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Die Füße denken mit: Florian Hölscher. Foto: Franziska Molina
Die Füße denken mit: Florian Hölscher. Foto: Franziska Molina
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In der Arena der Klänge

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Der Pianist Florian Hölscher im CD-Porträt
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Den guten Virtuosen erkennt man daran, wie er das Einfache spielt. Etwa die langsamen Sätze von Mozart. Oder, was unsere Zeit angeht, Salvatore Sciarrinos Klavierstück „Perduto in una città d’aque“. Es besteht im Grunde nur aus einer Säule von Oktaven über dem sehr tiefen C und darum herum einem Netz von sparsam gesetzten, über die ganze Tastatur ausgebreiteten Einzeltönen. Florian Hölscher bringt das knapp neunminütige Stück auf exemplarische Weise zum Klingen.

Aus dem nackten Tongerüst entsteht ein vielfarbiges Klanggemälde, durch die spannungsvolle Zeitdisposition, die Tiefenstaffelung der Klänge und ihre unterschiedliche Gewichtung wird der Raum nach allen Seiten ausgeweitet. Die raffinierte Pedalisierung und die Resonanzen einzelner nachklingender Saiten bringen eine ganze Welt von Obertönen zum Leuchten.

In der Unwirklichkeit dieser Unterwasserstadt, einer reduktionistischen Fortschreibung von Debussys „Cathédrale engloutie“, fühlt man sich beim Hören tatsächlich verloren, aber auf angenehme Art. Dieselbe Gestaltungskraft macht sich bei den anderen Stücken auf dieser Sciarrino-CD bemerkbar: in den glitzernden Klangkaskaden der Ersten Sonate von 1976 ebenso wie in den beiden Notturni und der mit ihnen verwandten Fünften Sonate aus den neunziger Jahren, deren abgerissene Kleinfiguren zu einer lebhaften Klangerzählung verkettet werden. (Neos 11124)

Hölscher hat einen Blick für interessante Repertoires. Mit den Klavierwerken und Stücken für Klavier und Flöte von Jonathan Harvey rückt er einen noch immer viel zu wenig gespielten Komponisten ins Rampenlicht. Auch hier gibt es diese souveräne Zeitgestaltung, gepaart mit einem entwickelten Klangsinn und einer prickelnd klaren Fingertechnik. (Neos 10828)

Der 1970 geborene Hölscher, Schüler von Robert Levin, Michel Béroff und Pierre-Laurent Aimard, tritt nicht nur als Solist zeitgenössischer Musik auf internationalen Podien in Erscheinung. Er hat auch an Schallplatteneinspielungen mit Musik von Berlioz und Charles Koechlin mitgewirkt, und als Ensemblepianist begegnet man ihm mit Werken des US-Amerikaners Joseph Schwantner (Naxos 8.559206). Vor allem aber engagiert er sich im Stuttgarter Ensemble Ascolta, das er 2003 mitbegründete und das mit Programmen von Fluxus bis Zappa frischen Wind in die Festivallandschaft bringt. Auch als Lehrer ist er tätig, seit einigen Jahren unterrichtet er an der Luzerner Musikhochschule.

Hölschers Klangverständnis scheint stark von räumlich-orchestralen Erfahrungen beeinflusst zu sein. Farben und Tiefenwirkungen erzeugen, den Klang modellieren, ihm nachhorchen und die Zeit sich dehnen lassen, ohne die musikalische Struktur zu verunklaren: Diese Eigenschaften verleihen auch seiner Einspielung der „Miniature estrose“ von Marco Stroppa scharfe Konturen. Die endgültige Fassung des rund einstündigen Werks brachte Hölscher 2002 im WDR Köln zur Uraufführung, Teile davon hatte zuvor schon sein Lehrer Aimard  gespielt. Der siebenteilige Zyklus, an dem Stroppa über ein Jahrzehnt arbeitete, entwirft das Bild einer Klangarena, und mittendrin Hölscher, der mit den Klängen nach Zirkuskünstlerart hantiert und brilliert. Etwas Ähnliches hatte schon 1997/98 Helmut Lachenmann mit seiner Ausklangsstudie „Serynade“ versucht. Doch was Stroppa hier unternommen und Hölscher mit überragendem Können auf CD festgehalten hat, geht sowohl in der Klangerfindung als auch im pianistischen Anspruch weit darüber hinaus. Die zwischen Toccatabravour und kühler Resonanzstudie angesiedelten Charakterstücke erobern dem Klavier neue Dimensionen. Manchmal geht das bis ins klirrende Extrem, manchmal vermeint man in den Nachhallprozessen noch etwas von der Elektronik zu hören, mit der sich Stroppa seit Jahrzehnten befasst. Doch entsteht das ganze Klangtheater nur durch das Spiel auf den Tasten und den kontrollierten Pedalgebrauch – die Füße denken mit. Virtuosität und Klangmagie verbinden sich zu einem starken Hörerlebnis. (Stradivarius  STR 33713)

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