In den 1980er-Jahren, als eine regelrechte Gründungswelle Neuer Musik-Ensembles losbrach, fanden sich am Institut für Neue Musik der Freiburger Hochschule für Musik 15 Studenten zusammen, die als „Ensemble Aventure“ dieser Aufbruchstimmung folgten. Mit nonkonformen Konzepten und musikalischem Interesse an anderen Kulturen sonderten sie sich allerdings von der breiten Masse ab. Seit 25 Jahren ist dem Ensemble eine umtriebige Neugier am Fremden und Unbekannten eigen, die auch dazu führte, weiße Flecken in der Musikgeschichte des letzten Jahrhunderts aufzuarbeiten.
Von Anfang an regte Aventure einen Dialog der Kulturen an, wie er bis heute von anderen Ensembles nicht gesucht wird. Korea, Israel, Palästina, Griechenland und vor allem die zeitgenössische Musik Lateinamerikas interessiert sie. In Kontakt mit letzterer kamen sie bereits im Zuge ihres Debütkonzertes 1986. Der Dirigent Bernhard Wulff gab ihnen Notenmaterial zu „Los Cadadias“ von Coriún Aharonián aus Uruguay an die Hand. „Die Sparsamkeit der Gesten, mit einer Kürze und Prägnanz des Materials, dafür aber mit umso schärferer Expressivität, die Bezug nimmt auf die Alltäglichkeiten des Kontinents“, hätte, so Wolfgang Rüdiger, künstlerischer Leiter des Ensembles, ihre Faszination für die zeitgenössische Musik Lateinamerikas entfacht. Inzwischen reisten sie bereits dreimal für Konzertprojekte auf den südamerikanischen Kontinent, wie dieses Jahr mit Station in Montevideo, La Plata, Santa Fe und Rosario. Aber das Ensemble widmet sich nicht nur einer intensiven, grenzüberschreitenden Förderung der Gegenwart. Es blickt auch zurück, zum Beispiel auf das, was durch die Nationalsozialisten in Vergessenheit geriet oder bewusst verdrängt wurde. Kompositionen von Stefan Wolpe oder Erwin Schulhoff beispielsweise wurden mit ihrer Hilfe aus der Versenkung geholt und neu belebt.
Die 15 Musiker sind in der Besetzung äußerst flexibel. Durch ihre Vielseitigkeit kann Aventure experimentell neue Besetzungstraditionen begründen, wie zum Beispiel das „Octandre-Projekt“ zeigt: Edgar Varèses‘ „Octandre“ (1923) weist eine unkonventionelle Kombination von Instrumenten auf, deren Verbreitung Aventure seit den 1990er-Jahren gezielt vorantreibt. Mit Unterstützung des Kunstministeriums Baden-Württemberg vergab das Ensemble Kompositionsaufträge speziell für diese „Octandre-Besetzung“ – wie etwa an Thomas Bruttger oder Rolf Riehm. Mit Aufträgen für andere Besetzungen förderten und fördern sie zudem in Zusammenarbeit mit verschiedenen Veranstaltern und Stiftungen, wie der Ernst von Siemens Musikstiftung und der Kunststiftung NRW, in großem Rahmen Komponisten/-innen unserer Zeit.
Pädagogische Vermittlungsansätze von Neuer Musik sind für Aventure seit jeher elementar: Konzerteinführungen, Podiumsdiskussionen mit Komponisten, das Arbeiten mit Schülern sowie die zahlreichen Publikationen von Wolfgang Rüdiger, in denen sich seine Erfahrungen als Ensemble-Fagottist widerspiegeln, sind seit jeher integraler Teil ihrer Arbeit. Mit nonkonformen Programmkonzepten versuchen sie zum Beispiel, stets sinnstiftend neue Beziehungen zwischen Werken herzustellen oder sie zu kontrastieren. In „Anti-Luxus – Kompositionen des Überlebens“, ein Konzert, das im Rahmen des Freiburger „mehrklang festivals“ 2011 gespielt wurde, hat Aventure zum Beispiel Werke von 1943 bis heute zusammengebracht, die aus „luxurierender Lebensnotwendigkeit“ heraus entstanden sind: vom den Holocaust reflektierenden „Lider-Togbuch“ (1997/98) des israelischen Komponisten Gilead Mishory über Gideon Kleins in Theresienstadt entstandene Sonate für Klavier (1943), bis hin zur Uraufführung von Wolfgang Motz‘ „De Profundis“ (2011), das einen musikalischen „Kerker des Dunkels“ ausleuchtet. Rüdiger: „Solche Programme fesseln die Leute, nicht die ewigen Rituale: Auftreten, Klatschen, Spielen, Klatschen, Abtreten. Ein Programm ist etwas, was komponiert werden muss. Ich glaube, da liegt auch die Zukunft. Kommunikation in, durch und mit Musik.“