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Soundtüftler, Ambient-Pionier, Musikgenie: Brian Eno wird 75. Foto: Hufner
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Soundtüftler, Ambient-Pionier, Musikgenie: Brian Eno wird 75

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London - Er zählt zu den einflussreichsten Musikern in den Genres der elektronischen und der Ambient-Musik. Seine kreative und experimentelle Herangehensweise machte ihn zu einem der gefragtesten Musikproduzenten. Und als ehemaliges Mitglied der Band Roxy Music wurde er in die «Rock And Roll Hall Of Fame» aufgenommen. Der Brite Brian Eno darf ohne Zweifel als Musiklegende bezeichnet werden. Am Montag (15.5.) wird das vielseitige Genie 75 Jahre alt.

Zurückblicken wird Eno an seinem Geburtstag wohl kaum. Als Künstler und Musikschaffender geht sein Blick in der Regel nur nach vorn. Was früher war, empfindet Eno fast schon als Ballast. «Wenn du etwas gemacht hast, was erfolgreich war, dann wollen die Leute, dass du immer und immer wieder dasselbe machst», sagte er vor kurzem im Interview von Apple Music. «Ich verstehe das, ich nehme das niemandem übel. Aber es ist im Prinzip eine Verankerung, die ich nicht gerade genieße.» Deshalb hat sich Brian Peter George Eno, der 1948 im englischen Suffolk geboren wurde, in seinem Leben und seiner Karriere als Musiker immer wieder neuen Projekten gewidmet - mit großem Erfolg.

Seine musikalische Karriere begann mit Anfang 20. 1971 trat Eno, der damals auffälliges Make-up, lange Haare und ausgefallene Mode trug, der neu gegründeten Art-Rock-Band Roxy Music bei, zunächst allerdings nicht als Musiker. Saxophonist Andy Mackay, den Eno von der Uni kannte, holte ihn an Bord, weil er mit Synthesizern umgehen konnte und eine Bandmaschine besaß. Schließlich wurde Eno, der bereits als Kind gelernt hatte, Gitarre und Klavier zu spielen, Keyboarder der Gruppe.

Dabei war er kurz davor gewesen, den Traum von einer Karriere als Berufsmusiker aufzugeben. Ein zufälliges Treffen mit Mackay in einer U-Bahnstation brachte die Wende. «Weil ich in die U-Bahnstation gegangen bin und Andy getroffen habe, wurde ich Mitglied bei Roxy Music», erinnerte sich Eno in dem Buch «The Ambient Century» von Mark Prendergast. «Das Ergebnis davon ist, dass ich eine Karriere im Musikgeschäft habe, die ich sonst nicht hätte. Ansonsten wäre ich jetzt wahrscheinlich Kunstlehrer.»

Eno prägte den Sound und Stil von Roxy Music maßgeblich. Doch schon nach dem zweiten Album «For Your Pleasure» verließ er die Band, um eine Solokarriere einzuschlagen. Er experimentierte mit elektronischer Musik, verwendete Synthesizer und Bandschleifen. Eine vollkommene Abkehr vom Roxy-Sound war sein 1974 veröffentlichtes Debütalbum «Here Come The Warm Jets» trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil: Mehrere von Enos ehemaligen Bandkollegen wirkten sogar aktiv an der innovativen Mischung aus Avantgarde-Pop und Glamrock mit.

Häufig war der Brite seiner Zeit voraus. Mit seinem dritten Studioalbum «Another Green World» bewegte sich Eno weg von der Rockmusik und hin zu eher minimalistischen, überwiegend instrumentalen Stücken - ein Vorgeschmack auf die Ambient-Musik, die damals noch in den Kinderschuhen steckte. Als einer der ersten Künstler schrieb er gezielt Hintergrundmusik. Zwar gilt Eno nicht als Erfinder, aber als Pionier und Namensgeber des Ambient-Genres.

Sein sechstes Album «Ambient 1: Music for Airports» von 1978, das geschrieben wurde, um eine entspannte Wirkung auf Flugpassagiere im Wartebereich zu haben, gilt als erstes echtes Ambient-Album. Eno veröffentlichte mehrere. «Ambient-Musik muss für viele Ebenen der Aufmerksamkeit des Hörens funktionieren, ohne sie zu erzwingen», heißt es in Enos Liner-Notes zum Album. «Sie muss genauso ignoriert werden können, wie sie interessant ist.»

Als Soundtüftler war Brian Eno nach dem Ausstieg bei Roxy Music ein gefragter Mann. Er spielte auf David Bowies Alben «Low», «Heroes» (beide 1977) und «Lodger» (1979) - bekannt als Berlin-Trilogie - und gestaltete deren Klang maßgeblich. Bowie, für den Eno Jahre später auch das Studioalbum «Outside» produzierte, soll ihn einen «modernen Mozart» genannt haben. Während seiner jahrzehntelangen Karriere kooperierte er mit unzähligen Künstlern.

Der Brite veröffentlichte auch eine Reihe von Soundtracks und Musik, die sich für Filme eignete und in verschiedenen Werken genutzt wurde. Tracks von «Apollo: Atmospheres And Soundtracks», das er 1983 mit seinem Bruder Roger Eno und seinem kongenialen Produzentenpartner Daniel Lanois für einen Dokumentarfilm aufgenommen hatte, waren unter anderem in «Trainspotting», «Traffic» und «28 Days Later» zu hören.

Schon bei Roxy Music hatte er zeitweise an den Reglern gestanden und bei seinen eigenen Alben zeichnete er als Produzent verantwortlich. Das führte zu Engagements für andere Künstler, darunter die Talking Heads, Grace Jones, Blur-Frontmann Damon Albarn oder Coldplay. Seine wahrscheinlich bekannteste Arbeit ist «The Joshua Tree» von U2, ein Meilenstein der Musikgeschichte und eines von vielen Alben für die irische Rockband, das Eno gemeinsam mit Lanois produzierte.

An Arbeit mangelte es Brian Eno nie. In den 1990er Jahren komponierte er für den Software-Riesen Microsoft die Startmelodie für das Betriebssystem Windows '95, an die sich heute wohl nur noch wenige erinnern. Eno gab später amüsiert zu, die Musik auf einem Mac des Microsoft-Konkurrenten Apple komponiert zu haben. In den 2000ern kreierte er Handy-Klingeltöne für die Firma Nokia. Vor einigen Jahren entwickelte er eine interaktive Smartphone-App für die Band Coldplay. Die Liste seiner Betätigungsfelder auch jenseits der Musik ist lang.

Sein bislang letztes Studioalbum veröffentlichte Brian Eno im vergangenen Oktober. «ForeverAndEverNoMore» war bereits sein 30. Longplayer und der erste seit langem, auf dem wieder seine Stimme zu hören war. Vor wenigen Wochen erschien eine Neuauflage, auf der sämtliche Songs auch als Instrumental-Versionen zu hören sind - ein Ambient-Album im besten Sinne.

Angesichts seiner ruhmreichen Vergangenheit macht sich Eno, der mit Glatzkopf, Bart und Brille heute viel gesetzter aussieht als der junge, extravagante Roxy-Music-Keyboarder, nichts vor. Im Interview mit Apple Music berichtete er, wie es ihm meistens ergeht, wenn Menschen mit ihm über seine Arbeit sprechen. «Sie gratulieren mir meistens zu einem Album, das ich 20 Jahre früher gemacht habe.»

 

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