Arnsberg - In rund 80 Opernrollen stand er auf der Bühne, doch sein größtes Publikum erreichte Günter Wewel im Fernsehen mit Volks- und Heimatliedern. Zum 85. Geburtstag blickt der Kammersänger mit dem dunklen Bass stolz und wehmütig zurück.
Günter Wewels Haus ist eine Welt voller Erinnerungen. Großformatige Fotos im Treppenaufgang zeigen ihn in seinen großen Opernrollen. Im Wohnzimmer hängen Aufnahmen von ihm als Moderator der Musiksendung «Kein schöner Land», mit der er fast 20 Jahre lang ein Millionenpublikum erreichte. Dazu stapelweise Fotos, Schrankfächer voller Sendemitschnitte, Platten und Tonaufnahmen. Mit seiner tiefen Bass-Stimme war Wewel jahrzehntelang ein Liebling des Fernsehpublikums. Am 29. November wird er 85 Jahre alt.
«Ich würde es alles noch mal genauso so machen», sagt er kurz vor seinem Geburtstag in seinem Haus in Arnsberg im Sauerland. Hier verbringt er schon Kindheit und Jugend, bevor er nach einer Ausbildung bei der Bundesbahn («Ich sollte ja was Vernünftiges machen») in Dortmund Operngesang studiert. Seine große Jugendliebe Gisela ist da längst an seiner Seite.
Mit seinem «basso profundo», einer besonders tiefen und vollen Stimmlage, begeistert das Ensemble-Mitglied der Dortmunder Oper mehr als drei Jahrzehnte das Publikum. An vielen deutschen und europäischen Opernhäusern feiert er Gastspiele. Rund 80 Rollen erarbeitet sich Wewel dabei - «eigentlich das gesamte Bass-Repertoire», sagt er. Meilenstein in seiner musikalischen Karriere ist die Ernennung zum Kammersänger 1989. Den Ehrentitel trägt Wewel mit Stolz.
Bundesweit prominent wird er schließlich als Interpret von Volksliedern und Balladen. Sie verschaffen ihm unzählige Fernsehauftritte. Als Moderator der seit 1989 fast 19 Jahre lang produzierten Sendereihe «Kein schöner Land» erreicht er ein Millionenpublikum. In mehr als 150 Folgen ist er Reiseführer durch die schönsten europäischen Landschaften mit ihren Brauchtümern, Musiktraditionen und prominenten Köpfen. «Wir suchen die schönen Dinge im Leben, die reichlich vorhanden sind», schreibt er einmal über das Prinzip der Reihe.
Die erste Volksmusiksendung, die an Originalschauplätzen statt in Styropor-Kulissen im Studio entsteht, wird zu einem der erfolgreichsten ARD-Formate dieser Sparte überhaupt. Der Erfolg sei ganz eng mit der Person Günter Wewel verknüpft gewesen, teilt der Saarländische Rundfunk auf Anfrage mit.
«Die Zuschauer liebten diesen glaubwürdigen, niemals oberlehrerhaft auftretenden Mann, der ihnen kompetent über Musik berichten konnte und der gleichzeitig voller Wissensdurst mehr über Land, Leute und Kultur erfahren wollte», sagt Arno Jos Graf, Autor und Regisseur. Die Macher hatten nach einem noch unverbrauchten Gesicht gesucht, «sympathisch, vertrauensvoll, nicht abgehoben», erinnert sich Graf. Günter Wewel entpuppte sich als die perfekte Besetzung.
Was Wewel vor der Kamera verkörpert, lebt er auch: «Er war immer unheimlich zuverlässig, perfekt vorbereitet und sehr ernsthaft bei der Sache», sagt Graf. «'Kein schöner Land' ist ein ganz wichtiges Stück seines Lebens geworden. Das hat ihn erfüllt», sagt Graf. Das Ende der ARD-Erfolgsreihe bedeutet für Wewel einen tiefen Einschnitt. «Bitter» nennt er die Absetzung bis heute.
Doch den mit Abstand schlimmsten Schlag erfährt Wewel, als vor fünf Jahren seine Frau Gisela stirbt. In Fotos und Erzählungen Wewels ist sie präsent, auch wenn er in der 81-jährigen Ulla Gunkel, einer alten Freundin von früher, seit mehreren Jahren eine liebevolle neue Gefährtin an seiner Seite gefunden hat. Gemeinsam fahren sie jeden Samstag zum Friedhof. Wewel bringt dann frische Rosen zum Grab. «Ich war 60 Jahre lang jeden Tag glücklich mit meiner Frau. Wir haben eine Bilderbuch-Ehe geführt», sagt er und seine Lippen beben.
Wenn er an seine Arbeit denkt, erhellt sich seine Miene wieder: «Es war ein irres Arbeiten. Fleiß, Fleiß und nochmals Fleiß», sagt er. Es passt zu dem stets um Qualität und Tiefe bemühten Wewel, dass er TV-Krimis verteufelt und Hitchcock schätzt. Und so hat er auch immer Schlager akzeptiert, «wenn er gut gemacht ist». Der Fernsehbetrieb und die Unterhaltungswelt heute sind ihm jedoch fremd geworden: Schnelle Schnitte, kurzlebige Sternchen, Pop- oder seichte Volksmusik, die ihre Qualität verloren habe - all das verdirbt ihm die Fernsehunterhaltung.
Und so erinnert er sich lieber an das, was war: Eine gesamte Etage des hübschen Jugendstilhauses nennt er sein Archiv. Hier hebt er auf, was früher einmal sein Alltag war: Musiknoten, Platten, VHS-Kassetten, seine Preise und Auszeichnungen vom Bundesverdienstkreuz bis zur Hermann-Löns-Medaille und abermals jede Menge Fotos. Sie zeigen ihn Seite an Seite mit den großen und sehr großen der Branche. «Willy Millowitsch, Karel Gott, Rudi Carrell, Udo Jürgens, Karl Moik, Hänschen Rosenthal, Peter Alexander... von denen ist ja keiner mehr da», zählt er auf und deutet auf die Köpfe. «So eine Fotowand hat wohl nicht jeder. Es hat einfach so viel Spaß gemacht», sagt er und lächelt ein bisschen.