Peter Gülke erhält den Ernst von Siemens Musikpreis 2014 +++ Deutscher Operettenpreis für Mihhail Gerts +++ Martin Ullrich bleibt drei weitere Jahre RKM-Vorsitzender +++ Herb Geller +++ Yusef Lateef +++ Frank Wess +++ Chico Hamilton
Der Forscher gibt den Takt an – Peter Gülke erhält den Ernst von Siemens Musikpreis 2014
„Robert Schumanns jubelnd erlittene Romantik“: Kaum eine Rezen-sion (auch nicht diejenige in der nmz) ließ es sich nehmen, bei der Besprechung des vor acht Jahren bei Bärenreiter erschienenen Schumann-Handbuchs diese brillante Überschrift von Peter Gülkes einleitendem Essay zu würdigen. In der Tat – wer die Quintessenz eines Komponisten in ein so stimmiges Bild zu fassen vermag, der muss schon etwas vom Schreiben über Musik verstehen. Und von der Musik, über die er schreibt. Insofern verwundert es nicht, dass Peter Gülke zur seltenen Spezies des dirigierenden Musikwissenschaftlers gehört. Auch wenn sich im Laufe seines Wirkens der Schwerpunkt vom Dirigieren ein Stück weit auf das Forschen und Schreiben verschoben hat, so bleibt doch die wechselseitige Durchdringung beider Zugangsweisen die Konstante seines Schaffens.
Die Voraussetzungen dafür wurden in Gülkes Studienjahren in Weimar, Jena und Leipzig gelegt, wo er sich unter anderem dem Cello und der Musikwissenschaft widmete und dann auch mit einer Arbeit zur Musik des 15. Jahrhunderts promovierte. Ende der 1950er-Jahre begann seine Laufbahn als Dirigent – er sei „der Musikwissenschaft in die Praxis entlaufen“, formulierte er einmal –, zunächst als Kapellmeister, unter anderem in Stralsund und Dresden, dann als Generalmusikdirektor in Dresden.
Die Umstände seiner Übersiedelung nach Westdeutschland im Jahr 1983 (erst ein Jahr später konnte ihm die Familie folgen) beschrieb Gülke 2002 in der ersten, vom Mitteldeutschen und Bayerischen Rundfunk gemeinsam produzierten „contrapunkt“-Sendung mit den Worten eines Freundes in ähnlicher Lage: „Ich bin gezwungen worden, freiwillig auszureisen“. Hier habilitierte er sich zunächst bei Carl Dahlhaus in Berlin und war dann zehn Jahre lang Generalmusikdirektor in Wuppertal und engagierte sich danach unter anderem als Vorsitzender des künstlerischen Beirats des Dirigentenforums für die Nachwuchsförderung.
Sein wissenschaftliches und publizistisches Œuvre wuchs unterdessen stetig an: In Studien, unter anderem zu Schubert, dessen symphonische Fragmente er orchestriert und eingespielt hat, Dufay, Beethoven oder eben Schumann spiegelt sich bis heute seine intellektuelle Durchdringung bei gleichzeitiger Leidenschaft für den Forschungsgegenstand Musik, was die Lektüre zu einem herausfordernden Vergnügen macht.
Am 14. Mai nun wird er aus den Händen Michael Krügers im Münchner Cuvilliés-Theater den Ernst von Siemens Musikpreis entgegennehmen. Eine jubelnd erlittene Preisverleihung ist nicht zu befürchten. [Juan Martin Koch]
Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung drei Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. 250.000 Euro entfallen auf die Dotierung des Hauptpreises, je 35.000 Euro sowie die Produktion einer Porträt-CD erhalten die Komponisten-Förderpreisträger, die Ende Februar bekannt gegeben werden. Der Rest verteilt sich auf weltweit rund 150 Projekte im Bereich der zeitgenössischen Musik. Foto: Martin Hufner
Eine Lustige Witwe als Preis – Deutscher Operettenpreis für Mihhail Gerts
Beim Abschlusskonzert des „12. Operettenworkshops für junge Dirigenten“ am 11. Januar in der Leipziger Musikalischen Komödie wurde der „6. Deutsche Operettenpreis“ an den aus Estland stammenden Dirigenten Mihhail Gerts verliehen.
