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Hanns Eisler im Mittelpunkt der 7. Schostakowitsch-Tage in Gohrisch. Foto: Archiv der Staatstheater Dresden
Zwischen Avantgarde und Massenpublikum: Der Komponist Hanns Eisler. Foto: Archiv Staatstheater Dresden
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Zwischen Avantgarde und Massenpublikum: Der Komponist Hanns Eisler

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Gohrisch - Als unlängst bei den Schostakowitsch-Tagen Gohrisch die «Neuen deutschen Volkslieder» von Hanns Eisler und Johannes R. Becher Open air aufgeführt wurden, grollte es am Himmel. Höhere Mächte griffen mit Blitz und Donner ein und verhinderten so, dass die Zuhörer zum Beispiel ein Stück namens «Lenin» hören konnten.

Für die Musikwissenschaftlerin Friedrike Wißmann war der verhinderte «Lenin» nicht unbedingt ein Verlust, denn von Hanns Eisler (1898-1962) waren zuvor bei den «Schostakowitsch Tagen» in Gohrisch schon ganz andere Kompositionen erklungen.

Wißmann, die aus Münster stammt und sich Eisler quasi aus dem Westen näherte, kennt ihn aus jahrelanger Beschäftigung mit seinem Werk: «Ich bin fasziniert von dem Musiker Eisler. Er hat sein Handwerk beherrscht und besaß eine exzellente Ausbildung - und das alles verbunden mit einer großen Musikalität und einem enormen Talent», sagt die Autorin und Wissenschaftlerin. Eisler habe sich zwar mit seiner Kunst in den Dienst des Sozialismus gestellt, was sicherlich problematisch sei. Das betreffe aber nicht alle seine Kompositionen.

Tatsächlich spaltet Eisler bis heute die Geister. Wer zu DDR-Zeiten in die Schule ging, hat seine Musik mitunter bis zum Überdruss gehört. Als Komponist der DDR-Nationalhymne war er quasi von Staats wegen in aller Ohren. Sein klares Bekenntnis für dieses Land mag auch der Grund gewesen sein, warum man ihn im Westen eher schräg ansah. «Man hielt seine Musik für zu plakativ, da sie sich nicht auf Distanz begab», sagt Wißmann. Dass Eisler sich in die Niederungen des politischen Alltages begab, habe so gar nicht zur Darmstädter Schule oder Donaueschingen gepasst.

Ein Blick in Eislers Biografie beweist, wie spannend das Leben des gebürtigen Leipzigers ablief. Er ging in Wien zur Schule und war Privatschüler von Arnold Schönberg. In seiner Berliner Zeit in den 1920er Jahren schrieb er mit Vorliebe Arbeiterlieder. Nach der Machtergreifung der Nazis verließ der bekennende Kommunist seine Heimat und komponierte für Hollywood-Produktionen, darunter Fritz Langs «Auch Henker sterben» und Clifford Odet's «None but the lonely heart», was ihm sogar eine Oscar-Nominierung einbrachte. Nach dem Krieg musste Eisler wegen angeblicher kommunistischer Umtriebe die USA verlassen. Die DDR wurde ihm zur neuen Heimat.

Wißmann, Autorin des Buches «Hanns Eisler: Komponist, Weltbürger, Revolutionär», spricht von einer «gebrochenen» Biografie». Sie wird vor allem an seiner geplanten Oper «Johann Faustus» deutlich. Als Eisler sein Libretto vorlegte, schrillten in der DDR-Kulturbürokratie die Alarmglocken. Der Autor ließ Faust aus den USA heimkehren - «leider zurückgekehrt, finde ich die Heimat wieder grau und kalt», heißt es da. Derartige Töne gefielen den Machthabern überhaupt nicht. Eisler löste eine Debatte aus. Um die Oper ranken sich noch heute Mythen. Manche glauben, die Noten seien verschollen. Wißmann geht davon aus, dass Eisler nur Skizzen und Dispositionen hinterließ.

Der Musikwissenschaftler Tobias Niederschlag sieht in Eislers letztem Werk - den «Ernsten Gesängen» - Zweifel am System auftauchen: «Das sind Lieder, die von großer Resignation künden. Die alten Ideale schimmern zwar an manchen Stellen noch durch, doch die Enttäuschung überwiegt.» Deshalb ließen sich die «Ernsten Gesänge» wie die Zusammenfassung eines Lebens lesen. Das Stück wurde 1963, ein Jahr nach dem Tod Eislers, von der Staatskapelle Dresden uraufgeführt. 50 Jahre später nahm das Orchester mit Christian Thielemann am Pult und Opernstar Thomas Hampson als Solisten das Stück mit auf Tournee.

Wie Wißmann wünscht sich auch Niederschlag mehr Aufmerksamkeit für den Komponisten: «Eisler hat bei aller Intellektualität eine Musik geschrieben, die begeisternd und mitreißend ist.» Als Künstlerischer Leiter der Schostakowitsch Tage Gohrisch bescherte Niederschlag ihm Ende Juni eine kleine Renaissance. Eisler habe die Zwölftontechnik Schönbergs aufgegriffen und sie in eine Musiksprache umgesetzt, die dennoch für ein breites Publikum fassbar ist: «Das ist sehr kunstvoll gemacht. Er schuf unmittelbare emotionale Momente, war aber auch auf der Höhe der Tonsprache seiner Zeit - was nur wenigen Komponisten gelang.» Am 6. Juli hat Hanns Eisler seinen 118. Geburtstag.

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