Zum Tod des Komponisten Elliott Carter +++ Zum Tod des Musikjournalisten Werner Panke +++ Zum Tod des Komponisten Theo Brandmüller +++ Grawemeyer Award für Michel van der Aa und sein Cellokonzert +++ Zeitungssterben
Der halbamerikanische Amerikaner – Zum Tod des Komponisten Elliott Carter
Im Alter von einhundertdrei Jahren ist der amerikanische Komponist Elliott Carter gestorben. Carters Musik ist kein Spiegel des amerikanischen Pluralismus, obwohl er von keinem Geringeren als Charles Ives gefördert wurde. In New York am 11. Dezember 1908 geboren, ging Carter früh nach Paris zum Studium bei Nadia Boulanger, der Urmuse spättonaler Neoklassizität. Doch weniger als Strawinsky faszinierte ihn die Schönberg-Schule, deren strenges strukturelles Denken, die Dichte der Materialorganisation nach dem Vorbild Anton Weberns.
Elliott Carter glaubte an eine internationale, ja transkontinentale Musiksprache aus dem Geist der Moderne. Dass seine Partituren sowohl lineare Nachvollziehbarkeit als auch expressive Identiifikationsmuster verweigern, hat mit dem Prinzip der Gleichzeitigkeit zu tun: multiplen Linien und Klängen, heterogenen Rhythmen und Metren. In seinen besten Momenten erreicht Carter eine bestechende Balance aus konstruktiver Dichte und quasi spielerischer Beiläufigkeit. Spät, erst im Alter von neunzig Jahren, hat sich Carter dem Musiktheater zugewandt. „What Next?“ hieß das Stück, eine groteske Buffa, die an der Staatsoper Berlin uraufgeführt wurde. Es geht darin um einen verwicklungsträchtigen Verkehrscrash nach Art von Tatis „Trafic“ oder Godards „Weekend“. Puzzlehaft wie bei Pirandellos „Sechs Personen suchen einen Autor“ werden die Figuren durcheinander gewirbelt. Cages „Unbestimmtheit“ kommt einem dabei in den Sinn. Insofern ist der allenfalls „halbamerikanische“ Carter doch ein typischer Vertreter amerikanischer Musik gewesen. grk
Opernmenschen – Neue Staatstheater-Intendanten
Laut vernehmliches Stühlerücken in der Theaterszene: Uwe-Eric Laufenberg wird Intendant am Staatstheater Wiesbaden, Karsten Wiegand übernimmt, ebenfalls ab 2014, diese Leitungsfunktion am Staatstheater Darmstadt. Der studierte Schauspieler Laufenberg, der sich in der Opernszene zunächst als Regisseur einen Namen machte, stand zuletzt im Brennpunkt der unsäglichen Querelen um das Kölner Opernhaus, das er bis zum Sommer drei Jahre lang geleitet und der chronischen Unterfinanzierung zum Trotz auf einen künstlerisch bemerkenswerten Weg gebracht hatte. Karsten Wiegand, zuletzt Operndirektor in Weimar tritt in Darmstadt die Nachfolge John Dews an, der das Haus seit 2004 leitete. Zuletzt hatte dieser sich mit dem mittlerweile gekündigten GMD Constantin Trinks eine heftige Auseinandersetzung geliefert.
Wepa hat es gemacht – Zum Tod des Musikjournalisten Werner Panke
Wepafecit – Werner Panke hat es gemacht, so zeichnete der Drechsler und Holzkünstler seine Arbeiten. Das Drechseln hatte er als junger Mann in einer Modelltischlerlehre gelernt.
Beruf und Berufung waren zunächst Journalismus, insbesondere der Musikjournalismus. Bis zu seinem Rückzug von der Szene zählte der Mitbegründer der Dortmunder Domicils zu den führenden deutschen Jazzkritikern: Er war Mitarbeiter vieler Zeitungen, Sender und vor allem Fachzeitschriften wie JazzPodium oder JazzForum. Lange Jahre war er Jazzredakteur der nmz.
Zum Ende seines Berufslebens kehrte er an den Anfang zurück: Seit 1985 arbeitete er als freischaffender Drechsler. Bei der Bestattung am 4. Dezember – auf Wunsch von Werner Panke auf einem anonymen Gräberfeld – wird der Saxophonist Matthias Nadolny spielen.
Philosoph, Poet und Orgelvirtuose – Zum Tod des Komponisten Theo Brandmüller
Wie die Hochschule für Musik Saar mitteilte, verstarb der Komponist, Organist und Hochschullehrer am 26. November im Alter von 64 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Brandmüller war seit 1979 als Professor für Komposition, Analyse und Orgelimprovisation an der Saarbrücker Hochschule tätig gewesen. In Mainz 1948 geboren, studierte er Schul-, Kirchenmusik und Komposition bei renommierten Größen wie Giselher Klebe, Mauricio Kagel, Cristóbal Halffter und Olivier Messiaen.
