Mit Pink Floyd schuf er einige Meisterwerke der Rockgeschichte. Heute polarisiert Roger Waters mit umstrittenen Aussagen. Viele Fans fragen sich, ob man das Werk noch von den politischen Ansichten seines Schöpfers trennen kann. Bei seinen Konzerten wird das schwierig.
London - Auf seine alten Tage wirkt Roger Waters geradezu rastlos. Als wäre er ständig auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Ob mit umstrittenen Äußerungen zu Israel und zur Ukraine oder mit abfälligen Kommentaren über seine ehemaligen Pink-Floyd-Kollegen - der britische Musiker, der am 6. September 80 Jahre alt wird, provoziert regelmäßig. Jetzt sorgt Waters auch mit einem neuen musikalischen Projekt für Irritationen. Er hat Pink Floyds Meisterwerk «The Dark Side Of The Moon» anlässlich des 50. Jubiläums komplett neu eingespielt. Geltungsdrang oder Größenwahn? Seine «Redux»-Version, die am 6. Oktober erscheinen soll, ist jedenfalls für viele Fans des legendären Originals ein Affront.
Vor seinem runden Geburtstag macht Waters allerdings weniger mit seiner Musik Schlagzeilen, als mit seiner Israel-feindlichen Haltung. Seit Jahren werfen ihm Kritiker Antisemitismus vor, darunter sein früherer Pink-Floyd-Kollege David Gilmour. Dessen Ehefrau Polly Samson nannte Waters bei Twitter, das mittlerweile X heißt, «antisemitisch bis ins Mark». Gilmour kommentierte: «Jedes Wort nachweislich wahr.» Waters, der seit Jahrzehnten mit dem Gitarristen im Clinch liegt, wies die Vorwürfe zurück.
Die Kontroverse um Roger Waters führte in Deutschland dazu, dass zum Boykott seiner Konzerte aufgerufen wurde. Obendrein ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den Briten. Anlass ist ein Kostüm, das er im Mai während seiner Konzerte in Berlin trug und das einer SS-Uniform ähnelt. Waters erklärte dazu, er habe «einen gestörten faschistischen Demagogen» dargestellt. Der Auftritt im Mantel ist Teil von Pink Floyds Rockoper «The Wall», die auch verfilmt wurde. Im Film spielt Bob Geldof den Protagonisten Pink, der sich unter Drogen für einen faschistischen Anführer hält und in einer Szene einen ähnlichen Mantel trägt.
Für Fans, die die Einstellung des Pink-Floyd-Mitbegründers nicht teilen, wird es kompliziert. Denn seine umstrittenen politischen Botschaften - manche sprechen von Parolen - sind ein Teil seiner Konzerte, verbal geäußert oder als Fließtext und in Videos auf den Bildschirmen. Schon zu Showbeginn lässt der Brite sein Publikum wissen: «Wenn du zu den Leuten gehörst, die sagen «Ich liebe Pink Floyd, aber ich kann Rogers Politik nicht ausstehen», dann solltest du dich jetzt vielleicht besser in die Bar verpissen.»
George Roger Waters wurde am 6. September 1943 in Great Bookham, Surrey, England geboren. Als er fünf Monate alt war, wurde sein Vater im Zweiten Weltkrieg getötet, ein Verlust, der später viele seiner Songs beeinflusste. Bereits in der Schule fiel Waters durch sein politisches Engagement auf, etwa für die nukleare Abrüstung. Er besuchte dieselbe Oberschule wie sein späterer Pink-Floyd-Bandkollege Syd Barrett. Während seines Architektur-Studiums an der University of Westminster lernte er Keyboarder Richard Wright und Schlagzeuger Nick Mason kennen. Pink Floyd wurde 1965 gegründet. Waters fungierte zunächst nur als Bassist der Band. Gitarrist Gilmour stieß 1967 dazu.
Nach dem gesundheitsbedingten Ausstieg von Barrett im Jahr 1968 entwickelte sich Waters zunehmend zum Hauptsongschreiber von Pink Floyd. Unter seiner kreativen Leitung veröffentlichte die Gruppe eine Reihe von Alben, die das Genre der Rockmusik nachhaltig prägten. Vor allem das bahnbrechende «The Dark Side Of The Moon» (1973), «Wish You Were Here» (1975), «Animals» (1977) und «The Wall» (1979) gelten aufgrund ihrer konzeptionellen Tiefe und der innovativen Nutzung von Studiotechnologie als Meilensteine der Musik.
1985 verließ Roger Waters die Band. Sein letztes Album mit Pink Floyd war «The Final Cut» von 1983, das unter massiven Spannungen zwischen Waters und den anderen Bandmitgliedern, insbesondere Gilmour, entstanden war. Die Songs hatte der egomane Waters im Alleingang geschrieben. «The Final Cut» ist ein Konzeptalbum als Statement gegen Krieg im Allgemeinen und gegen den Falkland-Krieg im Speziellen, den Waters verurteilte und als Betrug an seinem gefallenen Vater empfand. Doch Gilmour missfiel diese Politisierung der Musik.
Nach seinem Ausstieg versuchte Waters gerichtlich zu verhindern, dass die anderen Musiker als Pink Floyd weitermachen, jedoch ohne Erfolg. Er nahm mehrere Soloalben und eine Oper («Ça Ira») auf. Bei seinen Konzerten spielte er weiter die Musik von Pink Floyd und beeindruckte sein Publikum mit aufwendigen Bühnenproduktionen. Legendär war sein «The Wall»-Konzert, das nach dem Fall der Berliner Mauer am 21. Juli 1990 vor über 200 000 Zuschauern am Potsdamer Platz stattfand. Unter Leitung von Waters traten unter anderem Bryan Adams, Joni Mitchell, Cyndi Lauper, Ute Lemper und die Scorpions auf.
2005 kam es im Rahmen des «Live 8»-Konzerts für einen guten Zweck zu einer überraschenden Reunion von Waters und Pink Floyd. Trotz eines angeblichen Angebots in dreistelliger Millionenhöhe für eine gemeinsame Tournee blieb der Auftritt eine einmalige Sache.
Zuletzt waren es gerade auch die Konzerte von Waters, mit denen er für Ärger sorgte. Wie auf dem ikonischen Cover des Pink-Floyd-Albums «Animals» lässt er bei seinen Shows regelmäßig ein aufgeblasenes Schwein über Bühne und Publikum fliegen. Neben diversen religiösen und politischen Symbolen und Logos von internationalen Konzernen war bei einigen Konzerten zuletzt auch ein Davidstern auf dem Schwein abgebildet. Was Waters als Kritik an israelischer Politik verstanden wissen will, ist für viele ein klares Zeichen von Antisemitismus.
Wegen der Vorwürfe sollte Roger Waters' Konzert im Mai in Frankfurt ursprünglich abgesagt werden. Doch der Musiker klagte vor dem Verwaltungsgericht und bekam Recht. Das Gericht berief sich in der Entscheidung auch auf die Kunstfreiheit. Sein Auftritt relativiere oder verherrliche nicht die nationalsozialistischen Gräueltaten, hieß es in der Begründung.
Vor der Frankfurter Festhalle, in der 1938 jüdische Männer zusammengetrieben und von dort in Konzentrationslager deportiert wurden, protestierten am Showabend ein paar Hundert Menschen gegen den Auftritt. Auf die Uniform, seinen Auftritt «als Demagogen» und den Davidstern auf dem Schwein verzichtete Roger Waters vorerst zwar bei seinen Konzerten. Doch seinen Kritikern wird das nicht reichen.