Martin Grubinger gilt als einer der weltbesten Schlagzeuger. Derzeit bereitet der Österreicher seinen neuesten «Schlagzeug-Marathon» vor. Fast vier Stunden lang wird der 28-Jährige bei den Salzburger Festspielen seine Schlaggeräte traktieren: Xylofone, Marimbaphon, Gong, Trommeln aller Art und Holzkisten. Sein erster Schlagzeug-Marathon 2006 im ehrwürdigen Wiener Musikverein brachte ihm den internationalen Durchbruch.
Seither gastiert er in aller Welt. Mit Grubinger sprach dapd-Korrespondent Georg Etscheit.
dapd: Bei Ihrem ersten Marathon sind Sie bis an den Rand Ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit gegangen. Wollen Sie dieses Event jetzt noch toppen?
Grubinger: Vom Umfang her sicher nicht: Es ist die gleiche Anzahl von Stücken, nur andere Werke. Aber inhaltlich sind die Stücke noch attraktiver als das Programm vor fünf Jahren. Besonders anspruchsvoll ist das Konzert für Schlagzeug und Orchester von Friedrich Cerha.
dapd: Warum machen Sie das? Wollen Sie um jeden Preis Aufmerksamkeit erregen?
Grubinger: Ja, ich will Aufmerksamkeit erregen. Aber nicht für mich, sondern für das Instrument. Vor fünf Jahren fristete das klassische Schlagzeug noch ein Schattendasein.
dapd: Was ist überhaupt das Schlagzeug?
Grubinger: Wissenschaftlich erfasst sind rund 5.000 Instrumente. Von der europäischen über die afro-kubanische und afrikanische bis hin zur großen asiatischen Tradition.
dapd: Eigentlich kann man doch überall draufhauen und Krach
machen?
Grubinger: Von diesem Krachmacher-Klischee wollen wir ja gerade wegkommen und zeigen, wie groß die Bandbreite des Schlagzeugs ist. Vom Hauch auf einer Marimba, wo man den Ton, die Schwingung fast nur noch spürt bis zum großen Hammer, wie er bei Gustav Mahler verwendet wird. Der ist das Allerbeste.
dapd: Haben Sie, wie viele Jugendliche, auch mal in einer Rockband gespielt?
Grubinger: Klar. Pop, Rock und Jazz, das ist der Ursprung, wo wir alle herkommen. Aber irgendwann stellte sich für mich die Frage, in welche Richtung es gehen soll.
dapd: Sie hätten auch als Pauker über einem Orchester thronen können
Grubinger: Natürlich war das eine Option. Aber mit 16, 17 Jahren merkte ich, dass der Soloweg durchaus möglich schien und dass ich dafür auch ein großes Publikum gewinnen kann.
dapd: Vor zehn Jahren hätte sich wohl noch niemand vorstellen können, dass ein Schlagzeuger einen ganzen Abend im Großen Festspielhaus in Salzburg bestreitet.
Grubinger: Peter Sadlo, unser großes Vorbild, war im Hauptberuf Pauker bei den Münchner Philharmonikern, weil die Soloschiene noch undenkbar erschien. Aber glücklicherweise haben sich die Zeiten gründlich geändert.
dapd: Wie oft üben Sie?
Grubinger: Vor einem Marathon mindestens zehn Stunden pro Tag.
dapd: Ist das nicht auch körperlich enorm anstrengend?
Grubinger: In den intensiven Probenphasen ist das wie ein Fitnesstraining. Wenn es etwas ruhiger zugeht, mache ich viel Sport als Ausgleich und zum Training. Radfahren ist meine große Leidenschaft, außerdem bin ich ein echter Fußballfreak.
dapd: Ein Journalist schrieb mal, Ihre Auftritte grenzten an Zauberei.
Grubinger: Schön, wenn Leute das so empfinden. Aber mit Zauberei hat das, was ich mache, gar nichts zu tun. Alles was Sie brauchen sind Zeit, Geduld, Disziplin und ein paar grundlegende motorische Fähigkeiten.
dapd: Wie lange halten Sie dieses Turboleben noch durch?
Grubinger: Ich glaube, dass wir Schlagzeuger, in etwa vergleichbar mit den Spitzensportlern, ein Ablaufdatum haben. Das kann man nicht das ganze Leben machen. Zum Glück habe ich noch andere Interessen abseits der Musik. Ich begeistere mich für gesellschaftspolitische Zusammenhänge und Geschichte.
dapd: Ihr gesellschaftspolitisches Interesse drückt sich ja auch darin aus, dass Sie das Bundesland Kärnten boykottieren, weil dort die konservative ÖVP mit der rechtspopulistische FPÖ regiert. Was machen Sie, wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache österreichischer Bundeskanzler wird?
Grubinger: Die Frage ist leider nicht ganz unbegründet. Wenn das kommt, werde ich in Österreich überhaupt nicht mehr konzertieren. Ich kann nicht in einem Land auftreten, in dem Rechtsradikale die Regierung stellen. Auch wenn sich Strache und seine Leute jetzt aus parteitaktischen Gründen etwas gemäßigt geben. Aber er und sein Umfeld sind hochgradig gefährlich und rassistisch.
dapd: Wandern Sie im Ernstfall vielleicht sogar aus?
Grubinger: Das kann alles passieren. Zurzeit kann ich nur versichern, dass ich nicht in Bundesländern oder Ländern auftrete, wo Rassisten regieren. Das widerstrebt mir zutiefst.