Berlin - Die Tanzregisseurin Sasha Waltz hat offen gelassen, ob sie wie angekündigt die Spitze des Staatsballetts Berlin verlässt. «Ich erlaube mir, mir diese Zeit zu nehmen», sagte Waltz am Montag vor Journalisten. Die Bedenkzeit sei sie den Tänzerinnen und Tänzern schuldig.
Von der Entscheidung ihres Co-Intendanten Johannes Öhman, das Staatsballett zum Jahresende zu verlassen, sei sie «überrumpelt» worden. Die beiden Co-Intendanten hatten am vergangenen Mittwoch nach nur wenigen Monaten an der Spitze des Staatsballetts erklärt, dass sie die gemeinsame Leitung zum Jahresende 2020 aufgeben. Sie hatten diese erst seit August 2019 gemeinsam inne. Ursprünglich sollten sie bis zum Ende der Saison 2024/25 bleiben.
Öhman kehrt nach Stockholm zurück, wo er schon im März das Ballett-Theater Dansens Hus übernimmt. Er begründete seinen Weggang, mit beruflichen und persönlichen Gründen. «Man hat mir vor Weihnachten ein sehr schönes Job-Angebot gemacht», das er nicht abschlagen wollte. Auch private Gründe spielten eine Rolle.
Waltz sagte, sie wolle nun überlegen, in welcher personellen Konstellation sie beim Staatsballett bleiben könne. Danach wolle sie einen Vorschlag vorlegen. Ihr als Vertreterin des modernen Tanzes müsste jemand mit «klassischer Expertise» zur Seite stehen. Sie könne sie aber nicht vorstellen, dass so jemand jetzt «aus dem Hut gezaubert» werde.
Die Tanzregisseurin, die auch ihre Kompanie «Sasha Waltz & Guests» leitet, sagte dazu, sie und Öhman hätten eine «einheitliche künstlerische Vision» für das Staatsballett. Die kommende Saison sei bereits geplant und werde auch in dieser Form stattfinden.
Pressemeldung des Staatsballetts Berlin:
STATEMENTS VON JOHANNES ÖHMAN UND SASHA WALTZ ZUR BEENDIGUNG DER INTENDANZ AM STAATSBALLETT BERLIN
Johannes Öhman und Sasha Waltz gaben heute am Vormittag bekannt:
»Vor Weihnachten wurde mir die Stelle als künstlerischer und geschäftsführender Direktor im »Haus des Tanzes« in Stockholm angeboten. Nachdem ich sowohl die Verantwortung meiner Arbeit gegenüber als auch die Verantwortung, die sich aus meiner privaten Situation ergibt, sorgfältig abgewogen habe, habe ich mich entschieden, das Angebot aus Schweden anzunehmen. Diese Entscheidung habe ich allein getroffen, ohne dass jemand anderes daran beteiligt war.
Seit 2016 sind Sasha und ich ein eingespieltes Team, und wir sind sehr stolz auf das, was das Staatsballett erreicht hat. Bis Januar 2021 werde ich noch immer im Amt sein, und wir beide freuen uns sehr auf die bevorstehenden Premieren und die zukünftigen Kooperationen.
Nachdem wir das Ensemble über die Entwicklungen informiert haben, gab es zwei Treffen mit dem Ensemble und den Mitarbeiter*innen – eines mit Senator Dr. Lederer und eines ohne ihn –, um alle Bedenken zu hören und alle Fragen innerhalb des Kompanie zu beantworten. Der nun folgende Prozess hat gerade erst begonnen, aber wir haben den Grundstein für ein konstruktives und transparentes Verfahren gelegt, um das Wohlergehen und die künstlerische Zukunft des Staatsballetts zu sichern.« Johannes Öhman
»Das Konzept eines breit aufgestellten Programms zwischen Klassik und Moderne wird in unseren zwei ersten Spielzeiten schon deutlich. Wir sehen ein begeistertes Publikum und ein motiviertes, exzellentes Ensemble. Wir haben eine Transformation eingeleitet, die beginnt Früchte zu tragen. Ja, unsere Ernennung in 2016 war umstritten. Jedoch waren die Auslastungszahlen des letzten Jahres überdurchschnittlich gut. Es zeigt, dass unser Modell durchaus zukunftsweisend ist. Klassische und zeitgenössische Tänzer werden weiterhin fest am Staatsballett arbeiten. Die kommende Spielzeit 20/21 ist fest geplant und wird am 4. März von Johannes Öhman und mir der Öffentlichkeit präsentiert.
Unsere gemeinsame Intendanz wird beendet, da einer der Partner sich unabhängig entschieden hat auszusteigen. Der Abschied von Johannes Öhman kam sehr kurzfristig und unerwartet. Ich bedauere die Entscheidung. Ich sehe nicht, dass unter diesen neuen Bedingungen eine alleinige Intendanz meinerseits sinnvoll wäre.
2016 erklärte ich mich bereit eine Leitungsrolle zu übernehmen, aber nur mit einem Partner, der das klassische Erbe vertritt und ich weiterhin künstlerisch als Choreographin tätig sein kann. Aus Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft des Balletts und die Bedürfnisse dieser komplexen Struktur stelle ich mein Amt zur Verfügung.
Ich habe mich von den Ereignissen überrumpelt gefühlt und konnte keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Auflösung unserer Intendanz mehr nehmen. Die Ereignisse haben sich überschlagen. In meiner Verantwortung gegenüber dem Staatsballett, werde ich in Ruhe und ohne Zeitdruck eine Entscheidung über das Ende meiner Amtszeit fällen.« Sasha Waltz