Sie schreiben den Namen ihres Ensembles klein, musizieren aber in Versalien: ascolta. Die siebenköpfige Formation aus Stuttgart, gegründet 2003, hat sich bescheiden, aber stetig zu einer der führenden deutschen Neue-Musik-Gruppen emporgespielt. Das ensemble ascolta gehört zur Enkelgeneration der Spezialensembles fürs Brandneue.
Verstehen sich die Granden, das Ensemble intercontemporain, gegründet 1976, und das Ensemble Modern, das sich 1980 zusammenfand, als in der Besetzung flexibel auf die Partituren reagierende Gruppierungen, so besteht das ensemble ascolta auf seiner Integrität, nämlich einer ebenso farbenreichen, wie originellen fixen Instrumental-Kombination von zwei Schlagzeugern, zwei Blechbläsern (Trompete und Posaune) sowie Violoncello, Klavier und Gitarre. Bis auf den im Januar 2015 hinzugekommenen Schlagzeuger Julian Belli spielt ascolta im 14. Jahr seines Bestehens in der Stammbesetzung: Boris Müller, Markus Schwind, Andrew Digby, Erik Borgir, Florian Hoelscher und Hubert Steiner. Selbstredend agieren die Musiker auch auf Nebeninstrumenten, falls vom Komponisten gewünscht; von der Mandoline, dem E-Bass bis zu Euphonium, Flügelhorn und Synthesizer. Damit hat Baden-Württemberg neben dem seit 32 Jahren bestehenden Freiburger ensemble recherche eine weitere Topanlaufstelle für einfallsreiche Tonsetzer.
Im Stuttgarter Theaterhaus nehmen sich die beiden Masterminds des Septetts, der Cellist Erik Borgir und der Pianist Florian Hoelscher, zwischen zwei Probeneinheiten für eine Uraufführung beim Stuttgarter Eclat-Festival (vom 2. bis 5. Februar) Zeit für einen Capuccino: aber nur einen! Denn, das ist einer ihrer Grundsätze, geprobt wird so lange, bis das Stück wirklich fertig, bis nach dem gegenwärtigen Stand nicht mehr herauszuholen ist.
Eine „Schreibtischgeburt“ sei das Ensemble gewesen, nach vielen Gesprächen mit Komponisten und Dramaturgen, erzählt Florian Hoelscher. Man wollte im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen, die sich im Kern an Schönbergs „Pierrot lunaire“-Besetzung orientierten, ein „alternatives Klangbild“ anbieten, das aber höchst variabel sei, so Hoelscher, eines zwischen „Big Band, Sinfonischem und Filigranem“. Vorteil war: „Wir waren völlig unbelastet, fingen andererseits mit null Stücken an“. Das sollte sich bald ändern. Heute gibt es 250 bis 300 Stücke, die für die Ascoltianer geschrieben worden sind, so genau kann Hoelscher das gar nicht beziffern. Was den präzisen, still lodernd formulierenden Schüler von Robert Levin und Pierre-Laurent Aimard freut, ist, dass diese Werke von anderen Neue-Musik-Ensembles nachgespielt werden. Was die Besetzung betrifft, sind sie moderat flexibel. „Es kommt auf den Komponisten an. Wenn Helmut Lachenmann sich andere Instrumente dazu wünscht, ist alles möglich“, sagt Erik Borgir lächelnd. Auch einem Beat Furrer kommen sie entgegen, mit dem sie eine produktive Zusammenarbeit verbindet.
Ihr Erfolg war erkauft mit Idealismus und Enthusiasmus. Wichtig war allen von Beginn an, dass sie die Probenbedingungen selbst bestimmten, im Vordergrund stand und steht die künstlerische Arbeit. „Wir haben uns lange nicht unter einen ökonomischen Druck gestellt“, sagt Hoelscher. Mit zunehmender Professionalisierung – zum Beginn der Spielzeit 2016/17 wurde ein Geschäftsführer berufen –, den Zuwendungen von Stiftungen und der öffentlichen Hand, gibt es nun auch Probensätze. Allein von der Ensemblearbeit leben die sieben Männer nicht. Professuren, Lehraufträge, Solo-Engagements stocken das Salär auf.
Die Offenheit für szenische Elemente ist ein Merkmal des Ensembles ascolta. Recht früh hatte Armin Köhler, der frühere Leiter der Donaueschinger Musiktage, sie mit einem Fluxus-Programm engagiert. „Wir beobachten, dass viele junge Komponistinnen und Komponisten nicht mehr mit der Frontalsituation des Konzerts arbeiten wollen“, erklärt Florian Hoelscher die Menge der Werke, in denen sie zwar nicht als Schauspieler, aber über das Instrument hinaus performativ agieren. Manchmal sei auch viel Spielerei, Unernstes dabei, das sähen sie kritisch. Andererseits verfolgen sie langfristige Bindungen mit denen, die experimentell dieses Feld ausfüllen, wie Jennifer Walshe aus Irland, die für sie vier Stücke geschrieben hat. Großen Erfolg hatte Simon Steen-Andersens Klangtheater „Inszenierte Nacht – Lesung nach den Buchstaben der Klassiker“, das sie nach der Uraufführung in Stuttgart international zwanzig Mal nachspielten, etwa in Barcelona, Dresden, Gent, Helsinki, Lyon, Salzburg und Tel Aviv. Auch beim Lucerne Festival werden sie dieses Jahr gastieren.
Wichtig sind ihnen dramaturgisch durchgestaltete Projekte. Ein anderes ihrer Spezialgebiete, mit denen sie viel Zuspruch finden, ist die Begleitung von Stummfilmen, für die neue Musik komponiert wurde, aber auch von neuen Videoarbeiten, bei denen sie gerne mit der Filmakademie in Ludwigsburg kooperieren. „Das Verhältnis von Bild und Musik ist ein problematisches, filigranes. Zu ambitionierte Musik kann die Filmbilder erschlagen“, beschreibt Borgir die Herausforderungen. Eines gilt: Sie suchen den Dialog, meint Florian Hoelscher abschließend: „Wir wollen zu und mit einem Publikum sprechen. Werke, die nicht ,sprechen‘, mit denen haben wir künstlerisch ein Problem.“ Auf den Erfolg allerdings schiele man nicht, an erster Stelle steht, dass das Ensemble vollkommen überzeugt ist von dem, was man aufführe.