bildungspolitik und Medien zu rücken. Berühmt geworden ist die „Bastian-Studie“, in der er die Wirkungen von Musikunterricht auf Intelligenz und Sozialverhalten untersucht hat. Diese Studie hat ein enormes Medienecho hervorgerufen und dafür gesorgt, dass die Notwendigkeit von Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen in der Öffentlichkeit so viel diskutiert wurde wie kaum zuvor.
In seiner Paderborner Zeit gründete Bastian 1992 das heutige Institut für Begabungsforschung in der Musik, das er bis 1998 als Gründungsdirektor geleitet hat. Schon früh hat Bastian die Bedeutung der Begabungsforschung in der Musik erkannt und bahnbrechende Studien durchgeführt. So hat er in den 1980er Jahren Preisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ in Hinblick auf ihre Persönlichkeit, Motivationen, Lebenssituation und Zukunftsperspektiven untersucht. Zwanzig Jahre später hat er die hochbegabten Jugendlichen von damals wieder getroffen und nachgefragt, was beruflich aus ihnen geworden ist. Diese Langzeitstudie über musikalisch Hochbegabte ist international einzigartig. Sie wurde 2010 als sein letztes Buch (zusammen mit Martin Koch) unter dem Titel „Vom Karrieretraum zur Traumkarriere?“ veröffentlicht.
Hans Günther Bastian hat aber nicht nur der Forschung wegweisende Impulse gegeben, sondern war auch Zeit seines Lebens selbst als Organist und Chorleiter musikalisch aktiv. Seine musikalische Fachkenntnis und künstlerische Kompetenz war in zahlreichen Tätigkeiten als Jury-Mitglied bei Wettbewerben oder in Kursen bei Chorleitertagungen gefragt. Zusammen mit seinem Paderborner Kollegen Prof. Dr. Wilfried Fischer hat er 2007 das Handbuch der Chorleitung veröffentlicht.
Die wissenschaftlichen, musikpädagogischen und bildungspolitischen Verdienste von Hans Günther Bastian sind mit verschiedenen Ehrungen und Auszeichnungen gewürdigt worden. Mit ihm verliert die Musikpädagogik ihre wohl bekannteste Persönlichkeit. Seine Ideen und Impulse leben weiter in der Musikpädagogik, in den Personen, in den Institutionen, für die er prägend war, und nicht zuletzt in der Arbeit des Instituts für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) der Universität Paderborn.
· Heiner Gembris
Capell-Compositrice
Lera Auerbach in Dresden
Mit den „Dialogen mit Stabat Mater“ stellt die Sächsische Staatskapelle Dresden bereits im ersten Konzert der neuen Spielzeit ihre aktuelle Capell-Compositrice Lera Auerbach vor. Das Werk, welches seine Dresdner Erstaufführung erlebt, erklingt zu Beginn des ersten Aufführungsabends und wird der ersten Symphonie von Ludwig van Beethoven gegenübergestellt. Die „Dialoge mit Stabat Mater“ entstanden im Jahr 2005 als Co-Auftrag des Musikfest Bremen und des Lucerne Festival. Sie wurden am 13. September 2005 im niedersächsischen Verden mit Gidon Kremer (Violine), einem der wichtigsten Interpreten von Auerbachs Werken, Ula Ulijona (Viola) und der Kremerata Baltica uraufgeführt. Auerbach tritt in diesem Werk in einen „Dialog“ mit Giovanni Battista Pergolesis berühmtem „Stabat Mater“, das als eine der bedeutendsten Vertonungen der Marienklage gilt. Am Pult der Staatskapelle debütiert der junge usbekische Dirigent Aziz Shokhakimov.
Die Staatskapelle hat für die weitere Saison drei Kompositionsaufträge an Lera Auerbach vergeben: ein Streichquartett (UA am 15. September 2011 im 1. Kammerabend), ein „Dresden Requiem“ (UA am 11.2.2012 in der Dresdner Frauenkirche, Co-Auftrag mit der Stiftung Frauenkirche) sowie ein weiteres Orchesterwerk (UA am 1. Juli 2012 im 12. Symphoniekonzert).
In die musikalische Heimat
Julia Fischer wechselt an die Musikhochschule München
Julia Fischer geht als Violinprofessorin nach München. Wie die Hochschule für Musik und Theater mitteilte, wird die Weltklassegeigerin dort zum 1. Oktober 2011 auf eine Professur berufen. Julia Fischer werde, so die Hochschule weiter, im Umfang einer halben Stelle unterrichten, um ihrer weltweiten Konzerttätigkeit nachgehen zu können. Sie kehrt damit an die Hochschule zurück, an der sie von Ana Chumachenko unterrichtet wurde. Die renommierte Lehrerin hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl herausragender Geigerinnen und Geiger ausgebildet.
