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Konrad Boehmer. Foto: Pieter Boersma
Konrad Boehmer. Foto: Pieter Boersma
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Personalia 2014/11

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Zum Tod des Komponisten und Publizisten Konrad Boehmer +++ Zum Tod des Komponisten und langjährigen Hochschulrektors Jürgen Weimer +++ Ruzicka neuer Chef der Salzburger Osterfestspiele +++ Wolfgang Graef-Fograscher löst Rüdiger Schwarz ab +++ Ludger Vollmer +++ Rapp folgt auf Rau +++ Preis an Irene Kurka

Politik, Pointen und Provokation
Zum Tod des Komponisten und Publizisten Konrad Boehmer

Konrad Boehmer liebte überraschende Pointen und Provokationen. In seinem Vortrag „Revolution der Musik oder Musik der Revolution?“ bezeichnete er 1968 schon im ersten Satz den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger als „schmierigen Nationalsozialisten“ und erregte damit seine Zuhörer an den Musikhochschulen von Stuttgart und Berlin sowie bei der Darmstädter Frühjahrstagung. Der Gast aus Amsterdam, der eine Revolution der musikalischen Institutionen forderte, erlaubte sich in diesen Aufbruchsjahren deutlichere Worte als sonst in der Bundesrepublik üblich. Konrad Boeh­mer brach die Tabus. Er wagte es auch, den im bundesdeutschen Musikleben allmächtigen Werner Egk „eine der übelsten Figuren der nationalsozialistischen Musikpolitik“ zu nennen, selbst wenn diese Passage in der Druckfassung auf richterliche Anordnung geschwärzt werden musste und Egk einen Prozess anstrengte (und auch gewann).

Konrad Boehmer misstraute offiziellen Verlautbarungen, er wollte wissen, was wirklich war. Er widersetzte sich Denkverboten. Als der Schüler des Kölner Apostelgymnasiums erfuhr, dass Brecht ein gefährlicher Kommunist und Eisler der „rote Teufel der Musik“ sei, wurde er misstrauisch. Zu Ostern 1959 besuchte er als 18-Jähriger seinen Opa in Berlin und beschloss, sich selbst ein Bild von Eisler zu machen. Er ließ sich dessen Adresse geben, fuhr in den Ost-Teil der Stadt und klingelte unangemeldet an Eislers Wohnungstür. Eisler war so überrascht, dass er seinen jungen westdeutschen Besucher empfing und erst nach einem langen Gespräch entließ.

Wenige Monate später besuchte Boehmer zum ersten Mal die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, wo er an den Seminaren Karlheinz Stockhausens teilnahm. Er studierte Komposition bei Gottfried Michael Koenig und stellte noch seine Kölner Dissertation „Zur Theorie der offenen Form in der neuen Musik“, eine Auseinandersetzung mit der Aleatorik und John Cage, fertig, bevor er 1966 in seine Wahlheimat Amsterdam übersiedelte. Angesichts des Vietnamkrieges und der Studentenbewegung erschien ihm die Darmstädter und Kölner Avantgarde als realitätsfern.

Er erinnerte sich an die Begegnung mit Eisler, der ihm 1959 zum Abschied zwei Schallplatten geschenkt hatte, und trat in Kontakt mit Eberhardt Klemm, der ihm mehr von Eisler erzählte. Bei diesem Komponisten entdeckte Boehmer einen anderen Begriff von Avantgarde, eine serielle Musik jenseits von Schönberg und Webern. Hier fand er damals „eine sehr ernst zu nehmende Alternative“ zu dem in den westlichen Ländern geltenden Avantgardebegriff. Bei der Weiterentwicklung der Musik gehe es nicht primär um das neue musikalische Material, sondern um eine neue gesellschaftliche Funktion von Musik.

In der Trilogie „Canciones del Camino“, „Lied aus der Ferne“ und „Schrei dieser Erde“ problematisierte Boehmer das Verhältnis von Musik und Politik. Da er in seinen Kompositionen, auch den elektronischen Werken, besonderen Wert auf die Dramaturgie legte, führte der Weg logisch zum Musiktheater. Sein wichtigstes Werk ist „Doktor Faustus“, das 1985 in Paris uraufgeführte „Drama mit Musik“, an dem er seit 1975 gearbeitet hatte.  Wie Eisler in seinem „Faustus“-Projekt entfernte sich Boehmer dabei von Goethe und setzte sich mit der historischen Faust-Figur auseinander. Auch er verknüpfte in seiner Partitur historisches Material mit verschiedenen stilistischen Idiomen.

