Zum Tode des Dirigenten Gerd Albrecht +++ Brigitta Muntendorf, Simone Movio und Luis Codera Puzo erhalten die Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung +++ Fehlschüsse an der Semperoper +++ Hindemith-Preis
Wichtig ist allein die Musik
Zum Tode des Dirigenten Gerd Albrecht
Ein gern benutztes und deshalb auch ziemlich verbrauchtes Wort darf man in diesem Fall noch einmal guten Gewissens aussprechen: der Dirigent Gerd Albrecht, der im Alter von achtundsiebzig Jahren in Berlin verstorben ist, hat sich wahrhaft „um die Musik verdient gemacht“. Gerd Albrecht wollte es nie anders.
Er liebte die Musik so sehr, dass er mit seiner Person gern hinter sie zurücktrat und sein großes Können, sein fachliches Wissen, seine umfassende Bildung dienten immer nur dazu, der Musik und ihren Komponisten den gebührenden „Ersten Platz“ zuzuweisen. Man hat oft Gerd Albrechts „Neugier“ gerühmt. Dass hört sich fast zu oberflächlich an. Man möchte es „Verantwortung“ nennen.
Albrecht fühlte sich verantwortlich für die Musik, für ihn hatte sie gleichsam existenzielle Bedeutung. Und weil er wusste, wie entscheidend der Mensch, besonders der junge Mensch, durch die Ausformung emotionaler Energien geprägt wird, legte er sich neben dem Dirigenten als zweiten Beruf den Pädagogen zu. Gerd Albrechts Gesprächskonzerte für Kinder, Jugendliche und auch fürs allgemeine Publikum sind seit seinen frühen Jahren als Musikchef am Staatstheater Kassel inzwischen legendär und wurden zum Vorbild für viele heutige Musikerziehungsprogramme.
Dass Gerd Albrecht daneben auch ein sehr guter Dirigent war, konnte man immer wieder an den zahlreichen Positionen, die er innehatte, erleben. Er fühlte sich dabei auch immer „verantwortlich“ – für die im Dritten Reich verfemten Komponisten (Zemlinsky, Schreker, Victor Ullmann und andere), er wusste aber auch, dass die Musik für ihre Zukunft neue Werke braucht, von jungen und jung gebliebenen Komponisten unserer Zeit. Gemeinsam mit dem Komponisten Peter Ruzicka demonstrierte er an der Hamburgischen Staatsoper von 1988 bis 1997, wie eine große Musikbühne geführt werden sollte: nicht nur als Pflegestätte des tradierten Repertoires, sondern vielmehr als ein zentraler Ort ständiger künstlerischer Erneuerungen. Wolfgang Rihms „Mexiko“-Oper und Helmut Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ ragten aus den vielen Premieren besonders heraus, beide Opern zählen heute zu den Kernwerken der Moderne. [Gerhard Rohde]
Der begehrteste Nachwuchspreis, ein Türöffner ins Musikleben
Brigitta Muntendorf, Simone Movio und Luis Codera Puzo erhalten die Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung
Mit jeweils 35.000 Euro sind die Förderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung dotiert, die an die deutsche Komponistin Brigitta Muntendorf sowie an Simone Movio (li.) aus Italien und Luis Codera Puzo aus Spanien gehen. Drei aufstrebende Komponisten, denen die Stiftung mit dem Klangforum Wien ein wichtiges Ensemble an die Seite gestellt hat: Die zeitgenössischen Wiener bringen am 24. Mai 2014 im Münchener Cuvilliés-Theater Werke der drei Preisträger zur Aufführung. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung dieses Jahr drei Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern. Der internationale, mit 250.000 Euro dotierte Musikpreis geht dieses Jahr an den Musikwissenschaftler und Dirigenten Peter Gülke. Fotos: Manu Theobald
Fehlschüsse an der Semperoper
Serge Dorny holt sich als Beinahe-Intendant in Dresden eine blutige Nase
Wenn ein traditionsreiches Opernhaus, das heute vorwiegend als Touristenmagnet funktioniert, einen neuen Intendanten sucht, dann ist der Skandal auch nicht weit: Beispiel Dresden-Semperoper. Da erspäht eine kulturell minderbemittelte Kulturverantwortliche des Landes in der französischen Provinz einen Erfolgsintendanten, der wiederum auch nach Höherem schielt und schon ist ein schneller Vertrag geschlossen. Und ebenso schnell wieder aufgelöst. Der Belgier Serge Dorny, einst in der Talentschmiede Mortier geprägt, hat in zehn und mehr Jahren die Opéra de Lyon zu einem der interessantesten Musiktheater Europas gemacht. Natürlich: Alles muss einmal ein Ende haben. Und so lockte Dresdens historische Opernpracht verführerisch: Die „Wunderharfe“ (Richard Strauss) der Staatskapelle mit ihrem derzeitigen Chef Christian Thielemann, der Semperprachtbau, in dem zahlreiche Richard-Strauss-Premieren stattfanden und überhaupt: alles Barock. Serge Dorny aber fand sich alsbald in allerlei Kompetenzgerangel verstrickt. Am Ende erfuhr er aus der Zeitung, dass er entlassen sei. Man hat nun wirklich keine Lust mehr, das alberne Gerangel detailliert zu durchleuchten. Der Ausgangspunkt ist, wie so oft, die Inkompetenz der jeweils zuständigen Kulturpolitik. Wer Dorny und seine Arbeit in Lyon kennt, wusste schon vorher, dass er sich in Dresden nicht wohlfühlen würde, mit oder ohne Thielemann. Eher hätte er nach Hamburg gepasst, in der Nachfolge von Gerd Albrecht und Peter Ruzicka (nicht Simone Young!). Und wie wäre es mit Berlin, als Flimm-Nachfolger an der Staatsoper? Aber da gibt es ja Daniel Barenboim. Und hat sich Dorny dort nicht schon einmal eine, wie man gern sagt, „blutige Nase“ geholt? Er hat es doch nicht nötig, sich am kindischen Postengerangel zu beteiligen. Lyon ist eine wunderbare Stadt, nicht nur gastronomisch. Und das Lyoner Opernhaus ist schon vor Dorny und bis heute ein höchst lebendiger Treffpunkt auch außerhalb der jeweiligen Vorstellungen geworden. Ein Haus für alle, vor allem auch für junge Menschen. [Gerhard Rohde]
Hindemith-Preis
Am 21. Juli 2014 wird der Österreicher Bernd Richard Deutsch mit dem Hindemith-Preis für sein künstlerisches Schaffen ausgezeichnet. Von den 20.000 Euro Preisgeld sind 10.000 Euro für eine Auftragskomposition gedacht, die beim Schleswig-HolsteinMusikfestival 2015 uraufgeführt werden soll. Mit dem Preis, der von der Hindemith-Stiftung (Blonay/Schweiz), den Stiftungen Rudolf und Erika Koch-Stiftung, Walther und Käthe Busche-Stiftung, Gerhard Trede-Stiftung und Franz-Wirth-Gedächtnis-Stiftung sowie von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg gestiftet wird, sollen herausragende zeitgenössische Komponisten gefördert werden. Zugleich erinnert die Auszeichnung an das musikpädagogische Wirken Hindemiths, der 1932 im Auftrag der Staatlichen Bildungsanstalt Plön die Komposition „Plöner Musiktag“ schrieb.