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Klaus Huber (2013). Foto: Hufner

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Revolutionärer Ohrenputzer – Zum Tod von Klaus Huber

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In den letzten Jahren ist es still um ihn geworden, und doch war er immer da, der Schweizer Komponist Klaus Huber, der jetzt im Alter von 92 Jahren in Perugia gestorben ist. Die zukunftsweisende Schönheit seiner sensiblen Musik ist ebenso da wie seine kompromisslose Haltung einer „Ästhetik des Widerstands“ (auf den Romantitel von Peter Weiss hat er sich immer wieder bezogen). Für sein Lebenswerk hat er 2009 den höchsten deutschen Kunstpreis erhalten, den mit 200.000 € dotierten Ernst von Siemens Preis. „Ich versuche“, hat er einst gesagt, „in der Musik, die ich mache, das Bewusstsein meiner Zeitgenossen, die wie wir alle zu schlafenden Komplizen weltweiter Ausbeutung geworden sind, hier und jetzt zu erreichen, zu wecken“.

Huber ist 1924 in der Schweiz geboren, hat in Zürich Kirchenmusik und Geige studiert und prägte als einflussreicher Professor für Komposition seit 1973 in Freiburg und als Leiter des von ihm gegründeten Instituts für zeitgenössische Musik nicht nur das Können, sondern vor allem auch das Bewusstsein von mindestens zwei Generationen von StudentInnen: Reinhard Febel, Brian Ferneyhough, Younghi Pagh Paan, Wolfgang Rihm oder Kaija Saariaho und viele andere gehören zu ihnen. Die Technik und die Entwicklung des kompositorischen Handwerks wurde bei ihm strengstens an der politischen und moralischen Haltung gemessen, sein Vorbild war in dieser Hinsicht der italienische Komponist Luigi Nono. Seine Musik als „Bekenntnismusik“ zu bezeichnen, dagegen hatte er nichts, „sofern man bereit ist, darunter nichts Subjektivistisches zu verstehn“.

Hubers musikalisches Denken operiert mit dreierlei „Materialien“: Es nimmt vielfältig auf historische Musik Bezug – wie in den „Lamentationes Sacrae et Profanae ad Responsoria Jesualdi“, in denen er sich auf den großen Karwochenzyklus des Renaissance-Komponisten Carlo Gesualdo bezieht. Mittelalterliche Schriften inspirieren ihn in gleicher Weise wie zeitgenössische Texte. Huber bezieht sich auf die Bibel ebenso selbstverständlich wie auf die Schriften des nicaraguanischen Revolutionärs Ernesto Cardenal, er orientiert sich am Werk der Sozialistin und Mystikerin Simone Weil oder, wie in seinem Streichtrio „Des Dichters Pflug“ an der archetypischen Bilderwelt des russischen Dichters Ossip Mandelstam, über den er auch seine Oper „Schwarzerde“ (2001) schreibt.

In der jüngsten Vergangenheit sucht er immer mehr nach Verinnerlichung und Differenzierungen der Klanglichkeit – darin nicht unähnlich dem Spätwerk seines Freundes Nono. Beispielhaft dafür ist die „lentissimo“ und „pianissimo“-Einleitung von „Umkehr – im Licht sein“ aus dem Jahr 1997. Dieses programmatische Bestreben hat Huber kontinuierlich weitergetrieben und dabei immer mehr musikalische Konventionen hinter sich gelassen. Seit dem Golfkrieg („Da ging’s bis zu den kleinsten Blättern“, erinnert er sich, „der Oberteufel auf der Welt ist der Islam. Das konnte ich so nicht sitzen lassen. Da bin ich dem nachgegangen“), setzte er sich mit außereuropäischen Tonsystemen auseinander und durch sie mit Mikrotonalität und Dritteltönigkeit. Im Streichquintett „Ecce Homines“ hat Huber eine schwebende Dritteltönigkeit mit der arabischen Dreivierteltönigkeit konfrontiert.

Huber bekämpft, indem er uns derartig „die Ohren putzt“, wie er sagte, den europäischen Kulturimperialismus ebenso wie alle Erscheinungen einer so genannten Weltmusik. Denn es geht ihm „die Interaktion der so reichen wie verschiedenartigen Musikkulturen unseres Planeten, so lange es diesen noch gibt...“ Das Oratorium „Erniedrigt – Geknechtet – Verlassen – Verachtet“ ist in diesem Sinne sein Hauptwerk der achtziger Jahre. „Steht alle auf, auch die Toten“ schreibt er über den vierten Satz. Dass sein hohes künstlerisches Ethos der überragenden Qualität seiner Werke entspricht, macht ihn zu den Großen seiner Generation.

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