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Der „Haindling“ ist 80 Jahre jung geworden. Foto: Bernd Schweinar.

Der „Haindling“ ist 80 Jahre jung geworden. Foto: Bernd Schweinar.

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Der „Haindling“ ist 80 Jahre jung geworden

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Hans-Jürgen Buchner über sein Alleinstellungsmerkmal und die Wichtigkeit von Musik für Kinder
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Hans-Jürgen Buchner ist am 27. Dezember 80 Jahre alt geworden. Unter diesem Namen kennt man den Komponisten und Musiker in Deutschland nur begrenzt. Seine Band „Haindling“ ist hauptsächlich in Süddeutschland live unterwegs. Aber seine Musik kennen fast alle. Sie ist omnipräsent im Fernsehen, bei TV-Serien als Titelsong unter anderem der „Rosenheim-Cops“, als weltmusikalische Blasmusikuntermalung unter vielen Dokus und Reportagen. Herman van Veen hat einen seiner Songs zur quasi holländischen Volkshymne „Hilversum3“ gemacht. Er hat auch für Chaka Khan komponiert und Janosch vertont.

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Die Musik des Klangmalers und doppeldeutigen Musik für Kinder „Ton-Künstlers“ definiert den Wiedererkennungswert als Alleinstellungsmerkmal. Niemand hat seinen Stil bisher kopiert. Noten lesen kann er nicht und sieht die kreative Kraft bei den Autodidakten. Ein Instrument als Kind zu erlernen, gehört für ihn zur elementaren Prägung, aber die Musikausbildung sieht er kritisch.

„Ich hatte kein erfülltes Leben, sondern das habe ich immer noch!“, sagt der Jubilar im Dezember kurz vor seinem 80. Geburtstag daheim in seiner Wohnstube. Auf seinem Lebensweg sei ihm wichtig gewesen, dass er „erstens von der Musik besessen“ war und er Musik „zweitens nicht gemacht habe, um unbedingt berühmt zu werden“. Banal gesagt: „Ich wollte einfach nur in dieses Saxophon hineinblasen, weil es so viel Spaß gemacht hat.“

Zweites Herz für die Musik

Hans-Jürgen Buchner wohnt im beschaulichen niederbayerischen Dorf Haindling. Im alten Dorfwirtshaus direkt neben der Kirche. Dorthin hatte es ihn vor über vier Dekaden verschlagen, weil seine frühere Keramikwerkstatt in Straubing damals einer Museumserweiterung zum Opfer fiel. Buchner ist ausgebildeter Keramikmeister und war früh Träger des „Bayerischen Staatspreises für Keramik“. Das günstig erstandene Wirtshaus hat er saniert und im früheren Schweinestall die Töpferwerkstatt eingerichtet, die er zusammen mit seiner Frau Ulrike Böglmüller betrieb. Sein zweites Herz schlug aber immer schon für die Musik. 

„Ich habe begonnen meine Musik zu machen, weil ich beim Ausliefern meiner Keramik in meinem Auto eine Musik hören wollte, die es nirgendwo gab. Also habe ich sie selber gemacht. Das war der Grund“, reduziert Buchner seine Karriere verbal fast zum Nebenprodukt. Er habe als Keramiker wie auch als Musiker immer Glück gehabt. Auch dass er sich früh einen Minimoog-Synthesizer zu seinem Instrumentarium aus Klavier und Blasinstrumenten gekauft habe, zählt er dazu. „Ich habe meine Bässe mit dem Moog gemacht, was eine wilde Zusammenstellung war. Auch mit den anderen Instrumenten. Das war und ist mein innerer Kosmos!“

„Komponieren fällt mir sehr leicht“

Ein Kosmos, der seinen Wiedererkennungswert spätestens nach zwei Takten definiert. Buchner: „Ich habe innerlich immer Melodien im Kopf und mein Wiedererkennungswert liegt darin, dass ich in meinem Studio alle Instrumente selber einspiele. Würde ich zum Beispiel zu meinem Bandkollegen sagen, spiel doch du die Melodie mit der Trompete, dann wäre das anders.“ Und der Multiinstrumentalist weiter: „Ich habe meinen Stil auf der Trompete, am Klavier und auf allen Instrumenten, die ich spiele. Dadurch habe ich einen eigenen Wiedererkennungswert.“ Und natürlich in seiner Art zu komponieren! „Irgendwelche Melodien zu machen, fällt mir eigentlich überhaupt nicht schwer, weil ich mich nur ans Klavier zu setzen brauche, um irgendwas zu improvisieren. Und dann ist auch schon wieder eine neue Melodie da! Komponieren fällt mir sehr leicht.“ 

Er verdeutlicht das am Beispiel, wenn Film- oder Fernsehregisseure zu ihm ins niederbayerische Studio kommen. Man schaut sich gemeinsam erste Bilder an und Buchner weiter: „Mir fällt dann meistens sofort irgendetwas ein, wenn ich ein Bild sehe.“ So geschehen etwa mit den kultigen Titelmelodien zur Fernsehserie „Irgendwie und sowieso“ mit Ottfried Fischer oder auch der Titelsong „Paula“ zur Vorabendserie „Zur Freiheit“. Da habe er zum Regisseur Franz Xaver Bogner gesagt: „Moment, ich spiele dir schnell am Klavier was vor. Passt das? Ja, das passt. Und so ist das alles entstanden, weil ich ziemlich schnell das musikalische Gefühl dafür habe, was zu dem Film passt. Das geht bei mir ganz schnell.“

