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Richard Wiedamann bei der Eröffnung der Bayerisch-Böhmischen  Jazzbegegnungen 2001 zum 10-jährigen Bestehen des Bayerischen  Jazzinstituts im Leeren Beutel Regensburg (Foto: Scheiner)
Richard Wiedamann bei der Eröffnung der Bayerisch-Böhmischen Jazzbegegnungen 2001 zum 10-jährigen Bestehen des Bayerischen Jazzinstituts im Leeren Beutel Regensburg (Foto: Scheiner)
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Regensburger Jazzpapst - Zum Tod von Richard Wiedamann

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Am Morgen des Dreikönigstags ist der Regensburger Jazzmentor Richard Wiedamann im Alter von 78 Jahren gestorben. Sein Name ist untrennbar mit dem Bayerischen Jazzweekend in Regensburg, dem Bayerischen Jazzinstitut, dem Landesjugendjazzorchester Bayern sowie der Städtischen Musikschule Regensburg verbunden, deren Leiter er viele Jahre war. Michael Scheiner erinnert an den "Vater des Jazz in Regensburg".

"Jazz-Papst“, „Vater des Jazz in Regensburg“, „graue Eminenz“ der Regensburger Kulturpolitik. Derlei Zuschreibungen liebte er überhaupt nicht, auch wenn er sich insgeheim ein wenig geschmeichelt fühlte. Den „Jazz-Papst“ konnte er schon deshalb unmöglich gutheißen, weil das christliche Oberhaupt nicht gewählt und demokratisch legitimiert war. Richard Wiedamann liebte den Jazz und er war ein leidenschaftlicher Verfechter der Demokratie. Einer bürgerschaftlichen Demokratie, wie sie gerade in der heutigen Zeit wieder verstärkt diskutiert und eingefordert wird. Die beiden, durchaus in unterschiedlichen Sphären angesiedelten Elemente, Jazz und Demokratie, gehörten für den Regensburger Pianisten, Kulturbeweger, Festival-Intendanten, Musiklobbyisten und -pädagogen, Bandleader und ehrenamtlichen Leiter des Bayerischen Jazzinstituts zusammen. In seinem Denken bildeten sie praktisch fast eine Einheit, gelegentlich verwendete er sie synonym.

Das hat mit seinem Alter und der Zeit zu tun, in die er hinein gesetzt wurde. Richard Wiedamann ist an Dreikönig mit 78 Jahren gestorben. Kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten geboren, waren für ihn Kriegsende und Einmarsch der Amerikaner immer gleichbedeutend mit Befreiung, Beginn der Demokratie und verheißener Import der bei Nazis verhassten und verbotenen Jazzmusik. Auch wenn Wiedamanns Initiation zum weltumspannenden Jazz erst nach Kriegsende, Anfang der 50er Jahre mit einer Eintrittskarte zu einem Louis-Armstrong-Konzert erfolgte, dachte er der den von „Amis“ mitgebrachten Jazz und die Demokratie als feste Einheit. Die musikalisch-künstlerische Entwicklung der 50er und 60er Jahre – die in den Staaten bereits in den 40ern eingesetzt hatte – mit Bebop und Freejazz bestärkte ihn in seiner Haltung. Jede Band eine kleine demokratische Einheit.

Jeder Bandleader ist nur legitimiert über eine ausgesprochene oder unausgesprochene Verabredung gleichberechtigter Bandmitglieder. Jede (Jam-)Session eine demokratische Abstimmung. Wiedamanns Haltung war nie nur eine theoretische. Zeitlebens mischte er sich ein, stellte unbequeme Fragen, bohrte nach. Oft mit verzweifelt-süffisantem Lachen, wenn wieder einmal irgendwelche Entscheidungen von „oben“ scheinbar jeglicher Vernunft widersprachen und demokratische Kontrolle nicht in Sicht war. Wenige Wochen vor seinem unerwarteten Tod erhielt er, nach Jahrzehnten unermüdlicher Kulturarbeit in und für Regensburg, im November 2010 den Kulturpreis der Stadt. Er nutzte den Anlass, um in einer Videobotschaft auf das Versagen „seiner“ Stadtkulturpolitik hinzuweisen, welche keinen Kulturförderpreis vergeben hat. Dabei zitierte er, mit seinem vertrauten verschmitzten Lächeln in Augen und Mundwinkel, Wilhelm Busch: „Wenn man es nur versucht, so geht's. Das heißt mitunter, doch nicht stets.“ Überhaupt zitierte er gern, um menschliche Werte und demokratische Standpunkte zu untermauern.

Auf der Homepage des Instituts, einer wichtigen Anlaufstelle und Vertretung für den Jazz in Bayern, gibt es eigens einen Link. Bayerisches Jazzinstitut, das Bayerische Jazz-Weekend, welches im Sommer zum 30. Mal stattfinden wird, das Landes-Jugendjazzorchester Bayern und die Landesarbeitsgemeinschaft Jazz in Bayern, der eigene Jazzkeller Rabozil, diverse Formationen seiner „Rabo Swing Maschin“, die Konzertreihe „Jazz in der Galerie“ beim Museum der Stadt Regensburg – alles In-die-Welt-Setzungen, die auf den langjährigen Leiter der städtischen Sing- und Musikschule Regensburg zurückgehen und ohne die das Kulturleben von Regensburg ärmer, ungleich viel ärmer dastünde. Am Haus in der Regensburger Brückstrasse, in dem das Bayerische Jazzinstitut seinen Sitz hat, ist ein Zitat Franz von Assisis zu lesen: „Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden“. Richard Wiedamann hat viele Lichter angezündet.

Info und Kondolenzbuch: www.bayernjazz.de, www.ratisbömbchen.de, www.richard-wiedamann.de

 

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