Jagt ihn zum Teufel: Er ist ein Intendant
Essens Philharmonie trennt sich fristlos von Michael Kaufmann
In zwei Jahren wird die Stadt Essen mitsamt dem umgebenden Ruhrgebiet zur Europäischen Kulturhauptstadt erhoben. Da ist es an der Zeit, rechtzeitig für Ordnung zu sorgen. Was, zum Beispiel, soll die Kulturwelt von einem Konzerthaus halten, dessen Intendant in zwei Jahren den Etat sage und schreibe um einskommafünf Millionen Euro überschreitet. Nichts wie fort mit ihm. – Zur Sache: Wir wollen hier nicht die aus den Tagesnachrichten bekannte und breitgetretene fristlose Entlassung des Intendanten der Essener Philharmonie noch einmal ausbreiten. Michael Kaufmann hat aus der Sicht der Kunst eine hervorragende Arbeit geleistet, die Essener Philharmonie in wenigen Jahren zu einer der ersten Adressen im deutschen Musikleben gemacht. Selbst wenn alle Behauptungen des Aufsichtsrates der „Essen Theater und Philharmonie GmbH“ zutreffen sollten: Für einen so rigorosen Schritt besteht kein Anlass, schließlich hat Michael Kaufmann das Geld nicht in die eigene Tasche gesteckt. Unabhängig vom aktuellen Vorgang wirft die „Causa Kaufmann“ einmal mehr ein negatives Schlaglicht auf den Zustand lokaler Kulturpolitik. Man wünscht sich Glanz, aber kennt nicht die Kosten, die dieser Glanz verlangt. Dabei wäre es für Essens Kulturpolitiker ein Leichtes gewesen, sich im nahen Köln oder im etwas ferneren Frankfurt über Funktionen und Kosten eines großen Konzerthauses mit einem eigenen Programm zu informieren. Schließlich sollten lokale Politiker auch ihr eigenes kulturbürgerliches Publikum besser kennen: Was wünscht sich dieses Publikum, was kann man ihm künstlerisch zumuten, was möchte man wagen, um die aufgeschlosseneren Menschen an Neues heranzuführen? Von einem Kulturpolitiker muss man auch verlangen, dass er einigermaßen klare Vorstellungen davon besitzt, was eine Stadt überhaupt mit einem Konzerthaus, einem Theater bewirken möchte. Erst, wenn alles gründlich überlegt und geprüft worden ist, einschließlich der voraussichtlichen finanziellen Aufwendungen, wählt man sich als künstlerischen Leiter den geeigneten Kandidaten.
Es ist allerdings eine traurig stimmende Erfahrung, dass der Horizont der meisten Kulturpolitiker kaum über den roten Läufer zu jeweiligen Premieren hinausreicht. Sie wissen einfach zu wenig von dem, was in der Kunstwelt vor sich geht, sie kennen Künstler höchstens aus den Klatschspalten bunter Blätter, sie informieren sich nicht persönlich und intensiv über die Leistungen eines Künstlers an dessen bisherigen Arbeitsstätten, um sich ein besseres Urteil bilden zu können, ob dieser Künstler auch die richtige Wahl für das heimische Institut wäre. Vollends unerträglich wird dieser Zustand, wenn, wie im Fall Essen-Philharmonie, Inkompetenz und Ahnungslosigkeit sich mit Arroganz und Hochfahrenheit verbinden. Der Ton, den der Geschäftsführer der Essener Theater und Philharmonie GmbH gegenüber Michael Kaufmann intern und auch nach außen angeschlagen hat, lässt jeden Anstand vermissen: Ein geistiger Kleinbürger, der sich mächtig aufplustert. Glücklicherweise leben in der sogenannten „Kulturhauptstadt“ auch noch einige Großbürger, die nicht nur die Instandsetzung der Philharmonie großzügig bezahlt haben, sondern sich jetzt auch protestierend gegen die Entlassung des Philharmonie-Intendanten wenden. Natürlich wird keiner im Stadtparlament auf sie hören. Hoffentlich bewirkt wenigstens die Abfindung für den Intendanten, der bis 2013 einen Vertrag hat, einen schmerzhaften Aufschrei. Gerhard Rohde
Wirken im Kosmos des Swing
German Jazz Trophy für Hugo Strasser
Sie füllen zwar keine Stadien wie ehemals die drei Tenöre, aber wenn sie gemeinsam mit der SWR Big Band auf Tour sind, füllen sie bequem die Stadthallen deutscher Mittelstädte. Gemeint sind die drei „Swing-Legenden“ Max Greger (82), Paul Kuhn (80) und Hugo Strasser (86). Der Erfolg scheint sie jung zu halten, an Ruhestand denkt derzeit noch keiner von ihnen. Nachdem Paul Kuhn bereits 2002 mit der „German Jazz Trophy – A Life For Jazz“ ausgezeichnet wurde, erhält nun sein Solistenkollege Hugo Strasser (auf dem Bild links neben Max Greger) diese Auszeichnung. Der Klarinettist und Bandleader wird damit für sein lebenslanges Wirken im musikalischen Kosmos der Swingmusik geehrt.
