Es war ein letzter großer Traum: 2010 konnte Christoph Schlingensief noch den Grundstein für sein Operndorf in Afrika legen. Einige Monate später starb der innovative Berliner Theater- und Filmemacher mit 49 Jahren an Lungenkrebs.
Die Berliner Akademie der Künste zeichnet den gebürtigen Oberhausener am Dienstag (20.10.) posthum mit dem renommierten Konrad-Wolf-Preis aus. Die Dotierung von 5000 Euro geht an sein Operndorf im westafrikanischen Burkina Faso, das inzwischen 250 Kindern aus der Gegend eine schulische und künstlerische Ausbildung bietet.
„Christoph hat sich über jeden Preis gefreut, weil es eine Bestätigung für seine Arbeit war“, sagt die Witwe Aino Laberenz in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem freue sie sich, dass der Preis gerade seine filmische Arbeit würdige. „Und mir gibt es die Zuversicht und das Vertrauen, dass ich und mein Team auf einem guten Weg sind und dranbleiben müssen.“
Die 34-jährige Kostümbildnerin führt das Projekt seit dem Tod ihres Mannes mit viel Elan und Wagemut weiter. 2011 wurde in der Nähe der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou die Schule eingeweiht; die ersten 50 Kinder konnten ihre Klasse beziehen. Neben dem normalen Lehrplan gibt es viele Angebote, sich kreativ mit Film, Musik und Kunst auseinanderzusetzen.
In einem zweiten Schritt eröffnete die von Laberenz geführte gemeinnützige Festspielhaus Afrika GmbH im vergangenen Jahr dort eine Kranken- und Zahnstation. Sie bietet rund 5000 Menschen aus den umliegenden Orten erste Hilfe, bis zu 20 Kinder im Monat sollen hier betreut auf die Welt kommen. „Wenn ein neugeborenes Baby schreit, ist das wahre Opernmusik“, hatte Schlingensief einmal gesagt.
Das gesamte Projekt funktioniert nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Sowohl der Bau wie auch der Betrieb laufen mit Menschen aus der bitterarmen Region. Maurer, Schweißer und Dachdecker werden bei der Arbeit ausgebildet.
Der preisgekrönte Architekt Francis Kéré, Sohn eines burkinischen Häuptlings, setzt in der Anlage ein selbstentwickeltes Kühlsystem um: Durch ein Doppeldach mit Kamineffekt bleibt es selbst bei Temperaturen von 40 Grad innen angenehme 25 Grad kühl.
Die angespannte Zeit während des Putsches einer Elitetruppe in der Hauptstadt vor einigen Wochen hat das Dorf nach Angaben von Laberenz unbeschadet überstanden. „Natürlich macht man sich Sorgen um die Menschen“, sagt sie. „Aber es zeichnet so ein Land auch aus, wenn es einen Staatsstreich auf friedliche Art beilegen kann.“
Das Preisgeld kann ihre Stiftung gut gebrauchen. „Je länger Christoph nicht mehr da ist, umso schwerer wird es, stabile Spender zu finden“, sagt Laberenz. Wie von der Jury vorgeschlagen, sollen die 5000 Euro helfen, den Kindern und Jugendlichen Freude am Filmemachen zu vermitteln.
Die Preisrichter wollen mit der Vorgabe an den Namensgeber Konrad Wolf (1925-1982) erinnern, der ein wichtiger politischer Filmregisseur war und lange an der Spitze der DDR-Akademie der Künste stand. Den Preisträger Schlingensief würdigen die Juroren als „Filmkünstler“. Er habe sich seinen autobiografischen Eigensinn und seine politische Unabhängigkeit nie austreiben lassen.