Vier Mitarbeiter, 230 Quadratmeter Fläche und nur eine zentrale Telefonnummer – allzu üppig geht es im Frankfurter Hindemith-Institut nicht zu, aber wozu auch: Das umfangreiche Archiv hat seinen Raum, jeder, der eines braucht, hat sein Arbeitszimmer, es gibt eine Bibliothek, und die wertvollen Autographen sind ohnehin in einem Bankschließfach untergebracht.
Am Anfang war die Stiftung. Sie wurde im Jahre 1968 von Paul Hindemiths Witwe Gertrud auf der Basis des Testaments gegründet und ist Eigentümerin des Nachlasses. Sechs Jahre später rief die Stiftung das Frankfurter Hindemith-Institut ins Leben. Es nahm von Anfang an die klar umrissenen Aufgaben und Interessen eines Forschungsinstituts und eines Archivs wahr. Die Stiftung ist Eigentümerin des Nachlasses und kommt, weil es keine anderen Erben gibt, in den Genuss der Aufführungstantiemen für Paul Hindemiths Werke. So ist das Institut in seiner Existenz und seiner Arbeit von den Zuwendungen öffentlicher Stellen weitgehend unabhängig. Es erfreut sich jedoch einer engen Bindung zur Stadt Frankfurt, zum Land Hessen, und es kann Räumlichkeiten in der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst nutzen. Für Ausstellungen und als intimer Konzertraum steht außerdem der Kuhhirtenturm zur Verfügung, Hindemiths ehemaliger Wohnsitz im Stadtteil Sachsenhausen. Den hat die Stadt vor drei Jahren aufwändig restauriert, und die Stiftung hat dort Ausstellungsräume und einen kleinen Konzertraum eingerichtet.
Im Hindemith-Institut wird die Werkausgabe betreut und herausgegeben. Sie hat in ihrer Arbeitsweise Maßstäbe für die Editionspraxis von Komponisten-Gesamtausgaben des 20. Jahrhunderts gesetzt. Etwa zwei Drittel der Arbeit ist, wie Institutsdirektorin Susanne Schaal-Gotthardt schätzt, inzwischen getan.
Das Hindemith-Jahrbuch, 1971 von der Stiftung als Publikationsorgan für wissenschaftliche Studien zu Leben und Werk Hindemiths begründet, wird vom Institut konzipiert und herausgegeben. Das Hindemith-Forum, Zentralorgan und Newsletter der Stiftung, entsteht ebenfalls hier. Ergebnisse diskursiver Veranstaltungen, die das Institut in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie der Frankfurter und der Kölner Musikhochschule, der Universität Würzburg oder der Universität der Künste in Berlin veranstaltet, werden in der Schriftenreihe „Frankfurter Studien“ dokumentiert.
Das ergibt eine beträchtliche Menge regelmäßig zu bedruckendes Papier. Die dem Umfang und der Reichweite nach wichtigste Publikation des Instituts dürfte dennoch inzwischen seine Website sein. Nach einem Relaunch vor zwei Jahren enthält sie heute eine Fülle an Materialien, Verweisen, Links, Informationen. Aufbau und Pflege der Website gehört ebenfalls zu den verantwortungsvollen Aufgaben des Instituts.
Dass es dabei auf den umfangreichen und wohlgeordneten Nachlass zugreifen kann und eben nicht nur auf vereinzelte Fotografien, Dokumente und Verweise, zeigt sich hier als enormer Vorteil. Hindemith war ein aufmerksamer, manchmal fast penibler Archivar eigener Werke, Nebenwerke, Schriften, Zeichnungen, Skizzen, Briefe, und auf dieser Basis ließen sich weitere wichtige Dokumente ausfindig machen, von denen das Institut im Laufe der Zeit viel zusätzliches Material anschaffen konnte.
Hindemiths Wohnhaus in Blonay am Genfer See, das ursprünglich als Musikzentrum geplant war, hat sich im Laufe der Jahre verändert. Das Haus wird inzwischen als Tagungs- und Probenzentrum betrieben, das dem Musikbetrieb zur Verfügung steht und nicht mehr nur als Aufführungsort für Hindemiths Musik fungiert (siehe nmz 10/2011). Die Kontakte des Frankfurter Instituts nach Blonay sind nach wie vor eng.
Da das Institut zwar nicht von Zuwendungen der öffentlichen Hand, aber doch davon abhängig ist, wie lebendig Hindemiths Werk im Musikbetrieb ist, hat es ein intensives Interesse daran, sich mit der eigenen Arbeit immer wieder an die Öffentlichkeit zu wenden. Aufführungen von Hindemiths Opern sind für das Ins-titut immer in mehrfacher Hinsicht erfreuliche Ereignisse, aber auch im Konzertbetrieb ist Hindemiths Musik durchaus präsent, wenngleich da, wie Susanne Schaal-Gotthardt findet, noch mehr möglich wäre. Gerade im Frankfurter Opern- und Konzertbetrieb scheint der (Hanauer) Komponist zurzeit ein wenig ins Hintertreffen geraten zu sein. Andererseits setzen sich etliche weltweit profilierte Musiker – etwa die Geiger Frank Peter Zimmermann und Thomas Zehetmair, die Bratschistin Tabea Zimmermann, der Bratschist Antoine Tamestit – nachhaltig für Hindemiths Werk ein. Gegenüber Aufführungswünschen und durchaus auch gegenüber Bearbeitungs-Projekten von Werken Hindemiths verhält sich das Institut offen und kooperativ und unterscheidet sich damit durchaus von einigen anderen Nachlassverwaltern.
Sein vierzigjähriges Bestehen feiert das Hindemith-Institut mit einer Ausstellung im Kuhhirtenturm, die Hindemiths Schwiegervater Ludwig Rottenberg, der 33 Jahre lang Erster Kapellmeister der Frankfurter Oper war, gewidmet ist. Am 13. November gibt es im Mainzer Schott-Verlag ein Hindemith-Konzert, vom 14. November bis zu Hindemiths Geburtstag am 16. November ist im Kleinen Saal der Musikhochschule eine Hindemith-Ausstellung zu sehen, vormittags geben Musikerinnen und Musiker des Ensemble Modern im Kuhhirtenturm ein Konzert mit Werken Hindemiths, und abends findet im Großen Saal der Hochschule ein Festkonzert unter der Leitung von Gerhard Müller-Hornbach statt.