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Jörg Widmann im Dubb Valley am Rande der Rub al-Khali (Leeres Viertel), der größten Sandwüste der Erde. Alle Fotos: Manu Theobald/© Siemens Arts Program
Jörg Widmann im Dubb Valley am Rande der Rub al-Khali (Leeres Viertel), der größten Sandwüste der Erde. Alle Fotos: Manu Theobald/© Siemens Arts Program
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Auf der Suche nach der Essenz einer Wüstenstadt

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Der Komponist Jörg Widmann über die Reise „into Dubai“ – ein Bildbericht mit Fotos von Manu Theobald
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„Das neue Musikprojekt des Ensemble Modern und des Siemens Arts Program in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut stellt den Versuch dar, musikalisch das Wesen einer Stadt zu ergründen. Seit 2006 wohnt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten – schon allein diese Tatsache rückt die Stadt in den Fokus des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses. Ihre Verlockungen setzen seit jeher Menschen in Bewegung, sei es in der Hoffnung auf Erfüllung von Sehnsüchten, auf der Suche nach wirtschaftlichem, gesellschaftlichem Erfolg oder dem Streben nach privatem Glück. Gleichzeitig unterliegt die Stadt einem fortwährenden inneren Wandel. An keinem Tag ist sie wie zuvor, und doch behält sie ihre Substanz. Was aber macht die Wesenheit einer Stadt aus? Was bestimmt ihre jeweilige „Essenz“ jenseits bekannter Assoziationen und Konnotationen, jenseits des äußeren Erscheinungsbildes, der geografischen oder klimatischen Lage? ,into …‘ ist eine künstlerische Annäherung – der Versuch, auf diese Fragen musikalisch zu antworten.“ (Siemens Arts Program).

In ihrer Februarausgabe berichtete die nmz vom Projekt „into …“. Jeweils vier Komponisten leben einen Monat lang in je einer der vier Megastädte Istanbul, Dubai, Johannesburg und im Pearl River Delta. Danach werden sie ein etwa 20-minütiges Werk für das Ensemble Modern komponieren. Die unterschiedlichen Versuche, dem Wesen der verschiedenen Städte musikalisch Ausdruck zu verleihen, werden ab Oktober 2008 zur Aufführung gebracht: ein musikalisches Städtewerk.

Die Fotografin Manu Theobald begleitete Jörg Widmann, der wie Markus Hechtle, Vykintas Baltakas und Márton Illés in Dubai war, mit ihrer Kamera. Ihre Fotogeschichte erzählt auf den Seiten 3 und 4 von den Eindrücken des deutschen Komponisten in der arabischen Boomtown.

Vom alpenländischen Walzer in Dubai
Jörg Widmann über seine Eindrücke während und nach einer Dubai-Reise

Zum Abschluss des Aufenthaltes von Jörg Widmann in Dubai führte Sonja Schirmbeck vom Goethe-Institut Golf-Region ein Interview mit ihm über seine Eindrücke. Die nmz zitiert eine Passage, in der Widmann über den Einfluss des Aufenthaltes auf seine Arbeitsweise und sein Werk spricht.

Wir hatten zu Beginn meines Aufenthaltes von meinem Respekt der arabischen Musik gegenüber gesprochen, der noch mehr gewachsen ist, seit wir hier Nasser Abaidoh getroffen haben, einen großartigen palästinensischen Musiker. Man darf so etwas Kostbares nicht einfach so für seine eigenen Zwecke ausbeuten und mitnehmen. Meine ursprüngliche Reaktion nach zwei, drei Wochen auf all das Neue und Fremde war ja auch die, dass ich plötzlich diesen skurrilen alpenländischen Walzer geschrieben habe und überhaupt sehr kurze, aphoristische Stücke. Es ist eine seltsame, aber für mich heute nachvollziehbare Reaktion: Man vergewissert sich des Eigenen. Genauso, wie es einen unter Umständen zuhause woandershin in die Fremde drängt, so trieb es mich in der Fremde zum Eigenen.
Ich habe hier auf der Klarinette unendlich viel Mozart gespielt, auch auf dem Klavier Mozart, Schumann und Brahms und Berg. Das von mir so Geliebte, wo ich eigentlich herkomme, wo wir herkommen. Diese widerstrebenden Energien haben mich dann zu der Überlegung gebracht, dass man genau dies vielleicht doch zum Thema machen muss. Diese zwei Welten doch aufeinanderzujagen und mit unversöhnlichen Schnitten musikalisch aufeinanderzuhetzen, zumal für mich in der Stadt diese Schnitte eine große Rolle spielen. Als wir zum Beispiel in der Marina waren – einer im Entstehen begriffenen futuristischen Lichter-Türme-Mini-Stadt innerhalb von Dubai – tönt in diese Hyper-Moderne im Fortissimo ein Muezzin-Ruf. Das sind fast unvereinbare Sichtweisen der Welt. Und das alles an einem Ort.

Und diese Schnitte, dieses nicht zu Vereinbarende und dieses Nicht-Versöhnliche wird in irgendeiner Form die Struktur meines Stückes bestimmen. Ich glaube, dass ich nach meinem Aufenthalt kein rundes Bild der Stadt abliefern kann und will. Kein Bild, das aufgeht. Es wird sehr widersprüchlich sein, es wird Ecken und Kanten haben müssen.

Jörg Widmann und Markus Hechtle hielten an der Universität in Al Ain eine Lecture, bei der sie auch ihre Musik auf CD vorstellten: Für mich aber vielleicht noch wichtiger als die Begegnung mit Nasser Abaidoh, war die mit den verschleierten jungen Frauen in der Universität Al Ain. Das war für mich mit die wichtigste und schönste Begegnung der ganzen Zeit.

Ich habe gemeinsam mit Markus Hechtle zwei Workshops gegeben, einem Studien-Kollegen aus meiner Karlsruher Zeit, den ich im Rahmen dieses Projektes zu meiner großen Freude wiedergesehen habe. Alle beteiligten Institutionen waren in gro­ßer Sorge und Anspannung, da es sich um eine absolute Premiere handelte. Wir brauchten sogar eine Genehmigung, die das Goethe-Institut besorgt hat, um als Männer den Campus dieser Frauen-Universität betreten zu dürfen. An diesem Ort hatte es noch nie eine vergleichbare Veranstaltung gegeben, noch dazu mit zeitgenössischer Musik. Niemand wusste, was passieren würde. Wir stellten unsere Musik vor, erzählten ein wenig von dem Projekt und kamen schnell ins Gespräch. Die Fragen der Damen waren blitzend intelligent, auch witzig, kritisch oder zustimmend. Und am Schluss kamen alle euphorisch und heiter zu uns auf die Bühne. In die-se glücklichen, lachenden und schönen Gesichter zu sehen, das werde ich nicht vergessen. Allein wegen dieser Begegnung hätte sich der Aufenthalt schon gelohnt.

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