Zum Tod des Dirigenten Graham Jackson, Generalmusikdirektor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach +++ Kreative Persönlichkeit: Heiner Goebbels wurde im August 2012 sechzig Jahre +++ Sol Gabetta mit Würth Preis der Jeunesses Musicales Deutschland ausgezeichnet
Aufklärung als Kulturauftrag ohne künstlerische Kompromisse – Zum Tod des Dirigenten Graham Jackson, Generalmusikdirektor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach
Er vergaß nicht, sich bei Pförtner oder Notenwart zu bedanken, und grüßte sie stets mit Namen. Von seinen Orchestermusikern sprach er nur Gutes und begegnete ihnen in einer aufrichtigen Kultur der Wertschätzung. Seine britische Höflichkeit war unaufdringlich und klar, soziale Hierarchien spielten in seinem Denken keine Rolle. Graham Jackson gehörte zu jener Generation von Dirigenten, deren Berufs- und Selbstbild sich nicht mehr an einem Entwurf von „Herrschaft“ orientierte, sondern am Dialog auf gleicher Augenhöhe.
An seiner eigenen Person, um die er nie Aufhebens gemacht hat, wird ablesbar, was sein kulturpolitisches Credo war: Aufklärung leisten. Wo auch immer der eigene Platz ist, von welchem Punkt auch immer man Teil des Ganzen ist, ist es möglich, selbständig zu handeln und neue Prozesse in Gang zu setzen. Musik zu machen, das war seine eine Leidenschaft. Menschen nachhaltig für Musik zu begeistern, das war die andere. 1967 in England geboren, studierte Jackson zunächst Mathematik in Cambridge, bevor er sich für das Dirigierstudium in Manchester entschied. Als junger Dirigent arbeitete er an der Welsh National Opera in Cardiff, bevor er 2000 als Erster Kapellmeister ans Theater Bremen ging. Von Beginn an interessierte er sich, neben dem romantischen Repertoire, stets auch für das Randständige. Die künstliche Trennung in Anerkanntes und Nicht-Etabliertes war ihm fremd. Alle Musik, die ihm geistige Substanz bot, interessierte ihn gleichermaßen. Als Generalmusikdirektor kam er 2003 ans Theater Krefeld-Mönchengladbach. Mit „seiner“ Stadt und „seinem“ Haus fühlte er sich eng verbunden.
In seiner Abschiedsrede am 5. Juli 2012 betonte Jackson, was ihn als Briten an der deutschen Kulturlandschaft am meisten begeistere: die Idee des Stadttheaters. Kultur von der regionalen Zelle aus zu denken und sie von dort – ohne künstlerischen Kompromiss – den Menschen nahezubringen. Auch in Mönchengladbach war ihm übrigens die Neue Musik, die gestaltete Gegenwart, ein aufrichtiges Anliegen. Er war es, der die Ressourcen bündelte, um für jede Spielzeit ein neues, 30-minütiges Orchesterwerk beauftragen zu können. Eine halbstündige Orchester-Uraufführung ist kein Feigenblatt, schon gar nicht, wenn man ein solches Werk konsequent in vier Sinfoniekonzerte integriert, nicht selten auch vom WDR übertragen. Mit Komponisten, die er schätzte, blieb er in engem Kontakt, lud sie immer wieder ans Haus, schuf Nachhaltigkeit und Kontinuität. Das Publikum schätze ihn und ließ sich gerne überzeugen. So kann gelungener Kulturauftrag aussehen. Am 23. Juli 2012 ist Graham Jackson im Alter von 45 Jahren in Cambridge einem schwerem Krebsleiden erlegen. Zwei Wochen zuvor hat er noch, bereits schwer gezeichnet, Berlioz‘ Symphonie Fantastique dirigiert. Pflicht ging ihm immer vor und was er einmal zugesagt hatte, das hat er auch gehalten. Aufklärung lässt sich weiterführen. Wo auch immer der eigene Platz ist, dort lässt sich auch ein Kulturauftrag verwirklichen. [Charlotte Seither]
Musiker, Theatermacher, Komponist, Hochschullehrer und Intendant – Kreative Persönlichkeit: Heiner Goebbels wurde im August 2012 sechzig Jahre
Wenn sich Hanns Eislers Todestag am 6. September zum fünfzigsten Mal jährt, dann muss eigentlich auch sein Name fallen: Heiner Goebbels, dessen kongeniale Komposition „Eislermaterial“ 1998 im Auftrag der musica viva die insistierenden und unbequemen Fragen Hanns Eislers nach der Verbindung von Musik und Politik für eine nachfolgende Generation wieder ins Bewusstsein rückte. So verschieden sie sein mögen, hier der Schönberg-Schüler und überzeugte Kommunist, da der Rock- und Jazzmusiker, Soziologe, Musikpädagoge und „Sogenannte Linksradikale“, auf die Haltung kam es beiden an – darin sind sie sich durchaus ähnlich.
Heiner Goebbels wurde am 17. August 1952 in Neustadt/Weinstraße geboren und schloss an ein Studium der Soziologie das der Musik (Klavier/Komposition) an. Er war Mitbegründer des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters, des Duos Goebbels/Hart und der Art Rock Gruppe Cassiber. Goebbels komponiert und inszeniert seit Mitte der achtziger Jahre Hörstücke, Orchesterstücke und Musiktheaterstücke, darunter „Der Mann im Fahrstuhl“ oder „Wolokolamsker Chaussee“, „Landscape with Argonauts“ nach Texten von Heiner Müller oder „SHADOW“ nach einem Text von Edgar Allen Poe. Für das Hörstück „Wolokolamsker Chaussee“ erhielt Goebbels den Karl-Sczuka-Preis 1990. Erst vor wenigen Wochen ging der mit 2,5 Millionen Norwegischen Kronen (330.000 Euro) dotierte Ibsen-Theaterpreis an den 60-jährigen Theatermacher, Regisseur, Komponisten, Hochschullehrer und derzeitigen Intendanten der Ruhrtriennale. ak
Ja zur Popularität der Klassik – Sol Gabetta mit Würth Preis der Jeunesses Musicales Deutschland ausgezeichnet
Der mit 10.000 Euro dotierte Würth Preis der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) wurde am 24. Juli 2012 in Weikersheim an die Cellistin Sol Gabetta verliehen. In seiner Laudatio hob der Präsident der JMD, Hans-Herwig Geyer, die Gabe Gabettas hervor, durch authentisches Spiel ihr Publikum zu begeistern.