Neben ihren umfangreichen Konzertverpflichtungen wolle Julia Fischer (Foto: DECCA/Uwe Arens) ihre Erfahrungen an junge Musiker ihrer eigenen Generation weitergeben. Die Hochschule schätze sich glücklich, Julia Fischer mit dieser Exzellenzberufung in ihre „musikalische Heimat“ zurückgeholt zu haben, heißt es in der Pressemitteilung der Hochschule.
Mit Nils Mönkemeyer (Viola), Andrea Lieberknecht (Flöte), Dag Jensen (Fagott), Kristin von der Goltz (Barockcello) und Maurice van Lieshout (Blockflöte) werden ab dem Wintersemester 2011/12 weitere namhafte Solisten als Professoren an der Hochschule für Musik und Theater München tätig sein.
Der Pirol ist verstummt
Zum Tod Vicco von Bülows
Kaum ein Wort fällt bei der Charakterisierung von Loriots Humor häufiger: Timing. In seinen gefürchteten Proben, bei denen nicht gelacht wurde, ging es vor allem darum, die Texte so mit Betonungen, Beschleunigungen und Pausen zu durchsetzen, dass sie ihre volle Wirkung entfalten konnten, mit anderen Worten: sie zu phrasieren. Insofern verwundert es nicht, dass die Musik im Schaffen Vicco von Bülows eine solch zentrale Rolle spielte. Viele seiner berühmtesten Sketche haben mit Musik zu tun (der Kunstpfeifer, das Jodeldiplom, der Klaviertransporteur als Dirigent der Berliner Philharmoniker…), nach seinem Rückzug vom Fernsehen trat er mehrfach als Moderator und Erzähler in Konzerten auf. Seine Version des „Karnevals der Tiere“ entwickelte sich ebenso zum Klassiker wie sein kluges Kondensat des „Rings des Nibelungen“, seine Zwischentexte zu Bernsteins „Candide“ machten eine Inszenierung überflüssig. Zwei Opernregiearbeiten („Martha“ in Stuttgart, „Freischütz“ in Ludwigsburg) fielen dann vergleichsweise milde aus, köstliche Details wie das Tristan-Zitat und der stumme Auftritt Richard Wagners gingen allerdings in die Rezeptionsgeschichte von Flotows Oper ein. Am 22. August ist Vicco von Bülow alias Loriot in Ammerland am Starnberger See im Alter von 87 Jahren gestorben. Die im vergangenen Jahr erschienene DVD-Box „Loriot und die Musik“ (nmz 2/2011) enthält sein musikalisches Vermächtnis. In seinem letzten Interview antwortete er auf die Frage, was auf seinem Grabstein stehen solle: „Zweckmäßig wäre es, wenn mein Name draufstünde.“ · jmk
Aus der Russischen Klavierschule
Zum Tod von Vladimir Krainev
Der russische Pianist Vladimir Krainev starb im Alter von 67 Jahren in Hannover an einem Lungenleiden. Er hatte sich schon seit längerem ganz aufs Unterrichten beschränkt: seit 1992 in Hannover, seit 1994 als Professor an der dortigen Hochschule für Musik, Theater und Medien. Begonnen hat Krainev als musikalisches Wunderkind im ukrainischen Charkow, bevor er an der legendären Zentralen Musikschule des Moskauer Tschaikowsky-Konservatoriums aufgenommen wurde. Als Student kam er in die Klasse von Heinrich Neuhaus, einer der größten Klavierlegenden des 20. Jahrhunderts und Mitbegründer der Russischen Klavierschule. Neuhaus unterrichtete ab 1914 in Elisabethgrad, dann in Tiflis, von 1922 bis zu seinem Tod 1964 in Moskau, von 1935 bis 1937 als Leiter des Konservatoriums. Vladimir Krainev gehörte zu seinen letzten Schülern, zu denen eine Reihe von Weltstars zählen wie etwa Svjatoslaw Richter, Emil Gilels und Lew Naumow. Er absolvierte Tourneen mit Orchesterkonzerten, arbeitete mit Dirigenten wie Vladmir Ashkenazy, Pierre Boulez, Carlo Maria Giulini oder Bernard Haitink zusammen. Zu seinen Kammermusikpartnern zählten Natalia Gutman, Liane Issakadze, Gidon Kremer, Heinrich Schiff, Dmitrij Sitkovetsky, Borodin-Quartett und Jewgenij Nesterenko. Vladimir Krainev war Gründer des Internationalen Wettbewerbs für junge Pianisten in Charkow (Ukraine) und Juror großer Wettbewerbe. Er unterrichtete insgesamt 19 Jahre lang internationale Pianistinnen und Pianisten, darunter über 120 Preisträger bedeutender internationaler Wettbewerbe wie dem Rubinstein- oder dem ARD-Wettbewerb.