Strasser wurde 1922 in München geboren, als fünftes von sechs Kindern. Die Eltern liebten Musik, und alle Strasser-Kinder durften ein Instrument ihrer Wahl lernen. Strasser begann mit der Mundharmonika, und im Alter von sieben Jahren spielte er in der Kinderstunde des Bayerischen Rundfunks sein erstes Solo. Mit 16 Jahren wurde er Schüler des damaligen Soloklarinettisten der Bayerischen Staatsoper, Professor Arnold, der auch an der Akademie der Tonkunst unterrichtete. Nach der Heimkehr aus dem Krieg trat Strasser ab 1945 in den Soldatenclubs der US-Army auf, wo sich seine Neigung zur Swingmusik ausprägte. Über die Freddy-Brocksieper-Band kam er 1949 zu Max Greger. Ähnlich wie Paul Kuhn kam Strasser in den letzten Jahrzehnten wieder stärker zurück zu seinen jazzigen Anfängen. Der agile Klarinettist und Bandleader plant bereits weitere Konzerte mit den Swinglegenden, bei denen allerdings Paul Kuhn, der in Zukunft wieder mit seiner eigenen Band tourt, von Bill Ramsey und den Kessler-Zwillingen ersetzt werden soll.
Bei der Verleihung der German Jazz Trophy 2008 am 28. Oktober an Hugo Strasser im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart wird der Klarinettist zusammen mit Solisten der SWR Big Band auftreten. Den Jazzpreis, eine Statue des Stuttgarter Bildhauers Otto Herbert Hajek, verleiht die Sparda-Bank Baden-Württemberg gemeinsam mit der Jazzzeitung (ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg) und der Kulturgesellschaft Musik + Wort e.V. Stuttgart. Information: www.german-jazz-trophy.de
Geistreiche Stimme aus Hamburg
Zum Tode des Kritikers und Publizisten Werner Burkhardt
Werner Burkhardt war einer der letzten Universalgelehrten unserer Zunft. Egal, wozu man seine Meinung einholte, ob zu Wagner oder Mick Jagger, Miles Davis oder Jack Kerouac, sein Urteil war fundiert und verlässlich, geistreich und vor allem unbestechlich. Unvergessen etwa seine Forderung – anlässlich eines durchlittenen Jazzabends – an die UNO, wo sie doch sonst so viel verbieten würde, wann sie denn endlich das Schlagzeugsolo untersage. Und natürlich viele andere großartige Besprechungen und Porträts, die der 1928 in Hamburg geborene Humanist und Menschenfreund in der „Welt“, vor allem der „Süddeutschen Zeitung“, im Hörfunk und als Buchautor verfasste. Werner Burkhardt war ein humorvoller und zugleich ernsthafter Autor, studierter Anglist und Germanist, überzeugter Ästhet und Kunstfreund, ein famoser Übersetzer und einer meiner Kollegen, der sich auf jedes Konzert noch einzeln vorbereitete und im Anschluss daran an Formulierungen feilte, bis sie das Optimum seiner Vorstellung erreicht hatten. Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, ihn anlässlich mehrerer gemeinsamer Termine persönlich kennen zu lernen und war tief beeindruckt von der Mischung aus Kompetenz, Seriosität und Herzlichkeit, mit der er Menschen um ihn herum begegnete. Ende August wurde Werner Burkhardt tot in seiner Wohnung in Hamburg aufgefunden. Einer der Großen hat seinen Hut genommen. Ralf Dombrowski
Kulturaustausch – jazzig
Der renommierte Jazzpublizist Bert Noglik erhielt am 10. September 2008 im Polnischen Institut Leipzig aus den Händen des polnischen Generalkonsuls Zbigniew Zareba eine der höchsten polnischen Auszeichnungen, nämlich das Silberne Verdienstkreuz der Republik Polen. Dass mit Pawel Brodowski der Chefredakteur des Magazins „Jazz Forum“ (JF) die Laudatio sprach, kommt nicht von ungefähr. Schließlich war Noglik von 1976 bis 1979 der erste deutsche Korrespondent dieses einzigen im Osten zugänglichen und in Polen herausgegebenen Jazzmagazins internationalen Niveaus, dann 1980 und 1981 (also bis zur Verhängung des Kriegsrechtes) vor Ort in Warschau sogar der Redakteur der deutschen JF-Ausgabe – übrigens mit einem Touristenvisum.
Damit hatte Bert Noglik erheblichen Anteil daran, dass Brücken sowohl zwischen Jazzern und Jazzinteressenten beider deutscher Staaten als auch zwischen polnischen und deutschen Jazzkreisen gebaut wurden.