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Vater der Künstlersozialversicherung - Dieter Lattmann gestorben

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München - Vor fast 40 Jahren hat der Autor und damalige Kulturpolitiker Dieter Lattmann die Künstlersozialversicherung auf den Weg gebracht. Freiberufliche Kreative sollten trotz unregelmäßiger Auftragslagen und schwankender Honorare eine gesetzlich garantierte Kranken- und Rentenversicherung bekommen. Das bezeichnete Lattmann einmal als seine wohl wichtigste berufliche Leistung.

Nun ist Lattmann, der seit einigen Jahren in einem Münchner Seniorenheim lebte, mit 92 Jahren gestorben, wie der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) am Donnerstag in Berlin mitteilte. Nach Angaben eines Freundes der Familie starb er am 17. April in dem Altenheim im Münchner Norden.

Bis ins hohe Alter war Lattmann schriftstellerisch aktiv. Vor zwei Jahren veröffentlichte er mit «Es will Abend werden» seine Aufzeichnungen von einem Leben im Seniorenheim. Dorthin war er kurz vor seinem 85. Geburtstag mit seiner Frau gezogen. «Als ich einen Zentnersack nicht mehr heben und den Efeu an der Garage nicht mehr schneiden konnte», habe er diese Entscheidung gefällt. Mit seinem Buch wollte Lattmann älteren Menschen Mut machen, diesen Schritt zu wagen und Dinge loszulassen, die sie nicht mehr brauchen, hatte er zu seinem 90. Geburtstag der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

Geboren und aufgewachsen ist Lattmann in Potsdam. Quasi von der Schulbank weg kam er 1943 zum Reichsarbeitsdienst, kurz darauf wurde er Offiziersanwärter bei der Marine. «Ich habe erst sehr spät erkannt, erst durch die Ereignisse des 20. Juli '44, wie falsch der Gehorsam war, den ich geleistet habe», sagte er später. «Ich hätte das früher erkennen müssen.»

Ein Dutzend Bücher hat der gelernte Verlagsbuchhändler Lattmann geschrieben. Viele Jahre war er als Schriftsteller, Rundfunkautor und Literaturkritiker tätig. 1968 gehörte er zu den Begründern des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS), dessen Vorsitz er bis 1974 innehatte. Parallel begann er eine politische Laufbahn. Gemeinsam mit Günter Grass initiierte er 1969 eine SPD-Wählerinitiative. Willy Brandt förderte ihn, von 1972 bis 1980 saß Lattmann im Bundestag.

Er wurde zum gefragten Kulturpolitiker und zu einem der Väter des 1981 beschlossenen Künstlersozialversicherungsgesetz. Das hatte auch der Schriftsteller Thomas Kraft anlässlich Lattmanns 90. Geburtstag als besonders Verdienst gewürdigt: «Ohne ihn gäbe es keine Künstlersozialkasse und keinen Bibliotheksgroschen - für viele Autorinnen und Autoren ein unverzichtbarer Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Existenz.»

Häufig sah sich Lattmann in seinem politischen Leben als einsamer Kämpfer, wie er in seinem Buch «Die Einsamkeit des Politikers» (1977) schildert. Sein Roman «Jonas vor Potsdam» (1995) befasst sich mit der deutschen Einheit und deren Schwierigkeiten. Eine weitere Bilanz seiner parlamentarischen Erfahrungen zog er in dem Werk «Die lieblose Republik. Aufzeichnungen aus Bonn am Rhein» (1981).

Nach seiner Zeit im Bundestag war Lattmann wieder als freier Schriftsteller tätig, blieb aber auch politisch aktiv. So gehörte er zu den zentralen Figuren der Friedensbewegung und war Mitinitiator der «Erfurter Erklärung», in der ein Linksbündnis von SPD und Grünen ohne Ausgrenzung der PDS gefordert wurde.

Mit 80 Jahren veröffentlichte Lattmann seine Autobiografie «Einigkeit der Einzelgänger». Darin zeichnet er sein Leben in Literatur und Politik nach und erzählt von Begegnungen mit Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Ingeborg Bachmann oder Heinrich Böll. Mit seiner Frau war Lattmann 65 Jahre lang verheiratet. Das Paar hatte zwei gemeinsame Söhne, die schon gestorben sind. Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2015 lebte Lattmann alleine im Seniorenheim.

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