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Starb am 30. Mai 1961 in München: Werner Richard Heymann. Foto: Wikimedia Commons
Starb am 30. Mai 1961 in München: Werner Richard Heymann. Foto: Wikimedia Commons
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Volkslieder des 20. Jahrhunderts: Vor 50 Jahren starb der Tonfilmschlagerkomponist Werner Richard Heymann

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Bis 1933, bis zur "Entjudung" der Ufa, war er der erfolgreichste Schlagerkomponist der späten Weimarer Republik gewesen: Werner Richard Heymann. Zusammen mit dem Ufa-Produzenten Erich Pommer hatte er ein neues Filmgenre erfunden: die Tonfilmoperette. Pommers Traum von der Musikalisierung des Kinos hatte Heymann verwirklicht in den großen Glanzstücken des Genres: "Die Drei von der Tankstelle", "Ein blonder Traum", "Der Kongress tanzt" und "Ich bei Tag und Du bei Nacht".

Selbst seriöse Kritiker waren dem Charme dieser Tonfilmoperetten erlegen, wie Oskar Bie, der 1931 über Erik Charells & Heymanns "Kongress" schwärmte: "Ein Traum oder ein Film? Endlich ist es dasselbe, endlich läuft das Bild so ohne Nähte, ohne Pausen, ja ohne Kausalität ineinander, wie es uns manchmal der Schlaf schenkt. Sie sitzen draußen beim Heurigen. Ein Liedersänger geht an den Tischen vorbei und singt jedem Tisch seine Strophe vor, so volkstümlich, so privat, so wienerisch. Die Leute singen mit. Walzer klingt von der Ferne, die Leute tanzen. Es ist der unerschöpfliche Wiener Walzer, der in alle Winkel der Stadt dringt."

Es war Paul Hörbiger, der diese Melodie von Heymann & Josef Strauß im Kino sang. Und ganz Wien summte auf der Leinwand mit: "Das muss ein Stück vom Himmel sein, Wien und der Wein!" "Bühne wiegt sich", schrieb Oscar Bie, "Parkett wiegt sich, das Auge streicht hinauf in die Logen, hinter Federfächern spielt der Flirt seine Rhythmen, zurück über Parkett, Bühne, Walzer in den Heurigen hinein eine ganze Bewegung, ein Ineinander des Lebens für Auge und Ohr, kein Raum, nur Zeit, nur der lebendige Rhythmus."

Angefangen hatte Heymann im Berlin der frühen Roaring Twenties in Max Reinhardts legendärem Cabaret "Schall und Rauch". Zusammen mit Friedrich Hollaender durfte er dort die Cabarettexte von Kurt Tucholsky oder Walter Mehring vertonen. Und so war er der ideale Partner für den kongenialen Chanson- und Schlagertexter Robert Gilbert, den "gespaltenen Dichter" jener Ära, der das "Stempellied" schrieb UND "Das gibt's nur einmal". Und der den vielleicht schönsten, innigsten Tonfilmschlager in der Depressionszeit dichtete: "Wenn ich sonntags in mein Kino geh'". Ein Lied für all die "kunstseidenen Mädchen", die diese Liedchen vor sich hinsummten, wie der "müde" Denker Ernst Bloch beobachtet hat: "Auch in Pausen, beim Zahlen etwa, summen manche etwas, das man nicht versteht, das sie selber nicht hören, indem aber viel darin sein mag."

Auch nach 1933, nachdem die Nazis all ihre jüdischen Komponisten aus dem Land geekelt und vertrieben hatte, spukten diese Heymann-Melodien weiterhin im III. Reich herum. Als freilich ein Mann wie Heymann aus dem Hollywood-Exil, in dem er Lubitsch-Meisterwerke wie "Ninotschka" und "Sein oder Nichtsein" musikalisch veredelt hatte, nach dem Krieg als amerikanischer Staatsbürger zurückkehrte, war sein Name vergessen. Und so musste er bei der Einbürgerungsprozedur wieder ein deutsches Volkslied vortragen. Er sang: "Das gibt's nur einmal, das kommt nie wieder". Keiner wusste, dass er einst das Lied komponiert hatte, in der Zeit vor Hitler.

Und so durfte er wieder Deutscher werden. Eine Geschichte, die das Los all der jüdisch-deutschen Unterhaltungskomponisten noch einmal auf den Punkt bringt. Vielleicht sollte man auch daran denken, wenn man "Ein Freund, ein guter Freund" vor sich hin trällert.

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