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Medienkünstler Peter Weibel ist tot. Foto: Hufner
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Sein Feind war der Stillstand: Medienkünstler Peter Weibel ist tot

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Karlsruhe - Ruhestand? Stillstand? Diese Worte kannte Peter Weibel nicht. Wo er hinkam, wo er wirkte, war Action, Staunen und jede Menge Spaß an Kunst. Nun ist der langjährige Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien gestorben.

Er war ein Provokateur und hochproduktiver Macher und hat aus einer ehemaligen Waffenschmiede eine internationale Medienkunst-Attraktion gemacht: Fast ein Vierteljahrhundert leitete Peter Weibel das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Nun starb Weibel, selbst ein bedeutender Medienkünstler und Theoretiker, am Mittwoch im Alter von 78 Jahren in Karlsruhe - kurz vor seinem Abschied als ZKM-Chef und nur vier Tage vor seinem Geburtstag. Am Sonntag wäre er 79 Jahre geworden.

Der in der Ukraine in Odessa geborene Österreicher hatte stets Furore gemacht: Als Kurator mit spektakulären Ausstellungen, als Künstler mit krassen Performance-Aktionen, sogar als Musiker. Schon sein Studium gestaltete sich kunterbunt - erst studierte er Französisch und französische Literatur in Paris, ab 1964 dann Medizin in Wien und schließlich Mathematik. Eine Dissertation schrieb er zwar, beendete sie jedoch nicht.

Rasch machte sich Weibel zunächst in der österreichischen Kunstszene einen Namen als Konzept-, Video-, Performance- und Computerkünstler. Seine Aktionen waren legendär: 2004 montierte er einen riesigen Griff mitten auf eine Wiese in Graz und nannte die Arbeit «Der Globus als Koffer». Unter dem Motto «Ich bin die Leinwand» ließ er sich Pornofilme auf den nackten Körper projizieren.

Von seiner damaligen Partnerin, der Künstlerin Valie Export, ließ er sich Ende der 60er Jahre am Halsband durch die Straßen Wiens führen. Aus Protest gegen ein Urteil wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ließ er sich 1973 für mehrere Stunden seine Zunge in Beton einmauern. Beim Herausmeißeln blieb etwas hängen; seitdem fehlte ein Stückchen Zunge.

«Meine Haupteigenschaft ist die Geschwindigkeit», sagte er einmal. Und genau so sprach er auch: In halsbrecherischem Tempo ratterte er seine Ansichten zu Kunst und Welt herunter, dabei immer freundlich, immer präzise, immer voller Ideen und auf dem neuesten Stand.

Im Laufe seines Lebens lehrte er unter anderem in Wien, im kanadischen Halifax, in Kassel oder New York. Von 1989 bis 1994 leitete er das von ihm gegründete Institut für Neue Medien an der Städelschule Frankfurt am Main, war von 1993 bis 1999 Österreich-Kommissär der Biennale von Venedig und künstlerischer Leiter der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum in Graz. Von Januar 1999 bis Ende März 2023 leitete er das neuartige Medienkunstzentrum ZKM in Karlsruhe.

Dem ZKM - 1989 von der Stadt Karlsruhe und dem Land Baden-Württemberg gegründet und 1997 in einer riesigen ehemaligen Waffenfabrik offiziell eröffnet - verhalf der Cyber-Enthusiast zu großem Ansehen. Inzwischen zählt es zu den wichtigsten Museen weltweit und entwickelte sich unter Weibels Leitung zu einer Drehscheibe digitaler Kunst.

Nach Ansicht von Baden-Württembergs Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) war Weibel mit seinen brillanten Konzepten dem Heute oft voraus. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete ihn gar als modernes Universalgenie. «In seinem Wirken und Wirbeln hat Weibel das ZKM nicht nur an die Weltspitze der Museen geführt, sondern das Museum selbst zum Co-Produzenten von Kunst gemacht.»

Für seine Arbeit war Weibel vielfach geehrt worden. Über ein Dutzend Auszeichnungen nahm er in den letzten drei Jahrzehnten entgegen. Unter anderem bekam er den Käthe-Kollwitz-Preis, den Europäischen Kultur-Projektpreis und gleich zweimal den Prix Ars Electronica. Zudem wurde er mit dem Oskar-Kokoschka-Preis für sein künstlerisches Gesamtwerk, dem Österreichischen Kunstpreis 2017 und zuletzt dem Lovis-Corinth-Preis 2020 gewürdigt.

Einblick in sein breites Schaffensspektrum gab 2019 eine große Retrospektive im ZKM. Die «respektive Peter Weibel» stellte ihn anhand von rund 400 Werken als Aktions-, Video-, Sound- und Fotokünstler vor, aber auch als Theoretiker und Wissenschaftler. Die Schau wurde in diesem Jahr selbst in Südkorea gezeigt.

Ende März wäre sein Vertrag als ZKM-Chef ausgelaufen. Auf den bevorstehenden Abschied aus Karlsruhe hatte er mit Wehmut geblickt: «Das ZKM war ein Raumschiff mit unglaublicher Flughöhe.»

Von Stillstand mochte er auch im Ruhestand nichts wissen. Er wollte nach seinem Umzug nach Wien zu seiner Lebensgefährtin Susanne Widl weiter in virtuellen Welten schweben und eine Geschichte der Digitalisierung verfassen. Weibel war noch voller Tatendrang. Doch Alter und Gesundheit machten ihm in letzter Zeit zu schaffen. Vor einigen Wochen sagte er der Deutschen Presse-Agentur: «Es wird beschwerlicher. Es beginnt der Winter des Missvergnügens.»

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