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Weichenstellung in der Berliner Kulturpolitik: Tim Renner wird neuer Berliner Kulturstaatssekretär [update, 18:20]

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Berlin - Der Musikmanager Tim Renner wird neuer Kulturstaatssekretär in Berlin. Das teilte der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag mit. An diesem Dienstag wolle er seinen Personalvorschlag dem Senat vorlegen. Der 49-Jährige soll am 28. April auf André Schmitz folgen, der wegen einer Steueraffäre zurückgetreten und in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war.

 
 
«Tim Renner steht für diese Stadt und für die Kreativszene», sagte Wowereit bei der Vorstellung Renners im Roten Rathaus. Als Deutschland-Chef des Musikkonzerns Universal Music habe Renner den Umzug von Hamburg nach Berlin 2002 vorangetrieben und dem Kreativstandort Berlin einen wichtigen Impuls gegeben. Er kenne sich aber weit über die Musik hinaus in der Kulturszene aus.
 
Renner sagte, ihn reize die Aufgabe in Berlin. «Diese Stadt wird maßgeblich durch Kreative und Kulturschaffende bestimmt. Sie sind der Rohstoff. Sie sind der Grund, warum die Touristen kommen.»
 
Wowereit, der seit 2006 das Kulturressort verantwortet, war wegen der Affäre Schmitz unter Druck geraten. Der Regierungschef wusste seit 2012 von dem Steuerbetrug. Schmitz hatte zugegeben, mehrere Jahre lang die Erträge eines Guthabens in Höhe von 425 000 Euro in der Schweiz nicht versteuert zu haben.
 
Renner gilt als einer der führenden Experten im Musikgeschäft. Er ist derzeit Geschäftsführer des Musiklabels Motor Entertainment GmbH und war früher Geschäftsführer der Firma Universal Music Deutschland. Seit 2009 arbeitet er auch als Professor an der Popakademie Baden-Württemberg. 
 

[update, 18:20]:

Musikmanager Renner ist Berlins neuer Kulturstaatssekretär

Berlin (dpa) - Mit Tim Renner wird einer der profiliertesten Musikmanager und -produzenten neuer Kulturstaatssekretär in Berlin. «Tim Renner steht für diese Stadt und für deren Kreativszene», sagte der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung Renners. Mit der Personalie gelang Wowereit ein Überraschungscoup, der fraktionsübergreifend eine positive Resonanz auslöste.

Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) begrüßte die Entscheidung. «Das ist eine interessante Besetzung aus der Szene», erklärte Grütters. «Tim Renner wird mit Sachkenntnis und Verständnis für die Bedürfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Hauptstadt sicher eigene Akzente setzen», erklärte Grütters. Ähnlich äußerten sich Berlins CDU und Grüne.

Mit dem Umzug des Musikkonzerns Universal Music 2002 von Hamburg nach Berlin habe Renner als Deutschland-Chef dem Kreativstandort Berlin einen wichtigen Impuls gegeben, sagte Wowereit. Er habe als einer der ersten deutlich gemacht, wie wichtig es sei, Kultur und Kreativität zu unterstützen und welches wirtschaftliche Potenzial darin stecke. «Er ist ein bisschen unkonventionell. Das passt zu Berlin.» Wowereit will Renner am kommenden Dienstag vom Senat berufen lassen. Renner brauche die nächsten zwei Monate dazu, die Verhältnisse in seiner eigenen Firma zu ordnen, sagte Renner. 

Nach Ansicht der Allianz deutscher Film- und Fernsehproduzenten gewinnt die Berliner Kulturpolitik mit Renner nicht nur «einen ausgewiesenen Praktiker, (...) sondern auch einen Visionär und Querdenker». Der neue Kulturstaatssekretär bekundete «wahnsinnig großen Respekt vor dem Amt». Ihn reize die Verantwortung, in einem von Schmitz gut bestellten Haus weiter zu gestalten. Er habe in den vergangenen zwölf Jahren eine «unglaubliche Entwicklung in Berlin erlebt, die maßgeblich durch Kreative und Kulturschaffende bestimmt» worden sei. «Sie sind der Rohstoff. Sie sind der Grund, warum die Touristen kommen. (...) Sie sind das Zentrum und der Treibstoff der Stadt. Ich konnte deshalb nicht Nein sagen.»

Auf seine Erfahrungen in der Hochkultur angesprochen, betonte der Musikmanager: «Ich trenne nicht zwischen E(rnst) und U(nterhaltung). Für mich ist Kultur alles zwischen Barenboim und Berghain oder zwischen Radialsystem und Rammstein.» Er müsse jetzt vor allem seine Behörde kennenlernen, denn in der Verwaltung kenne er sich nicht aus.

