Der Komponist Friedrich Cerha empfängt in München den Ernst von Siemens Musikpreis +++ Zum Tod des Klavierpädagogen Karl-Heinz Kämmerling +++ Multimedial bewegt: Nachruf auf den Komponisten Dieter Schönbach +++ Vergabe der Münchner Stipendien für Musik +++ Peter Stieber wird Präsident in Mainz +++ Matinee für Rolf Hempel +++ Arbeitskreis Musik in der Jugend: Vorstand fast vollständig neu besetzt
Die Stille in die Welt der Klänge überführen
Der Komponist Friedrich Cerha empfängt in München den Ernst von Siemens Musikpreis
Es ist ein festliches Ereignis ohne lautes Brimborium: die alljährliche Übergabe des Ernst von Siemens Musikpreises an den gekürten Preisträger im Münchner Cuvilliés-Theater. Diesmal hatte der österreichische Komponist und Dirigent Friedrich Cerha die begehrte Auszeichnung erhalten – siehe das Porträt in der neuen musikzeitung Nr. 2/2012. Mit ihm erhielten auch die drei vom Kuratorium ausgewählten jungen Komponisten die Förderpreise in Höhe von jeweils 35.000 Euro: der Engländer Luke Bed-ford, der Deutsche Ulrich Alexander Kreppein und die türkische Komponistin Zeynep Gedizlioglu. Als Neuerung konnten sie sich in diesem Jahr mit einem kurzen, informativen Film vorstellen anstatt wie bisher in einem meist etwas mühevollen „Frage und Antwort“-Spiel. Neu ist auch eine CD-Reihe der Ernst von Siemens-Musikstiftung, in der sich die Komponisten-Förderpreisträger vorstellen. Zunächst sind auf sechs CDs die sechs Komponisten der letzten zwei Jahre erschienen, neben den diesjährigen noch Steven Daverson, Héctor Parra und Hans Thomalla. In unserer September-Ausgabe der nmz wird die Reihe ausführlich vorgestellt – die aktuellen Beiträge von Kreppein, Bedford und Gedizlioglu wurden im Festakt vom Ensemble Modern unter Oswald Salla-berger mit der von diesen Musikern bekannten hohen Kompetenz präsentiert. Höhepunkt ist natürlich immer wieder die Ehrung des Hauptpreisträgers. Die Laudatio auf Friedrich Cerha war dem Schweizer Musikkritiker Peter Hagmann von der Neuen Zürcher Zeitung anvertraut worden. Hagmann, kein Freund von tremolierendem Pathos, beschrieb Cerhas Lebensweg mit eindringlicher Anschaulichkeit. Die frühen Jahre mit Krieg, Wehrmacht, Flucht nach Dänemark, Desertion und schließlich in die Stille der Tiroler Alpenwelt haben den Komponisten entscheidend geprägt. Vieles in seinem Werken mag durch die Erlebnisse der frühen Jugend mitbestimmt worden sein. Cerhas Komponieren wurde von Hagmann eindringlich und präzis beschrieben. Stille, die als klingende Erfahrung in Musik überführt wird, Expression statt steriler Konstruktion – das sind einige Merkmale von Cerhas Arbeiten. Man möchte auch sagen: Cerha hat nicht aus dem Blick verloren, dass Musik auch etwas mit Transzendenz zu tun hat. Dass große Kunst immer auch eine Utopie enthält. Enthalten muss, damit sie ihre tiefere Wirkung zu entfalten vermag. In seiner Dankesrede hob der Komponist das emotionale Element besonders hervor, das für ein sinnstiftendes Komponieren notwendig ist und das heute leider bei vielen Komponisten zu stark verkümmert ist. Zum Schluss des Festaktes dirigierte Friedrich Cerha das Ensemble Modern bei seinem 2009 entstandenen Werk „Bruchstück, geträumt“ – auch ein raffiniertes Klang-Kunstwerk aus leisesten Tönen und einer markanten Klangsteigerung, aber zugleich ein Stück emotionaler Bewegtheit. Wunderbar. [Gerhard Rohde]
Geheimnisumwitterter Talenteschmied
Zum Tod des Klavierpädagogen Karl-Heinz Kämmerling
Aus den Klassen von Karl-Heinz Kämmerling gingen hunderte Preisträger nationaler und internationaler Klavierwettbewerbe hervor. Über zwanzig seiner Schülerinnen und Schüler bekleiden heute selbst Professuren in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als überragender Lehrer für Klavier und künstlerischer Mentor wirkte er seit dem Jahr 1963 an der hannoverschen Musikhochschule. Hier förderte und unterstützte er junge Pianistinnen und Pianisten auf ihrem Weg zur Spitze. „Ein wenig geheimnisumwittert dünkt Außenstehenden diese Meisterwerkstatt doch“, konnte man im Mai 2001 in dieser Zeitung in einem Artikel seiner Schülerin Konstanze Eickhorst zum 70. Geburtstag lesen, „aus der alljährlich Dutzende von hoch talentierten, technisch durchtrainierten, musikalisch selbstsicheren Musikern die Podien erobern. Und das, obgleich der Meister – ganz ungewöhnlich – nie selbst sich konzertierend hören ließ und lässt.“