Sol Gabetta, so heißt es in der Begründung der Jury, gelinge es „aufgrund ihrer natürlichen Ausstrahlung, ihren brillanten und individuellen Spiels und ihrem ‚Ja’ zu zeit-gemäßen Präsentationsformen, die Popularität der Klassischen Musik auf bemerkenswerte Weise zu heben“. „Sol Gabetta ist eine Ausnahmekünstlerin, deren Virtuosität mitreißt. Ihre überschäumende Spieltechnik zieht die Zuhörer in ihren Bann und sie besticht durch spieltechnische Meisterschaft – eine mehr als verdiente Preisträgerin des Würth Preises“, so Harald Unkelbach, Vorsitzender der Stiftung Würth, der die Auszeichnung gemeinsam mit JMD-Präsident Geyer überreichte. Die Preisverleihung im Rahmen eines Konzerts mit Sol Gabetta war Teil der offiziellen Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der Stiftung Würth und eröffnete die 67. Weltkonferenz der Jeunesses Musicales International. Teilnehmer dieser jährlich stattfindenden Generalversammlung waren Delegierte aus Jeunesses Musicales Sektionen weltweit. Die Veranstaltung vom 24. bis 29. Juli stand unter dem Motto „Magic Places for Music“. Die deutsche Jeunesses Sektion ist nach 1960 (Berlin), 1972 (Augsburg) und 1996 (Weikersheim) erneut Gastgeber.
Der Würth Preis der Jeunesses Musicales Deutschland ist eine der exklusiven Auszeichnungen in der deutschen Musiklandschaft. Er wird an Künstler, Ensembles und Projekte verliehen, die Werte und Zielsetzungen der JMD vorbildhaft erfüllen. Seit 1991 erhielten ihn Persönlichkeiten wie der Dirigent Gustavo Dudamel oder der Percussionist Martin Grubinger, Ensembles wie das Bundesjugendorchester oder das Education-Programm der Berliner Philharmoniker. Unser Bild zeigt die Preisverleihung auf Schloss Weikersheim (v.l.): Hans-Herwig Geyer, Präsident der JMD, Andreas Kraft, Dirigent Junge Deutsche Philharmonie Esslingen, Sol Gabetta, Preisträgerin, Harald Unkelbach, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Würth.
Winfried Richter wurde sechzig
Theorie und Praxis, das sind keine Widersprüche für Winfried Richter, Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Musikschulen (VdM). Denn der promovierte Musikwissenschaftler arbeitete während und nach dem Studium an der Musikschule in Kiel auch viele Jahre als Klavierlehrer. Dann wurde er in Sachen Öffentlichkeitsarbeit als Referent für den VdM-Landesverband Schleswig-Holstein angefragt. Dort lernte er die Verwaltungsarbeit kennen. Seit 1986 ist Richter Leiter der Musikschule Pinneberg und kann dort seine Erfahrungen aus Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung, musikalischer Praxis und musikwissenschaftlichem Denken ideal einsetzen. Die Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) wählte am 29. April 2005 in Essen Winfried Richter, mittlerweile auch Landesvorsitzender der Musikschulen in Schleswig-Holstein, zu ihrem Bundesvorsitzenden.
Anlässlich seines „runden“ Geburtstags am 2. August zog er in einem Gespräch mit dem VdM-Bundesgeschäftsführer Matthias Pannes eine Zwischenbilanz seiner Verbandsarbeit. Richters Gedanken zur Musikschulsituation und zu den Perspektiven für die weitere Entwicklung finden Sie auf Seite 26.
Video-Tipp: http://www.nmz.de/media/video/der-musikschulkongress-2011-ein-trailer
Dank an den Grenzgänger – Die HfMT Hamburg verabschiedete Peter Michael Hamel
Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde sowie einer dreitägigen „Klangreise“ hat die Hochschule für Musik und Theater Hamburg ihren langjährigen Kompositionsprofessor Peter Michael Hamel verabschiedet, der am 15. Juli seinen 65. Geburtstag feierte. Hamel hatte die Professur 1997 von György Ligeti übernommen und prägte die Hochschule seitdem als Leiter des „Studio 21 für aktuelle Musik“, als Erfinder der „Klangnächte“ und als präsidialer Beauftragter für interkulturelle und interdisziplinäre Projekte maßgeblich mit. Stellvertretend für die vielen Studierenden, die von seiner Offenheit und seinem grenzüberschreitenden Denken profitierten, zitiert die Hochschule Martin von Frantzius: „Peter Michael Hamel ist im Unterricht kein ‚Notenzähler‘, und er weigert sich, ‚Rezepte‘ für musikalische Allheilmittel zu verteilen; stattdessen sensibilisiert er für die Suche nach der eigenen musikalischen Identität. Dafür und für seine zahlreichen Anregungen, seine Offenheit und selbstlose Hilfsbereitschaft bin ich ihm unendlich dankbar.“ Lesen Sie hierzu auch den Bericht über das Konzert von Hamels Ethnoband „Embryo“ auf www.nmz.de.