Gerts konnte beim Konzert vor allem mit der Ouvertüre und mit „Klänge der Heimat“ aus der „Fledermaus“ von Johann Strauß überzeugen. Der Gewinn beinhaltet die musikalische Assistenz bei der Operettenproduk-tion „Die Lustige Witwe“ in der Musikalischen Komödie und das Dirigat einer Vorstellung.
Fünf Kandidaten nahmen an dem einwöchigen Workshop unter der Leitung von Roland Seiffarth, Ehrendirigent der Musikalischen Komödie, teil und stellten sich in dem Abschlusskonzert dem Votum der Jury. Dieser gehörten neben Seiffarth selbst auch Stefan Diederich, Chefdirigent der Musikalischen Komödie, der Theaterwissenschaftler und Operettenforscher Stefan Frey sowie die Kammersängerin Regina Werner-Dietrich an. Den Vorsitz der Jury hatte der Dirigent Manfred Mayrhofer inne. Auf dem Programm für die fünf Teilnehmer standen Komponisten wie Strauß, Lehàr und Kálmán.
Auf der Bühne wurden sie vom Orchester und den Solisten der Musikalischen Komödie wie Lilli Wünscher, Anne-Kathrin Fischer, Andreas Rainer, Milko Milev und Radoslaw Rydlewski unterstützt.
Gerts studierte Klavier und Orches-terdirigieren bei Ivari Ilja und Paul Mägi an der Estnischen Akademie für Musik und Theater Tallinn, bevor er 2011 seine Ausbildung in Deutschland an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin bei Christian Ehwald und Hans-Dieter Baum fortsetzte. Seit 2007 ist er als Kapellmeister an der Nationaloper Estland tätig und dirigierte unter anderem „Così fan tutte“, „Rigoletto“, „Carmen“, „La Bohème“ und „Die Liebe zu den drei Orangen“.
Der diesjährige Gewinner des „Publikumspreises der Leipziger Volkszeitung“ ist der aus Taiwan stammende Dirigent Chin-Chao Lin.
Musikhochschul-Kontinuität – Martin Ullrich bleibt drei weitere Jahre RKM-Vorsitzender
Die Mitgliederversammlung der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) hat bei ihrer Wintertagung in Berlin den bisherigen Vorsitzenden, Prof. Dr. Martin Ullrich, im Amt bestätigt. Beginnend ab 1. Oktober 2014 hat der Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg den RKM-Vorsitz für weitere drei Jahre inne. In der von der RKM veröffentlichten Pressemitteilung äußerte Ullrich seine Freude „über den großartigen Vertrauensbeweis“, den seine Wiederwahl darstelle. „Die deutschen Musikhochschulen“, so Ullrich weiter, „stehen für künstlerische und pädagogische Exzellenz, für Internationalität und für musikalische Bildung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ich sehe es als zentrale Aufgabe, das menschliche Elementarbedürfnis Musik auch weiterhin in all seinen Facetten und in seiner kulturellen Bedeutung in Politik und Gesellschaft zu vertreten.“
Die größte Herausforderung in Ullrichs bisheriger Amtszeit dürfte die Lage in Baden-Württemberg sein, in der die Zeichen mittlerweile immerhin wieder auf Dialog gestellt sind. Was die Außenwirkung betrifft, so lässt die von Ullrich im Mai 2012 im nmz-Hochschulmagazin angekündigte Neugestaltung der RKM-Homepage (www.die-deutschen-musikhochschulen.de) bislang noch auf sich warten.
Herb Geller
Am 19. Dezember 2013 starb der US-amerikanische Saxophonist Herb Geller in Hamburg, seiner Heimatstadt seit den 60er-Jahren. Geller spielte Altsaxophon, Sopransaxophon, Tenorsaxophon, Klarinette, Flöte, auch Oboe, Englischhorn und Piccoloflöte und war zudem Komponist und Arrangeur. 28 Jahre arbeitete er für und mit der NDR-Bigband. Neben seiner Arbeit beim NDR war Herb Geller immer auch in anderen Besetzungen aktiv, einschließlich seiner eigenen Projekte und Tourneen. In dieser Zeit hat er bei Schallplatten- und Musicalproduktionen, Konzerten und Tourneen namhafter Musiker wie zum Beispiel Ray Charles, Ella Fitzgerald, Shirley MacLaine, Jerry Lewis, Peter Herbolzheimer Rhythm Combination & Brass, Liberace, Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen, Paul Anka, George Gruntz, Bert Kaempfert, Bill Evans, Red Mitchell und vielen weiteren mitgewirkt. 1985 komponierte er die Musik für den ersten Kinofilm von Otto.Seit 1986 war Geller an der Hochschule für Musik in Hamburg bis zu seiner Pensionierung lehrend tätig.