Geboren am 6. Mai 1930 in Dessau, studierte Kämmerling in Leipzig bei Anton Rohden und Hugo Steurer. An der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover hat er die Klavierabteilung maßgeblich mit aufgebaut und im Laufe der Jahre vielfältige Aufgaben im Klavierbereich übernommen: Er war Studiengangssprecher, Leiter der Soloklasse und sechs Jahre lang Vizepräsident. Er lehrte außerdem für viele Jahre am Mozarteum Salzburg und war Gastprofessor an der Musikuniversität Zagreb, Kroatien.
Zudem leitete er Meisterkurse in Europa, Asien und in den USA und war Gründer und langjähriger Präsident der „European Piano Teachers Association“ (EPTA) Deutschland, Mitherausgeber der Zeitschrift „Üben und Musizieren“ sowie von 1979 bis 2011 künstlerischer Leiter der von ihm mitbegründeten „Internationalen Musikakademie für Solisten“ (IMAS) in Bückeburg. Er engagierte sich beim DAAD, bei der Musikerkommission der Deutschen Studienstiftung und als Mitglied des Instituts für Begabungsforschung in der Musik an der Universität Paderborn. Karl-Heinz Kämmerling ist am 14. Juni 2012 nach längerer Krankheit verstorben.
Auf der Suche nach neuen Klangwirkungen
Multimedial bewegt: Nachruf auf den Komponisten Dieter Schönbach
Dieter Schönbach bezeichnete sich als Komponist multimedialer Kunstwerke. So bezeichnete er auch seinen Verlag, in dem die meisten seiner Werke verfügbar sind: Ensemblemusik in auffallender Klangfarbenmischung, einige Orchesterstücke und Solokonzerte, und dann vor allem seine Multimedia-Stücke und Multimedia-Opern, die teilweise im Kollektiv entstanden sind.
Bei diesen greift er bevorzugt in die Mythologie, zum Beispiel bei seiner Friedensoper „Il Pomo d’Oro“; aus Dantes Comedia machte er ein Bühnenstück für Sprecher, Sprechchor, elektronische Musik, Gesänge und Projektionen (2000); aus „Nostradamus“, Apokalypse des Johannes 2005, gemeinsam mit Gert Grünert ein Multimedia-Spektakel, in dem auch Artisten, Tänzer und Video-Installationen von Nam June Paik einbezogen sind. So durchzieht sein Opus die Suche nach neuen Klangwirkungsmöglichkeiten, zielt auf Wechselwirkungen klanglicher und visueller Art und mischt Farben und Klänge. Die zeitgenössischen Künste, so prognostizierte er und so positionierte er sich, „entwickelten sich aufeinander zu, auf eine Graphisierung und Dramatisierung der Neuen Musik, eine Musikalisierung der Bildenden Kunst und des modernen Dramas“.
Der aus dem Pommerschen stammende Dieter Schönbach, Jahrgang 1931, hatte sich sein kompositorisches Rüstzeug bei Bialas und Fortner geholt, war Stipendiat in der Villa Massimo Rom, wurde Musikpreisträger der Stadt Recklinghausen und erhielt neben dem NRW-Förderpreis zweimal Preise der italienische Gesellschaft für zeitgenössische Musik. Sein Name findet sich seit den 50er Jahren kontinuierlich in Programmen fast aller Festivals, Konzert- und Sendereihen für Neue Musik. 1959 bis 1972 wirkte er als Musikdirektor am Bochumer Schauspielhaus. Danach lebte er als freischaffender Komponist in Bochum, wo er jetzt einundachtzigjährig am 28. Mai verstarb. [Eckart Rohlfs]
Vergabe der Münchner Stipendien für Musik
Die mit 6.000 Euro dotierten Stipendien für Musik der Landeshauptstadt München 2012 gehen an Judith Egger, Geoffrey Goodman und Carola Grey. Beschlossen wurde weiterhin die Vergabe von zwei Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreisen für Musik in Höhe von jeweils 3.000 Euro an Anna Korsun und an das Gitarrenduo steuber.öllinger (Johannes Öllinger und Martin Steuber).