In mehreren Gremien, so als Vorsitzender des niederländischen Komponistenverbands, ist Boehmer aktiv für die Rechte der Komponisten eingetreten. Mit Aufsätzen und Reden hat er sich immer wieder ins Musikleben eingemischt. Soeben ist im Pfau-Verlag der zweite Band seiner gesammelten Texte zur Musik unter dem Titel „Doppelschläge“ erschienen. Boehmer hat dieses anregende Buch noch erhalten, bevor er am 4. Oktober im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in Amsterdam starb. Das Musikleben verliert damit einen seiner kritischs­ten und ideenreichsten Geister. [Albrecht Dümling] Konrad Boehmer. Foto: Pieter Boersma

Aktiver Streiter für Musik nicht nur in Trossingen
Zum Tod des Komponisten und langjährigen Hochschulrektors Jürgen Weimer

„Was uns fehlt, macht uns schöpferisch. Wenn der Welt, in der man lebt, nicht ernsthaft etwas fehlte, würde man nicht lesen.“

Dieses Wort von Martin Walser, das Jürgen Weimer (geboren am 2. Juni 1941, gestorben am 30. September 2014) einst in einer Ansprache wählte, mag als Schlüssel für das Denken und Handeln dieses einzigartigen Künstlers, Komponisten und langjährigen Musikhochschulrektors dienen. Mit präzisem Scharfsinn wusste er wie kaum ein anderer, Untiefen unter den glatten Oberflächen des Kulturbetriebs zu entdecken. Dummheit und Geistlosigkeit duldete er nicht und parierte diese sprachmächtig pointiert sowie mit subtilem Humor. Dafür war er durchaus gefürchtet. Eine aktive Streitkultur war sein Element. So gelang es ihm in den 1980er-Jahren, nicht nur den Minis-terpräsidenten Lothar Späth für seine Anliegen zu begeistern. Konsequent und mit großer schöpferischer Gestaltungskraft entwickelte er die Staatliche Musikhochschule Trossingen in den 26 Jahren seiner Rektorentätigkeit zu einem international anerkannten Institut auf Augenhöhe im Reigen der Bundesrektorenkonferenz, deren Vorsitz er in den 90er-Jahren zeitweilig innehatte. Herausragende Akzente setzte er durch seinen unbedingten Qualitätsanspruch, der sich äußerlich sichtbar in erfolgreichen Bauvorhaben, der Einrichtung des Ins­tituts für Alte Musik oder der Gründung der Musikakademie gGmbH VS manifestierte. Ebenso wichtig waren der Aufbau eines internationalen Netzwerks, der Ausbau der Hochschulbibliothek, die Gründung des Fördervereins mit der Einrichtung des internen Wettbewerbs mit hochdotierten Preisen sowie die intensive kulturelle Vernetzung in der Region.

Zusammen mit seiner Frau, der Sängerin und Professorin Swaantje Weimer entschied er sich in den 70er-Jahren gegen einen Ruf nach Berlin und für den ländlichen Raum im Süden der Republik. Unbekümmert ob irgendwelcher Bedenken lieferte er den Beweis, dass vor allem Esprit, schöpferische Kraft und Qualitätsbewusstsein der Humus sind, auf dem künstlerisches Wirken und Gestalten wachsen kann. Ihm war Autorität zu eigen in dem Sinne, dass sein differenziertes Kulturverständnis Maßstäbe setzte. Hieraus erwuchs ihm nicht zuletzt auch eine moralische Überzeugungskraft, gegen die Verflachung von kulturellem Anspruch, gegen eine flüchtige Event-Kultur, gegen Sparmaßnahmen im Bereich der musikalischen Bildung. So gelang es ihm, Ende der 90er-Jahre eine bedrohliche Sparauflage bravourös abzuwenden. Für den Standort aber fand er eine poetisch anmutende Formulierung: Wo Kultur, Wirtschaft und Natur eine sinnstiftende und gesunde Koexistenz verbindet, sollte man von einer „klugen Landschaft“ sprechen. [Elisabeth Gutjahr]

Ruzicka neuer Chef der Salzburger Osterfestspiele

Ex-Festspielintendant Peter Ruzicka wird ab 2015 die künstlerische und kaufmännische Geschäftsführung der Osterfestspiele Salzburg übernehmen. Dies beschlossen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung Ende Oktober einstimmig. Peter Ruzicka wird somit der Nachfolger von Peter Alward und Bernd Gaubinger, die beide noch bis nächstes Jahr im Amt sein werden. Über die Laufzeit von Peter Ruzickas Vertrag, die Übergangsregelungen und andere Details werde noch verhandelt, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Osterfestspiel GmbH, Hans Scharfetter (ÖVP).