Yusef Lateef
Der Jazzmusiker und Grammygewinner Yusef Lateef ist tot. Der Amerikaner starb am 23. Dezember in seinem Haus in Massachusetts im Kreise seiner Familie. Lateef wurde 93 Jahre alt. Der Amerikaner war Multiinstrumentalist und spielte Tenorsaxophon, Altsaxophon, Flöte, Oboe sowie selbstgebaute Instrumente. Er gehörte zu den ersten Jazzmusikern, die den Jazzhorizont durch Elemente afrikanischer, orientalischer und fernöstlicher Musikkulturen erweiterten und der so zur Entstehung des Ethno-Jazz beigetragen hat. Lateefs Geburtsname war William Huddleston. Auf der Bühne trat er zunächst als William Evans auf, doch nach seinem Übertritt zum Islam als 30-Jähriger änderte er seinen offiziellen und seinen Bühnennamen in Yusef Abdul Lateef. Lateef selbst lehnte die Bezeichnung „Jazz“ für seine Musik ab: „Ich mache autophysio-psychic music, das heißt Musik, die aus meinem physischen, geistigen, spirituellen und intellektuellen Ich entsteht. Musik muss diese Balance haben, sonst ist sie keine geglückte Organisation der Klänge.“
Frank Wess
Am 30. Oktober 2013 starb der US-amerikanische Jazz-Saxophonist (Tenor und Alt) und Flötist afroamerikanischer Herkunft Frank Wess im Alter 91 Jahren. Populär wurde er insbesondere durch seine Zeit bei Count Basie. Während des 2. Weltkriegs spielte Wess Tenossaxophon und Flöte in der Armee Band, später leite er eine Begleitband Josephine Bakers.
Nach der Entlassung aus dem Militärdienst spielt er in den Bands von Billy Eckstine, Eddie Heywood, Lucky Millinder and Bull Moose Jackson.
1949 begann er ein Flötenstudium bei Wallace Mann vom National Symphony sowie bei Harold Bennett, Metropolitan Opera, New York.
1953 Frank ging er zum Count Basie Orchestra und blieb dort bis 1964.
In den 1980er und 1990er Jahren arbeitete er etwa mit Mel Tormé, Sweets Edison, Billy Taylor, Benny Carter, Ernestine Anderson, Louie Bellson, 1981 bis 1985 bei der Gruppe Dameronia von Philly Joe Jones und mit dem Toshiko Akiyoshi Jazz-Orchester; seit 1989 leitete er gelegentlich auch eine eigene Bigband.
Chico Hamilton
Am 25. November 2013 starb der US-amerikanischer Schlagzeuger und Komponist des Modern Jazz, Chico Hamilton im Alter von 92 Jahren.
Mit Schulfreunden wie Dexter Gordon und Charles Mingus hatte er schon eine erste Jazz-Combo, in der er Klarinette spielte. Als Schlagzeuger hatte er mit siebzehn Jahren einen Gig bei Duke Ellington.
Heute gilt er als stilbildender Musiker des modernen Jazz: 1952 gründete Hamilton zusammen mit Gerry Mulligan und Chet Baker das klavierlose Mulligan-Baker-Quartett.
Mit seinem Quintett, das auf dem Newport Jazz Festival 1956 seinen Durchbruch erzielte, war er mit unterschiedlichen Besetzungen (Buddy Collette, Paul Horn, Eric Dolphy und Charles Lloyd, mit Cellisten wie Fred Katz und Gitarristen wie Jim Hall oder Dennis Budimir) bis 1966 sehr erfolgreich. Er schrieb zahlreiche Filmmusiken, unter anderem komponierte er die Musik für Roman Polanskis Klassiker „Ekel“. Seit Ende der 80er-Jahre trat er mit seiner Gruppe Euphoria auf.