Renner gilt als einer der führenden Experten im Musikgeschäft. Er ist derzeit Geschäftsführer des Musiklabels Motor Entertainment GmbH und war früher Geschäftsführer der Firma Universal Music Deutschland. «Mit seiner Vita könnte Renner für neue Schwerpunkte in der Kulturpolitik stehen», erklärte Berlins CDU-Chef Frank Henkel. Er sei eine «interessante Wahl für den Posten». Auch die Grünen-Kulturexpertin Sabine Bangert bezeichnete die Berufung Renners als «interessantes Experiment: Medienindustrie trifft Verwaltung». Der Kulturexperte der Linken, Wolfgang Brauer, wies vor allem auf die vielen Probleme hin, die Renner lösen müsse: «Die immer desaströser verlaufende Staatsopern-Sanierung, das auf Grund gesetzte Projekt der Landesbibliothek, das gebrochene Finanzierungsversprechen der Freien Szene.»

 

Und  Esteban Engel, dpa, ergänzt:
 
Vom Popgeschäft auf die Klippen der Kulturpolitik: Mit Tim Renner übernimmt ein Mann aus der Kreativindustrie das Amt des Kulturstaatssekretärs in Berlin - und wird damit Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) als Kultursenator. Knapp einen Monat nach dem Abgang von André Schmitz hat Wowereit einen Nachfolger präsentiert. Nach dem Verwaltungsfachmann Schmitz, der einst als Geschäftsführer der Deutschen Oper Berlin in die Politik wechselte, wird sich nun ein Manager aus der Privatwirtschaft um Musik und Theater, Museen und Bibliotheken der Hauptstadt kümmern.
 
Renner ... steht für jene Eigenschaften, die Wowereit immer wieder gern für das kreative Berlin anführt. Von einer Trennung zwischen E(rnst) und U(nterhaltung) halte er nicht viel, sagte Renner bei seiner Vorstellung im Roten Rathaus. «Das ist eine Diskriminierung für beide Seiten.»
 
Tatsächlich jonglierte Renner immer wieder zwischen Rock, Klassik und Schlager. Ob Sting, Pavarotti oder Rosenstolz - als Plattenboss arbeitete er mit vielen Stars zusammen. Schon als Teenager spielte er in einer Punkband, die sich Quälende Geräusche nannte. Mit seinem Kassettenrecorder nahm er Bands aus dem Hamburger Untergrund auf und schnitt aus den Bändern Radioreportagen.
 
Später arbeitete Renner als Journalist, wechselte aber bald in die Musikindustrie. Er nahm Bands wie Elements of Crime und den Pop-Avantgardisten Philip Boa unter Vertrag. 1994 gründete er seine eigene Plattenfirma Motor Music und baute Bands wie Rammstein, Sportfreunde Stiller, Tocotronic, Muse und die Absoluten Beginner auf.
 
2004 gründete er in Berlin den Radiosender Motor FM, der heute - ohne Renner- unter dem Namen Flux FM firmiert. Mit motor.tv leistete Renner Pionierarbeit für die Verbreitung von Musik im Internet.
 
Diese Berufsbiografie dürfte nach dem Geschmack vieler Kreativer sein. Denn jene Kulturszene, die sich abseits der großen Theater und Opernhäuser in Berlin etabliert hat, fühlte sich von Schmitz lange vernachlässigt. Die Politik habe kein Interesse an den unabhängigen Künstlern wie etwa der Tanzkompagnie Sasha Waltz & Friends, lautete der Vorwurf. Sie seien aber ein wichtiges Aushängeschild für die Stadt als pulsierende Kulturmetropole. Die Hoffnung, einen Anteil an einer neuen «City Tax» zu ergattern, zerstreute sich bald.
 
«Mit Tim Renner bekommen wir jemanden, der weiß, wie man eine Band zusammenstellt oder ein Tanzprojekt startet», sagt Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der freien Szene. Als SPD-Mitglied habe er außerdem gute Kontakte in die Berliner Regierungspartei. Allerdings stehe Renner wie sein Vorgänger Schmitz vor den gleichen Zwängen - dass nämlich der Löwenanteil des Berliner Kulturhaushalts von rund 370 Millionen Euro in Gehälter und Tarifsteigerungen fließt.
 
Auch aus der SPD gibt es die Hoffnung, dass Renner zwei Jahre vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus eine Brücke zu den jüngeren Künstlern knüpft. Für Frank Jahnke, Kulturausschuss-Vorsitzender im Abgeordnetenhaus, steht jetzt schon fest: «Er wird kein Opern-Staatssekretär.»
 
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