Verkorkste Schullaufbahn

Geboren ist Buchner 1944 in Bernau bei Berlin. Sein Vater war Tierarzt in Regensburg und nach Ostbayern zog die Familie schnell nach dem Krieg. Der kleine Hans-Jürgen und statischer Schulunterricht, das vertrug sich gar nicht. Aversionen gegen Latein und Mathematik sind bekannt. „Ich habe eigentlich eine Aversion gegen das ganze Kloster gehabt, in dem ich war.“ Nach mehreren Klosterinternaten hatte der Direktor eines Straubinger Gymnasiums seinen Eltern geraten, den Jungen von der Schule zu nehmen. Daraufhin begann er eine Ausbildung zum Keramiker. Das Abbiegen auf die Kreativspur erfolgte gerade noch rechtzeitig. „Ab da hatte ich auf einmal Leistungen gebracht, über die sich meine Eltern gefreut haben“, so Buchner. 

Musikunterricht elementar für Kindesentwicklung

Er ist insbesondere über die kreative Prägung durch seine Mutter froh und holt aus: „Gott sei Dank hatte ich das Glück, dass ich mit vier Jahren Klavier­unterricht bekommen habe. Ich empfinde es als das Allerwichtigste für einen Menschen, Talente zu fördern. Man muss sich an künstlerischem Werken oder Musik orientieren können. Weil die Musik etwas ist, mit dem man der Wirklichkeit entfliehen kann. Und das braucht einfach ein Kind.“ Und der erfolgreiche Komponist und Musiker weiter: „Musik ist sehr wichtig, um ein Leben prägen zu können. Es ist deshalb wichtig, weil viele Menschen das Talent in sich tragen, aber es nicht wissen. Durch ein Musikinstrument weiß man, ob eine künstlerische Substanz in einem Menschen steckt. Wenn man den Zugang zu einem Instrument hat, dann kann man sich auch entscheiden. Aber wenn man nie den Zugang hat, geht das leider an der Entwicklung der Kinder vorbei.“

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Der „Haindling“ ist 80 Jahre jung geworden. Foto: Bernd Schweinar.

Der „Haindling“ ist 80 Jahre jung geworden. Foto: Bernd Schweinar.

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„Hätte ich Musik studiert, wäre alles nicht so gekommen“

Alle Pädagogen dürften sich jetzt bestätigt fühlen, wenn am Ende eines solchen Weges der Erfolg steht. Aber der Komponist Buchner sieht insbesondere in puncto Eigenprofil die universitäre Musikausbildung kritisch: „Mir kam zugute, dass ich nicht Musik studiert habe, weil sonst wäre das alles nicht so gekommen. Genauso wie bei einem studierten Maler, bei dem bleibt auch garantiert von seinem Professor irgendwas hängen. Musikalisch bin ich halt ein voller Autodidakt. Und das ist mein Glück!“ Und weiter: „Wenn man Musik studiert, wird das ein ganz anderer Lebensweg. Weil ich dann natürlich auch dazu verurteilt bin, dass ich etwas spiele, was andere schon gemacht haben. Dann muss ich irgendwie in ein Orchester gehen, damit ich mein Geld verdiene. Oder ich muss die ganzen Harmonien so lernen, wie es gehört und nicht so, wie sich ein Autodidakt wie ich sich das einbildet.“ Ergänzend fügt Buchner noch hinzu: „Ich habe oben in der Wohnung einen Spruch, der lautet: Der Amateur verändert die Welt, der Wissenschaftler geht kein Risiko ein.“

Multiinstrumentalist

Der Multiinstrumentalist war als bayerisches Aushängeschild und Musikbotschafter für die Staatskanzlei in Kanada und China. Von diesen und anderen Reisen hat er immer wieder exotische Instrumente mitgebracht, die in seinen Songs zur Anwendung kamen. Er hat auf Muscheln oder Rinderhörnern geblasen und Mundstücke auf Antilopenhörner gesteckt. Er hat zu seiner breiten Palette an gespielten Blechblasinstrumenten auch Musik mit einer Singenden Säge gemacht oder einen Rasierapparat in ein Lied eingebaut, weil ihm beim Rasieren aufgefallen war, dass das Summen konstant im Ton A erfolgte. Als Lieblingsinstrumente nennt er die Dulcimer, das Klavier und seine Klangschalen. Die liegen immer bereit, wenn er vorbeigeht und ihm spontan etwas einfällt.

Das Alter und das Glück

„Natürlich hätte ich früher nicht gedacht, dass ich bis zum 80. Geburtstag oder darüber hinaus auf der Bühne stehen werde“, sagt Buchner, der zweimal bereits mit schwereren Erkrankungen zu kämpfen hatte. Dementsprechend sei es „etwas Wunderbares, wenn man noch die Begeisterung des Publikums für seine Musik spürt“. Dafür sei er sehr dankbar. Buchner weiter: „Ich habe erst nach einiger Zeit gemerkt, dass ich einen Lebensspruch habe, der da heißt: Glück muss man erkennen! Und mehr sage ich nicht. Weil das eigentlich viel genug aussagt.“ 

Er ergänzt dann dennoch: „Man kann auch sagen, der eine geht durch den Garten und sieht die schönen Blumen und freut sich daran und der andere geht durch und sieht nichts. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Glück zu erkennen oder zu sehen. Und Glück gibt es viel mehr als man denkt, wenn man die richtige Einstellung hat.“

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