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Regie-Altmeister Robert Almann (77) wurde mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Sein jüngster Streifen "Gosford Park", der schon im vergangenen Dezember in den US-Kinos angelaufen ist, wurde von der Kritik hymnisch gefeiert.
Berlin (ddp). Der Regie-Altmeister hat sein Handwerk nicht verlernt. Auch mit bald 77 Jahren dreht Robert Altman Filme voller Witz und Sarkasmus, die ihresgleichen suchen. Sein jüngster Streifen "Gosford Park", der schon im vergangenen Dezember in den US-Kinos angelaufen ist, wurde von der Kritik hymnisch gefeiert. Die Berlinale-Jury hätte keinen besseren Zeitpunkt finden können, um dieses Urgestein des amerikanischen Independent-Kinos mit dem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk auszuzeichnen. Die Verleihung findet am späten Sonntagabend in Berlin statt.Altman war immer ein gern gesehener Gast in Berlin. 1976 bekam er für "Buffallo Bill and the Indians, or Sitting Bull\'s History Lesson" einen Goldenen Bären, zuletzt überzeugte er 1999 im Wettbewerb mit seiner Komödie "Cookie\'s Fortune" (Preis der Gilde der deutschen Arthouse-Kinos). Wie kein zweiter hat es der Südstaatler verstanden, den amerikanischen Traum mit einem feinen, schwarzen Humor zu dekonstruieren. Und auch die detailgenauen Milieuzeichnungen, wie sie ihm meisterhaft in "Short Cuts" oder "Nashville" gelingen, sind ohne Beispiel.
Nun hat Altman eine opulente, in der britischen Adelsschicht der 30er Jahre angesiedelte Mischung aus Sittengemälde und Krimi nach dem Vorbild von Agatha Christie geschaffen. Dort perfektioniert Altman seinen altbekannten Erzählstil, verwebt virtuos die Handlungsstränge einer Vielzahl von Akteuren ineinander, und strickt aus ihnen, so ganz nebenbei, einen spannenden "Who-dunnit"-Plot.
Doch auch wem die eine oder andere familiäre und auch sonstige Verwicklung des 36-köpfigen Ensembles entgehen sollte, wird er entschädigt durch die vielen kleinen, köstlichen Nebenhandlungen. Altman macht sich ein Riesenspaß aus den Ritualen der britischen Noblesse und enttarnt die Maskeraden der großen und kleinen Snobs. Die Zuschauer werden in eine Zeit entführt, in der das Leben klar in oben und unten eingeteilt ist. Oben, da wohnen im Landhaus Gosford Park die reichen Verwandten und Gäste des kauzigen Sir William Cordle. Mit dem Untergeschoss müssen die Diener dieser feinen Damen und Herren Vorlieb nehmen, die Lakaien der Gäste bilden dabei das absolute Schlusslicht in der Hierarchie. Der Mord am obersten Hausherrn bringt die Verhältnisse zum Tanzen, die (Lebens-)Lügengebäude der handelnden Personen fallen Stein für Stein auseinander.
Die Kritik in den USA war hingerissen. "\'Gosford Park\' ist wie ein Stück einer zwölfschichtigen englischen Torte, die einem im Mund zergeht" jubelte die "New York Times" über den Film, und der "Daily Variety" befand: "Altmans bester Film seit \'The Player\'". Vor allem das großartige Ensemble, das Altman für seinen Film gewinnen konnte, bürgt für einen zweieinhalbstündigen Filmgenuss. Es sind die Frauenrollen, die in dieser Adels-Farce glänzen: Helen Mirren als strenge Oberdienerin, Maggie Smith als herrlich ätzende Countess of Trentham, Kristin Scott Thomas ("Der englische Patient") als wunderbar snobistische Lady McCordle und Emily Watson ("Breaking the Waves") als bitter-ironisches Hausmädchen. Es war wohl nur für den Altmeister selbst eine große Überraschung, als er im Januar mit dem Golden Globe als bester Regisseur ausgezeichnet wurde und sich so zumindest zum erweiterten Favoritenkreis bei den kommenden Oscar-Nominierungen zählen darf.
Martin Groll