Mangelsdorff-Preis für Peter Brötzmann
Die von der GEMA-Stiftung sowie durch den Förderungs- und Hilfsfonds des Deutschen Komponistenverbandes ausgestattete höchste deutsche Jazzehrung wird von der Union Deutscher Jazzmusiker e.V. (UDJ) im Rahmen eines Konzertes in der Akademie der Künste Berlin, am Sonntag, den 18. September um 20 Uhr verliehen.
Peter Brötzmann, der an diesem Abend mit seinem Trio FULL BLAST mit Marino Pliakas, Bass, und Michael Wertmüller, Schlagzeug, auftritt, wird den Preis, der mit 15.000 Euro
dotiert ist, aus den Händen von Prof. Manfred Schoof, Präsident der UDJ und Stellvertretendes GEMA-Aufsichtsratsmitglied sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes und Jürgen Brandhorst, Geschäftsführer der Gema-Stiftung entgegennehmen. Die Laudatio wird Markus Müller halten.
Peter Brötzmann wird damit für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Brötzmann und Schoof sind Gründungsmitglieder der UDJ und seit vielen Jahren der GEMA aktiv verbunden.
Zwei Chefs fürs Bundesjazzorchester
Jiggs Whigham und Niels Klein bilden die neue künstlerische Leitung des Bundesjazzorchesters. Dies hat die Projektgesellschaft des Deutschen Musikrates nach intensiven Beratungen im zuständigen Jazzbeirat und mit Zustimmung des Aufsichtsrates entschieden.
Das Konzert des BuJazzO zum Abschluss des Klavier-Festival Ruhr am 22. Juli in der Essener Philharmonie unter der Leitung von Jiggs Whigham gab den Auftakt für das künftige Engagement der künstlerischen Leiter und war gleichzeitig der Startschuss für eine zweieinhalbwöchige USA-Reise des Orchesters.
Auf Whigham (Jahrgang 1943) fiel die Wahl insbesondere aufgrund seiner vielseitigen Bigbanderfahrungen, die bereits mit 17 Jahren im Glenn Miller Orchestra begannen. Whigham hat in zahlreichen epochemachenden Jazzorchestern mitgewirkt. Niels Klein (Jahrgang 1978) – selbst ein erfolgreicher Absolvent des BuJazzO – war bereits Leiter des European Jazz Orchestra der EBU, der European Broadcasting Union.
Preis für Alexander Schimpf
Den Cleveland International Piano Competition gewann der Würzburger Pianist Alexander Schimpf (29) und damit das Preisgeld in Höhe von 50.000 US-Dollar sowie für die nächsten zwei Jahre 50 garantierte Konzerte. Sein Studium hat er in Dresden bei Winfried Apel und Würzburg bei Bernd Glemser absolviert, war Preisträger und Stipendiat u.a. des Deutschen Musikrats, der Deutschen Stiftung Musikleben und der Villa Musica Rheinland-Pfalz. Der Russe Alexey Chernov erhielt für den 2. Platz 25.000 US-Dollar, der Amerikaner Eric Zuber 15.000 und die aus Korea kommende Kyu Yeon 10.000 Dollar.
„Pro Merito“ für López-Ilbor und Widmer
Die Auszeichnung „Pro Merito“ der Carl-Orff-Stiftung für langjährige grundlegende Arbeit im Sinne des Orff-Schulwerks empfingen aus der Hand von Liselotte Orff beim diesjährigen Orff-Schulwerk-Symposion in Salzburg Sofia López-Ilbor, Präsidentin der spanischen Orff-Schulwerk-Gesellschaft und Autorin bedeutsamer pädagogischer Werke, und die vielseitig und vielerorts als Pädagogin und Autorin für Musik- und Bewegungserziehung tätige Manuela Widmer, jetzt Hochschullehrerin für Didaktik und pädagogische Psychologie in Salzburg.