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Klauspeter Seibel. Foto: Charlotte Oswald
Klauspeter Seibel. Foto: Charlotte Oswald
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Den Pultlöwen gab er in der Garderobe ab

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Zum Tode des Dirigenten Klauspeter Seibel
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Neben den Dirigenten, die es verstehen, ständig in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erscheinen, gibt es noch Kapellmeister im guten alten Sinn: Kapellmeister, die einfach ganz ruhig vor ein Orchester treten, ihre Professionalität in den Dienst der Musik stellen und dabei ganz wunderbare Musik aufklingen lassen. Als einen solchen Dirigenten-Kapellmeister hat man immer Klauspeter Seibel erlebt: kompetent im Fachlichen, vital im musikalischen Zugriff auf die Partituren, ein sicheres Gespür für die inneren dramatischen Energien eines Musik-Kunstwerks, was Seibel besonders für die Oper zu einem hervorragenden Interpreten werden ließ.

Seibels Laufbahn ist entscheidend in seinen Frankfurter Jahren geprägt worden. Christoph von Dohnányi hatte ihn Anfang der siebziger Jahre an die Frankfurter Oper als Ersten Kapellmeister verpflichtet; zuvor war Seibel in Lübeck und Kassel engagiert. Rasch zeigte der junge Dirigent seine vielfältigen Qualitäten, sowohl im Repertoire als auch bei Premieren. In der Erinnerung bleibt eine sehr fein gezeichnete, klangfarblich sensibel ausgehörte „Arabella“ von Richard Strauss sowie eine großformatige „Elektra“. Als Dohnányi Frankfurt in Richtung Hamburg verließ, ging Seibel als Generalmusikdirektor nach Freiburg – ohne jedoch Frankfurts Oper aus dem Blick zu verlieren.

Die Rückkehr an den Main ermög­lichte eine der damals fast routinemäßigen Frankfurter Theater-Krisen. Als Cambreling 1996 in Unfrieden ging, sprang Seibel als „General“ ein. Zusammen mit Martin Steinhoff führte er die Frankfurter Oper bis 1999, danach noch zwei weitere Spielzeiten unter Paolo Carignani als erster Gastdirigent. Schon Seibels erste Premiere, Puccinis „La Bohème“, zeigte besonders klar, worauf es dem Dirigenten ankam: kein sentimentalisches Schwelgen, vielmehr klare, durchsichtige Strukturen, fein schattierte instrumentale Farben, keine forcierten Tempi, mehr ein plastischer narrativer Gestus. Auch Tschaikow­skys „Eugen Onegin“ zeichnete sich durch ähnliche Qualitäten aus.

Seibel dirigierte aber nicht nur gängi­ges Repertoire. Er war neugierig auf Neues und zu Unrecht Vergessenes. Sei­ne Zeit als Kieler Generalmusikdi­rek­tor von 1987 bis 1995 unter der Inten­danz von Peter Dannenberg demonstrierte, was das sogenannte Stadttheater zu leisten vermag, wenn „kluge Köpfe“ das Sagen haben. Einige Titel, die damals in Kiel die Spielpläne zierten: Erich Korngolds „Der Ring des Polykrates“ sowie „Die tote Stadt“, von Frederick Delius „Romeo und Julia auf dem Lande“, Max von Schillings „Mona Lisa“, Alexander Zemlinskys „Es war einmal“ sowie „Der Geburtstag der Infantin“, von Hindemith „Sancta Susanna“ und von Günter Bialas „Aus der Matratzengruft“. Manche dieser Aufführungen sind auch für „die Ewigkeit“ festgehalten und geben Zeugnis von Klauspeter Seibels Dirigierkunst. Wie Seibel die leicht zur effektvollen Knalligkeit neigende Musik Max von Schillings durch feine Detailzeichnung „veredelt“, wie er den subtilen Farbreichtum bei Delius aufleuchten lässt, das zeigt, dass Seibel nicht nur ein hervorragender Kapellmeister, sondern zugleich auch ein kenntnisreicher Interpret war. Dass er auch im Konzertsaal für Ereignisse sorgen konnte, hat er immer wieder nachdrücklich demonstriert, mit dem Philharmonischen Orchester Kiel, mit dem Frankfurter Museumsorchester, aber auch bei seinen vielen Auslandsauftritten, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo er mehrere Jahre Musikdirektor des Louisiana Philharmonic Orchestra war. Jetzt ist Klauspeter Seibel nach langer schwerer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben.

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