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Renft - die lebendige Legende: Gründer der ostdeutschen Kultband wäre am 30. Juni 70 Jahre alt geworden

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Berlin - Wenn es im Himmel eine All-Star-Rockband gibt, dann steht dort mit Sicherheit auch ein bärtiges deutsches Urviech auf der Bühne: Klaus Jentzsch alias Klaus Renft. Wie kaum ein anderer hat er im Osten Deutschlands die Jugendmusik der frühen 1970er Jahre geprägt. Niemand stand wie er symbolisch so für die Wirkungsmacht von Musik, wenn es um die Sehnsüchte und damit die Freiheit eines jeden einzelnen in der DDR ging. Am 30. Juni wäre der Künstler 70 Jahre alt geworden.

 

Um seine Person spinnt sich längst ein Mythos. Dafür ist die Musik von ihm und seinen Kollegen lebendig wie eh und je. Allein der Song "Wer die Rose ehrt" ist nationales Lied-Erbe, das auch jüngere Generationen berührt.

"Die Lieder sind ein Schatz, den die Leute lieben", sagt Gisbert "Pitti" Piatkowski. Der 59-Jährige ist seit 2007 dabei. Er kam für den kurz zuvor verunglückten Heinz Prüfer (seit 1992 dabei). "Wir pflegen die Lieder, haben sie aber auch verändert - gespielt wird jetzt in Viererbesetzung." Die Musik sei etwas härter geworden. Am Material aber hätte die Band nichts verändert, was die Zuschauer dankten. Noch immer gebe es sogar einen harten Kern, der der Band nachreise. Er selbst sei als "Neuer" schnell von den Zuhörern akzeptiert worden, wohl auch, weil er vorher bei Ost-Bands wie den Klosterbrüdern, NO 55, City oder den Gitarreros spielte.

Zum Mythos von Renft und seinem Begründer lebt seiner Ansicht an allererster Stelle dadurch, dass Renft rebelliert, dem System mit seinen SED-Oberen die Stirn geboten habe. "Das hat sich in dieser Form und Stärke keine Band gewagt, so kontra gegen den Staat zu sein." Bis zum Spielverbot 1975. Danach war die Band zerfallen.

Renft-Musiker bereitet Biografie vor
Zu denen, die mit Klaus Renft, Christian "Kuno" Kunert und Texter Gerulf Pannach in den Westen gingen, gehörte auch Thomas "Monster" Schoppe. Heute hat er sich einen Roten Faden gelegt, um seine Erlebnisse seit 1970 bei der Klaus Renft Combo in einer Biografie niederzuschreiben. Während der jetzige Renft-Schlagzeuger Delle Kriese in Weimar wohnt, hat "Monster" seinen Lebenmittelpunkt im thüringischen Zeulenroda. In Berlin halten "Pitti" und Marcus "Basskran" Schloussen die Stellung.

Schoppe kennt die Ur-Band aus der Innensicht und erdet die Legende. "Mein Verhältnis zu Klaus war immer strittig", erinnert er sich. Von einem "Schlitzohr" ist die Rede, auch von "Personenkult", der damals um sich gegriffen habe. Zwar habe der Bandchef jedem in der als "Kollektiv" bezeichneten Gruppe eine gewisse künstlerische Freiheit zugestanden, aber nur begrenzt. "Das machte einen auf Churchill und regierte nach dem Prinzip ,Teile und herrsche'." Auch hätten sich innerhalb von der bald Renft genannten Band Fraktionen gebildet.

Andererseits empfand es Schoppe nach eigenen Aussagen als "Traum" plötzlich zu Studioaufnahmen eingeladen zu werden - Anfang der 70er, als in der DDR Tauwetter herrschte und die Führung sich für die Weltfestspiele 1973 international geben wollte. Für einen wie ihn, der nebenher in Leipzig als Feinmechaniker arbeiten musste, sei es "ein tolles Gefühl gewesen", nach dem Erfolg von "Wer die Rose ehrt" prominent zu sein. Die Jugend des Landes hätte sich von den Liedern angesprochen gefühlt.

Plötzlich hieß es samstagabends auf den Tanzsälen der kleinen Republik "Biste Puhdys- oder Renft-Fan?" Die Band zelebrierte eine Anarchisten-Haltung, das kam an. "Gleichzeitig haben wir alle Privilegien mitgenommen. Wir sind nicht von Anfang an die Helden gewesen", räumt Schoppe ein.

"Aber als es ans 3. und 4. Album ging, kam eine politische Haltung hinzu", sagt Schoppe, der seit 1974 als musikalischer Leiter fungierte. Sensibilisiert durch Besuche bei Liedermacher Wolf Biermann zog ein Riss durch die Band - die einen glaubten weiter an den Sozialismus, die anderen wurden Opposition. Da Staat schlug der Staat zu.

"Monster": Aufbegehren gegen DDR war Dummheit
Dass er und andere von Renft dem Staat plötzlich die Stirn boten, erklärt Schoppe 2012 mit "Abenteuerlust". Ein weiterer Grund sei gewesen: "Wir wussten musikalisch nicht mehr so richtig weiter." Das habe sich auch bei Gesprächen mit Funktionären gezeigt, die zum Teil auf ihrer Seite gewesen wären. "Selbst FDJler und Stasi-Leute sagten: ihr seid richtig hier." Im Nachhinein betrachtet sei das Aufbegehren "Dummheit" gewesen. "Man setzt so viele Jahre nicht einfach aufs Spiel. Welches System lässt sich das bieten? Auch der Westen würde das nicht tun."

Letztlich erwies sich die Wende für die Renft-Leute im Westen als Segen. Sie hatten in West-Berlin nie an ihre Erfolge anknüpfen können. Nach einer Re-Union gingen die alten Kollegen aber wieder getrennte Wege, Bands mit verschiedenen Renft-Namen tourten. Als weitere Enttäuschung entpuppte sich die langjährige IM-Tätigkeit von Peter "Cäsar" Gläser, der in der DDR (mit Karussell) weiter erfolgreich war. Er starb 2008. Klaus "Jenni" Renft war 2006 für immer gegangen, Pannach 1998, Peter "Pjotr" Kschentz 2005.

Trotz aller Irrtümer: Schoppe ist stolz, die Legende bewahren zu dürfen. Zum Beispiel in Gestalt einer CD, die seit 2010 die Lieder ins Heute holt. Und Piatkowski hat folgende Beobachtungen zu neuen Fans gemacht: "Die jüngeren Leute bekommen das durch ihre Eltern vermittelt." Weil die Songs "mit einer ungeheuren Wucht" daherkämen, hätten jüngst selbst West-Berliner-Schüler seiner Musikschule an der er lehrt bei einem Auftritt auf dem Alexanderplatz befunden, das ginge richtig ab. Bis dahin kannten sie Renft gar nicht.

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