Laut Osterfestspiele hat sich Ruzicka nach einer internationalen Ausschreibung in einem mehrstufigen Auswahlverfahren gegenüber weiteren hochkarätigen Bewerbern durchgesetzt und die Generalversammlung durch seine Vorstellungen zur Zukunft der Osterfestspiele überzeugt. Künstlerisch hauptverantwortlich wird weiterhin Christian Thielemann bleiben, der Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, die seit dem Weggang der Berliner Philharmoniker das Festival künstlerisch trägt. Ruzicka war Intendant des Radio-Symphonie-Orchesters Berlin, später Intendant der Hamburger Philharmoniker und der Staatsoper Hamburg. 1996 übernahm er die künstlerische Leitung der Münchener Biennale, die er bis 2013 inne hatte. Von 2002 bis 2006 war Ruzicka Intendant der Salzburger Festspiele.

Wolfgang Graef-Fograscher löst Rüdiger Schwarz ab

Am 10. Oktober 2014 wurde nach 31 Jahren Rüdiger Schwarz als 1. Vorsitzender des Landesausschusses Bayern „Jugend musiziert“ e.V. verabschiedet. Er trat nach dieser langen Zeit aus Altersgründen nicht erneut zur Wahl an. Sein Nachfolger in diesem Ehrenamt wurde Wolfgang Graef-Fograscher, der als Vertreter der Jeunesses Musicales im Landesausschuss Bayern Mitglied ist. Wolfgang Graef-Fograscher ist Leiter der Städtischen Sing- und Musikschule Regensburg, war bis zur Wahl als Landesausschussvorsitzender viele Jahre Vorsitzender des Regionalausschusses Oberpfalz

Süd. Als Stellvertreter für den 1. Vorsitzenden wurde Thomas Pöller aus Graßlfing gewählt, der für den Verband Bayerischer Schulmusikerzieher seit vielen Jahren Mitglied im Landesausschuss ist. Der Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, Joachim Wolbergs, zeigte sich sehr erfreut über die Berufung: „Es ist für Regensburg und die gesamte Region eine große Ehre, dass mit Wolfgang Graef-Fograscher und Thomas Pöller gleich zwei Vertreter Regensburgs im Landesausschuss „Jugend musiziert“ die Geschicke des Wettbewerbs im Freistaat mitbestimmen. Dadurch, dass auch das Büro des Landesausschusses in Regensburg untergebracht ist, kommen wir dem Ziel ‚Stadt der Musik‘ durch dieses Aushängeschild erfolgreicher musikalischer Jugendarbeit ein großes Stück näher.“

Ludger Vollmer

Der Komponist Ludger Vollmer (53) ist mit dem Weimar-Preis 2014 geehrt worden. Die Stadt würdige mit der Auszeichnung das Werk des Künstlers, der zu den produktivsten und anerkanntesten deutschen Opern-Komponisten zähle, heißt es in der Begründung. Seine Genrevielfalt von Opern- und Kammermusik bis zu Kompositionen für Tanztheater, Chor und elektroakustische Filmmusiken beeindruckten. Der gebürtige Berliner lebt seit 1992 mit seiner Familie in Weimar. Für seine bekannteste Oper „Gegen die Wand“ nach dem gleichnamigen Film des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akin hatte Vollmer 2009 den Europäischen Toleranzpreis erhalten. In Weimar unterrichtet er an der Musikhochschule. Der Weimar-Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird seit 1990 an Menschen verliehen, die sich besonders um das geistig-kulturelle Leben in der Klassikerstadt verdient gemacht haben.

Rapp folgt auf Rau

Stabwechsel beim Bund Deutscher Blasmusikverbände: Die Interessensvertretung von 70.000 Blasmusikern hat bei der Hauptversammlung in Sasbachwalden den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Patrick Rapp (CDU) einstimmig zum neuen Präsidenten gewählt. Der promovierte Forstwirt löst Helmut Rau ab, der nach 13 Jahren an der Spitze des Verbandes nicht mehr kandidierte, um einen Generationenwechsel anzustoßen. Für seine großen Verdienste wurde Rau zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Preis an Irene Kurka

Die Sopranistin Irene Kurka erhält den Förderpreis der Musik der Landeshauptstadt Düsseldorf. In einer Preisverleihung am 9. Dezember wird die Sängerin den mit 4.000 Euro dotierten Preis entgegennehmen.
„Ihre ganz hervorragenden sängerischen Qualitäten stellt sie immer wieder unter Beweis, insbesondere auch bei zahlreichen Uraufführungen von namhaften Komponisten“, so heißt es in der Jurybegründung. Irene Kurka ist in den nächsten Wochen zwei Mal in Köln zu erleben. Am 8. November präsentiert sie im Domforum die „Salome-Extrakte“ und am 10. Dezember wirkt sie im Rahmen des Programms „Sound is the Resonator“ an Uraufführungen von Simon Rummel, Steffen Krebber und Caspar Johannes Walter mit.
 

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