Schnell sprach es sich am Sonntag, den 24. April 2022, herum: „Der Ostbahn-Kurti ist tot!“ Gestorben war zwar eigentlich Willi Resetarits, doch bei wenigen fielen Pseudonym, Kunstfigur und Rolle so sehr mit der Person zusammen wie bei ihm.
Dabei war der Kurti nicht einmal seine eigene Erfindung: Der umtriebige Wiener Radiomoderator und Autor Günter Brödl hatte den „Dr. Kurt Ostbahn“ schon Ende der Siebzigerjahre erfunden. Aus der Idee, für amerikanische Vorstadtmusiker wie Southside Johnny & the Asbury Jukes ein Wiener Pendant zu entwickeln, Ostbahn-Kurti & die Chefpartie eben, bastelte er mit fingierten Interviews, Zeitungsannoncen einem Theaterstück und später sogar mit Kriminalromanen eine komplette Biografie zusammen. 1983 fand Brödl dann die ideale reale Besetzung für seine Figur: Willi Resetarits.
Schon die Sozialisation passte: 1948 in Stinatz geboren, war Resetarits ein Burgenlandkroate, der erst nach dem Umzug nach Wien als kleiner Bub Deutsch lernte. Er wuchs in Favoriten auf, dem 10. Wiener Stadtbezirk, einem Kleine-Leute-Viertel wie Berlins Neukölln oder das Münchner Hasenbergl, allerdings von der Wiener Sozialdemokratie damals nicht alleingelassen. Alle drei Resetarits-Jungen schafften es von dort auf die Universität und wurden später zu einer österreichischen Institution: Willi als Musiker, sein ein Jahr älterer Bruder Lukas als Kabarettist und TV-Kommissar „Kottan“ und der zwölf Jahre jüngere Peter als preisgekrönter ORF-Journalist.
Seine ersten Sporen verdiente sich Willi Resetarits in den 1970ern als Mitglied der linken Politrockband Schmetterlinge. Der Durchbruch aber kam als Ostbahn-Kurti: Zunächst mit von Brödl ins Wienerische übertragenen Coverversionen internationaler Hits – aus „I Heard It Through The Grapevine“ etwa wurde „Wo hamma denn den Fahrschein?“ –, dann mit zunehmend mehr eigenen Songs und leicht abgedrehten Moderationen wurde er zur authentischen Stimme eines Wiener Lebensgefühls zwischen Blues, Wienerlied und Rock
Aber auch zwischen Sudern und Anpacken, denn Resetarits beließ es nicht beim Singen, er mischte sich praktisch in die Politik ein. Wurde wegen Aufrufs zur Wehrdienstverweigerung verurteilt, war Mitbegründer der Organisationen „Asyl in Not“ und „SOS Mitmensch“ sowie des „Integrationshauses Wien“.
Auch wenn Resetarits den Ostbahn-Kurti 2003 „in Pension schickte“, ganz los wurde er ihn nie, und er wollte das auch nicht. Gab dessen Nimbus doch auch seinen diversen neuen Bandprojekten vom Stubnblues bis zur Viererbande Anschub, mit denen er – ganz „Zirkuspferd, das auf die Bühne gehört“, wie er sagte – bis zuletzt unermüdlich unterwegs war. Großzügig lenkte er dabei das Licht auch auf seine Nachfolger, von Ernst Molden bis zum Nino aus Wien. Sein Publikum verabschiedete er gerne mit den Worten: „Seid’s vuasichtig und losst’s eich nix gfoin!“
Am besagten Sonntag war er selbst nicht vorsichtig genug. Der 73-Jährige kam zu Hause bei einem Sturz ums Leben. Was nichts am Diktum des Transparents ändert, das Fans schon 2005 an eine Brücke über dem Wiener Gürtel hängten: „Ostbahn lebt!“