Erst 1979 trat er international mit seiner Lorca-Vertonung „Ach, trauriger Mond“ auf dem Weltmusikfest der IGNM in Athen nachdrücklich hervor. Seit 1986 leitete er gemeinsam mit Martin Christoph Redel den Bundeswettbewerb Komposition der JMD. Eine ausführliche Würdigung folgt in der nmz 2/2013. [gr/nmz]
Werk eigener Gattung – Grawemeyer Award für Michel van der Aa und sein Cellokonzert
Michel van der Aa erhält den Grawemeyer Award for Musical Composition 2013 für sein multimediales Cellokonzert „Up-close“. Die von der Universität von Louisville, Kentucky, vergebene Auszeichnung ist mit 100.000 US-Dollar dotiert. In der Begründung wird die 2011 uraufgeführte Komposition als „höchst innovative Verschmelzung von Musik und visueller Kunst“ bezeichnet. Das Stück sei „ein Virtuosenkonzert und zugleich ein faszinierendes Multimedia-Erlebnis, das dem Versuch einer einfachen Klassifizierung trotzt.“ Das Werk erschaffe sich „eine wahrhaft eigene Gattung.“ In der Tat beschreitet der niederländische Komponist mit „Up-close“ gattungsgeschichtliches Neuland, indem das Solocello nicht nur mit einem Kammerorchester, sondern mit langen, einkomponierten Filmsequenzen konzertiert. So wird das im Prinzip dreisätzige Konzert von zwei Episoden unterbrochen, in denen die projizierten Filmelemente in den Vordergrund treten. Das Stück entwickelt zu den Bildern einer älteren Frau, die von einem einsamen Häuschen im Wald aus mit einer altmodischen Apparatur geheimnisvolle Signale aussendet, eine verstörende Atmosphäre, bis das Cello mit virtuosem, motorisch intensivem Gestus das Heft wieder in die Hand nimmt und schließlich das Geschehen im Film und auf der Konzertbühne ineinander verschränkt werden. Wie für das Medium geschaffen, liegt „Up-close“ auf DVD vor, mit der Amsterdam Sinfonietta und Sol Gabetta als einer Solistin, die instrumentale Meisterschaft mit darstellerischer Präsenz verbindet. Ausschnitte unter: http://www.vanderaa.net/up-close
Zeitungssterben
Erst wurde das Format verkleinert, wohl weil man glaubte, heutige Leser mögen keine großformatigen Zeitungen mehr. Dann wanderte die Frankfurter Rundschau nach Berlin ab, weil sie in Frankfurt nicht mehr allein existieren konnte – nur der Lokalteil verblieb in der Namensheimat. Jetzt hat auch den scheinbar rettenden Berliner Koalitionspartner der Mut verlassen. Die Anmeldung der Insolvenz für die Frankfurter Rundschau darf als letzter Schritt gelten, wenn nicht noch, wie weiland für die Dame Elsa, der rettende Schwanenritter Lohengrin erscheint.
Für die Musik bedeutet das Ende der „FR“ einen noch nicht abzuschätzenden Verlust an kompetenter informativer und kritischer Berichterstattung. Besonders in den Jahrzehnten, in denen Hans Klaus Jungheinrich das Musikressort leitete, zählte die Rundschau zu den maßgebenden Zeitungen, deren musikkritisches Urteil überregionale Beachtung fand. Horst Köpke als Opernkritiker und in letzter Zeit Hans Jürgen Linke waren zwei weitere profilierte Namen, die in der Musikwelt mit ihren Kritiken weithin Beachtung fanden. Dass dies alles nun zu Ende sein soll, möchte man erst einmal gar nicht zur Kenntnis nehmen. Zum Vorteil der neuen musikzeitung und ihrer Leser mag der Umstand gelten, dass zwei der genannten Musikautoren auch Mitarbeiter unserer Zeitung sind: Jungheinrich und Linke. Ihre Stimme wird also nicht verstummen. Das Ende der Frankfurter Rundschau könnte aber auch ein Menetekel bedeuten: Den Printmedien geht es nicht besonders gut, kritischer Journalismus muss Unterhaltung und Gesellschaftsklatsch weichen.
Die Erosionen im geistigen Leben sind unübersehbar. Der Betrieb läuft zwar äußerlich weiterhin munter, aber die Substanz wird immer stärker verdünnt. [gr]
AMJ-Vorstand komplett
Der Arbeitskreis Musik in der Jugend (AMJ) ist in seiner Gremienbesetzung komplett: Die CDU-Politikerin Regina Görner wurde vom Vorstand als Beisitzerin kooptiert, Birgit Fiedler, Schulpfarrerin aus Friedrichsdorf, sowie Jan Schumacher, Leiter des Ensembles Camerata Musica Limburg, Mitglied im Musikausschuss des Hessischen Sängerbundes und der Musikkommission von Europa Cantat, vervollständigen den AMJ-Beirat. Vorsitzender ist Karl Ermert, ehemaliger Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Die langjährigen Mitglieder Michael Fuchs (Facharzt für HNO-Heilkunde, Phoniatrie und Päd-audiologie am Uniklinikum Leipzig), Werner Rizzi (Professor für Musikpädagogik, allgemeine Musikerziehung und elementare Musikpädagogik an der Folkwang Universität der Künste in Essen) sowie Wolfgang Seeliger (Gründer und Leiter des Konzertchors Darmstadt) wurden in ihrem Amt bestätigt.