Zusammen mit dem Klangkünstlers Michael Northam will die bildende Künstlerin Judith Egger den ursprünglichsten aller musikalischen Resonanzräume, nämlich die menschliche Mundhöhle, als Bühnenraum in fünf kleinen Miniaturperformances bespielen und interpretieren.
Der Jazz-Gitarrist Geoff Goodman spürt gemeinsam mit seinem Kollegen Ardhi Engl Migrationswegen der Klangkulturen nach und entwickelt zusammen mit ihm daraus das Projekt „Metal, Wood and Wire“.
Auch die Schlagzeugerin und Komponistin Carola Grey kommt aus dem Jazz und bewegt sich mit ihrem Projekt über die Grenzen des Genres hinaus: Südindische Klassik und zeitgenössischer Jazz sollen sich auf Augenhöhe begegnen. www.muenchen.de/musik
Peter Stieber wird Präsident in Mainz
Peter Stieber ist neuer Präsident des Landesmusikrats Rheinland-Pfalz. Der Musikmanager, der seit 16 Jahren den Konzertbereich der Schwetzinger SWR Festspiele leitet, wurde von der Mitgliederversammlung mit absoluter Mehrheit zum Nachfolger des im Februar verstorbenen langjährigen LMR-Präsidenten Christoph-Hellmut Mahling gewählt.
Peter Stieber arbeitet seit 14 Jahren als SWR2 Musikchef für Rheinland-Pfalz und hat 13 Jahre als Geschäftsführer der Schwetzinger SWR Festspiele gewirkt. Gleichzeitig ist er seit 16 Jahren künstlerischer Leiter des Konzertbereichs dieses weltweit größten Radio-Klassik-Festivals.
Matinee für Rolf Hempel
Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Tonkünstlerverbands Baden-Württemberg vom 14. bis 15. Juli in Stuttgart, veranstaltet der Verband am Sonntag, den 15. Juli um 11:00 Uhr eine Matinee zum 80. Geburtstag von Rolf Hempel, Komponist, Rektor em. der staatl. Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Ehrenpräsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes e.V.
Die Veranstaltung findet im Kammermusiksaal der Musikhochschule Stuttgart statt, der Eintritt ist frei. Auf dem Programm stehen Werke von Camille Saint-Saëns und Rolf Hempel.
Ein ausführliches Gespräch von Ulrike Albrecht mit dem Jubilar (geb. am 28. Juni 1932) über sein Leben und seine Musik finden Sie in der nmz Juni 2012 auf den Seiten 41 und 42 (DTKV).
Arbeitskreis Musik in der Jugend: Vorstand fast vollständig neu besetzt
Der Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) erlebte am Samstag, 16. Juni 2012, einen nahezu kompletten personellen Wechsel in der Vereinsführung. Fünf der sieben Vorstandsmitglieder wurden neu gewählt, allen voran der neue Vorsitzende, Dr. Karl Ermert aus Wolfenbüttel, Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel i.R. Zusammen mit Juliane Weiher, Fürth, und Alexander Burda, Stuttgart, seinen Vertretern, bildet er den geschäftsführenden Vorstand. Beide gehörten dem AMJ-Vorstand bislang als Beisitzer an. Als neue Beisitzer wurden gewählt: Bine Becker-Beck aus Willich, Markus Brünger aus Hannover, Angelika Mees aus Leipzig, die auch als Vorsitzende des AMJ-Regionalverbandes Mitteldeutschland agiert, und Prof. Dr. Franz Riemer aus Wolfenbüttel. Ergänzt wird das Gremium durch die Ehrenvorsitzende, Dr. Lore Auerbach aus Hildesheim. Mehr zum Thema auf der Seite 29, der Seite des AMJ.