Weit mehr als all das, was die Feuilletons in ihren Nachrufen nach seinem Tod gemeinhin aufgeführt haben: Intendant der Ludwigsburger Festspiele, Rektor der Musikhochschule Stutt- gart, Staatsminister in der Regierung Späth, Generalintendant der Württembergischen Staatstheater und zuletzt Präsident des Landesmusikrats Baden-Württemberg – all das ist nicht nur weithin bekannt, sondern für sich genommen bereits Spiegel eines faszinierenden Wirkens im Spannungsfeld von Musik und Politik. Keine Persönlichkeit in Deutschland, die mit ihm verglichen werden könnte.
Umso erstaunlicher, dass es darüber hinaus Tätigkeitsbereiche gab, innerhalb derer er nicht im Fokus von Medien und Öffentlichkeit stand, aber dennoch Wesentliches für die Infrastruktur des Musiklebens bewirkte. Nahezu vergessen ist, dass er während der 60er-Jahre Herausgeber der seinerzeit bedeutenden Zweimonatsschrift „Musica“ war.
Als Chorleitungsprofessor an der Stuttgarter Musikhochschule prägte er eine ganze Generation von herausragenden Dirigenten, denen man noch heute in Baden-Württemberg und darüber hinaus in Kirchen und Konzertsälen begegnet. Überhaupt hat er sich Zeit seines Lebens der Nachwuchsförderung verschrieben. Ob bei der Kunststiftung Baden-Württemberg, wo alljährlich Stipendien für alle Bereiche der Kultur vergeben werden, oder aber als Vorsitzender des Deutschen Musikwettbewerbs, der den Studierenden an den Musikhochschulen gewidmet ist – überall galt sein ganz persönliches Engagement jenen jungen Menschen, die die große Musiktradition in die nächste Generation weitergeben sollten. Selbst noch in seinem letzten Amt, das des Präsidenten im Landesmusikrat Baden-Württemberg, forderte er unablässig (und in aller Deutlichkeit) unabdingbare Rahmenbedingungen für die schulische Musikerziehung ein. Man geht kaum fehl darin, in dem Musikpädagogen und Musikförderer den Wesenskern Wolfgang Gönnenweins auszumachen.
Die Nachrufe indes haben sich beeilt, auch den Einschränkungen, die dieser singulären Lebensleistung abträglich sind, hinreichend Raum zu geben: Bugwellen, Haushaltsdefizite, Gerichtsverfahren. In der Tat – auch das kann Teil einer Lebensbilanz sein. Wer jedoch Wolfgang Gönnenwein näher kannte, weiß, dass er immer auch ein Zeichen setzen wollte, was Hochkultur bedeutet, und was sie braucht. Wenn es ihm um das immaterielle „Humankapital“ ging, das die klassische Musik erwirtschaftet, dann kannte er nur den aufrechten Gang, jedoch kein Kuschen vor Quoten und Bedenkenträgern.
Überhaupt war ihm, wo und bei wem auch immer, alles Falsche und Aufgesetzte zuwider. Wo Hochkultur ins Seichte und in den Kommerz hinüberragte, verlief für ihn eine unüberwindbare Demarkationslinie, und dafür wurde er auch respektiert. Kam man mit ihm ins Berliner Cafè „Einstein“, erhoben sich oft gleich an mehreren Tischen Persönlichkeiten, um ihm zu begegnen. Wolfgang Gönnenwein hinterlässt eine große Lücke.