Stuttgarts Musikpublikum kam die Auszeichnung zu, seinem „Hauskomponisten“ Helmut Lachenmann die Konzerte zum Siebzigsten auszurichten. Gefeiert wurde der Komponist schon das ganze Jahr 2005 an vielen Orten des europäischen Musiklebens, aber das präzise Geburtsdatum, der 27. November, war für die Heimatstadt reserviert. Unter den mitwirkenden Gratulanten befand sich auch das Arditti Quartet. Als die Musiker um Irvine Arditti das dritte Streichquartett Lachenmanns beendet hatten, erhob sich im Theaterhaus so etwas wie ein Jubelsturm für die Spieler und für den Komponisten. Nur einer stand ruhig, scheinbar in sich gekehrt auf dem Podium: Rohan de Saram, der Cellist des Quartetts, der mit diesem Auftritt sein letztes Konzert mit den Ardittis absolvierte. Über ein Vierteljahrhundert gehörte der 1939 in Sheffield als Sohn einer Familie aus Sri Lanka geborene Rohan de Saram dem Arditti Quartet an. Nur Gründervater Irvine ist noch fünf Jahre länger bei der 1974 gebildeten Quartettvereinigung. Alle Werke aufzuzählen, die im Laufe der drei Jahrzehnte seither von den Ardittis, also auch von Rohan de Saram, ur- und erstaufgeführt worden sind, würde eine unendlich lange Leporelloliste füllen. „Es gibt kein Streichquartett, das den Ardittis das Wasser reichen kann“ – das sagte einmal kein Geringerer als John Cage. Das Arditti Quartet war lange Zeit hindurch die oberste Instanz in der Avantgardemusik; heute gibt es freilich noch einige andere Instanzen dieser Qualität, zum Glück für die Neue Musik. Rohan de Saram wirkte all die Jahre neben dem sanguinisch determinierten Irvine Arditti und wechselnden Nebensitzern als ruhige Autorität.
Noch im leisesten Piano vernahm man im instrumentalen Vierergespräch seinen intensiven Ton. Sein Musiziergestus zeichnet eine fast unglaubliche Plastizität aus, technische Perfektion ist selbstverständlich. Wichtig ist auch die Energie, die von jedem gespielten Ton in das Klangbild eines Werkes abstrahlt. György Kurtág, der sehr genau zwischen Energie und Kraftentfaltung unterscheidet, führte einmal ei-ne fast filmreife Nummer mit Rohan de Saram auf: Bei den Proben zu einem Zweieinhalb-Minuten-Stück für Streichquartett, geschrieben von Kurtág für den Verleger Alfred Schlee zu dessen neunzigstem Geburtstag, beschäftigten sich Komponist und Cellist fast ein halbe Stunde lang mit einem einzigen Pizzicato-Ton, bis dieser hinreichend „Energie“ besaß. Dieses Eingehen auf den Sinn eines Werkes, eines jeden einzelnen Tons, war stets das Kennzeichen für die Qualität des Arditti Quartets, damit auch für Rohan de Saram gewesen.
Er wird sich jetzt aber nicht zur Ruhe setzen. Rohan de Saram will mit anderen Künstlern, Freunden und Komponisten Musik aus allen Epochen und vielen Teilen der Welt zusammenbringen: zeitgenössische, kom-ponierte, improvisierte Musik. Schon immer hat er sich neben dem Quartettspiel für Grenzerweiterungen engagiert. Das Neuland ist also kein gar so neues mehr – aber spannend dürfte es werden.