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Ausbildung als Fragezeichen

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Der Komponist und Pädagoge Peter-Michael Riehm
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Am 15. Februar 2022 wäre der Komponist, Professor und Waldorflehrer Peter-Michael Riehm (1947–2007) 75 Jahre alt geworden. Wer ihn näher kannte, weiß, wie sehr sich sein still-authentisches Wesen dem rein „Begrifflichen“ entzieht.

Geboren im badischen Wilferdingen, studierte er Klavier bei Naoyuki Taneda und Komposition sowie Musiktheorie bei Eugen Werner Velte. Der Komponist besuchte die Darmstädter Ferienkurse und wurde mit dem Förderpreis Stuttgarts ausgezeichnet. Befremdet über die Sinnkrise der Avantgarde, wendete er sich der Schulmusik zu. Bereits mit 26 war er an die Freie Waldorfschule Tübingen gegangen, wo er insbesondere in der Chorarbeit ein umfangreiches Schaffen hinterließ. Hier entfaltete sich sein Ruf als Erzieher, der jedes Auditorium – Anfänger wie Akademiker – zum Schwingen brachte.

Als sein Förderer Christoph Peter 1982 starb, wechselte er als dessen Nachfolger ans Stuttgarter Seminar für Waldorfpädagogik. Vermehrt trat er als Redner und Liedbegleiter in Erscheinung. Sein Essay „Musikunterricht aus lebendiger Menschenkunde“ von 1989 hat die anthroposophische Erziehung nachhaltig verändert. So wie der Embryo die Evolution als Mikrokosmos noch einmal durchläuft, begleitet Riehm die Entwicklung vom Erstklässler zum sozialen Individuum durch die Epochen bis in die aktuelle Musik. Im Prozess der Selbstfindung wird das Tonphänomen, mit den Worten Hans Kaysers, als „Brücke zwischen Sein und Wert, Wert und Seele, Materie und Geist“ noch einmal erschaffen. Durch strenge Empirie geerdet, konnte Riehm auf ideologische „Höhenflüge“ (ebenso wie auf technische Hilfsmittel) verzichten.

Das Werdende, Unfassbare bildete den Kern von Riehms Neugier. Als Professor an der Hochschule für Musik Karlsruhe übernahm Riehm diesen Ansatz in seine legendäre Vorlesung „Allgemeine Musiklehre“. Die Ausbildung sei verfehlt, wenn sie uns als „Punkt“ anstatt als „Fragezeichen“ in die Welt entlasse. Subtile Analogien verdichtete er mit der Unaufdringlichkeit eines Spaziergangs, vom „Atmen“ der Gregorianik über das „Mineralische“ der Quinten im Organum, die „fruchttragende“ Wärme der Terz in der Renaissance, den „tierhaften“ (da noch kollektiven) Auflösungstrieb der Septimen im Barock bis zum „Tritonus“ des elften Partials, dessen Janusköpfigkeit „keine bleibende Statt“ kennt. Das Zen-hafte an diesen Variationen lockte Studierende so zahlreich in seine Veranstaltungen, dass das Rektorat den Zutritt eindämmen musste.

Neben seinem berühmteren, gleich lautenden Kollegen ohne „e“ wirkte er als mindestens ebenbürtige Kraft. Stephan Ronner (sein Nachfolger in Stuttgart) erinnert an den Satz: „Gemeinschaft ist Überwindung der Anderheit in der gelebten Einheit“. Über „Toleranz“ als bloßes Hinnehmen hinaus übte er sich in „Assonanz“ als „gegenseitiger Umfassung“, begann sogar jenseits der 50 Türkisch zu lernen. Als Student bereitete es mir Mühe, seinem Anspruch der Identifikation gerecht zu werden: Wer die alten Meister in Form von „Satztechniken“ abhandeln wollte, kam bei ihm nicht umhin, sie mit Haut und Haaren zu „verdauen“.

Gemeinsam mit dem Pianisten Günter Reinhold gründete er 2002 die Karlsruher Akademie für musikalische Bildung, in deren Kollegium ich Peter Feuchtwanger, Renate Ackermann und die Pianistin Birgit Nerdinger nennen möchte. Die Rastlosigkeit, mit der er seine Liebe jedem Forum schenkte, forderte Tribut mit einem Schlaganfall, in dessen Nachbeben er am 30. Januar 2007 verstarb. Benedikt Burghardt, Holger Kern, Stephan Ronner und andere geben seinen Nachlass seit 2011 im Peter-Michael-Riehm-Institut heraus. Völlig zu Unrecht bleibt Peter-Michael Riehm als Komponist unentdeckt. So wurde er bei der Produktion des Albums „Karlsruher Schule“ des Wolfgang-Rihm-Forums (Capriccio 2020) vergessen.

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