Stuttgart, Hamburg, New York und zurück und das oft innerhalb von Tagen, Konzertreisen durch Argentinien oder Japan – das sind die Stationen zwischen denen sich zurzeit das Leben von Tanja Becker-Bender abspielt. Ein ganz normales Leben? Für eine Solistin sicherlich.
Stuttgart, Hamburg, New York und zurück und das oft innerhalb von Tagen, Konzertreisen durch Argentinien oder Japan – das sind die Stationen zwischen denen sich zurzeit das Leben von Tanja Becker-Bender abspielt. Ein ganz normales Leben? Für eine Solistin sicherlich.An ihrer Solokarriere arbeitet die junge Geigerin nicht erst seit sie das Abitur vorzeitig und mit Auszeichnung absolvierte, um sich möglichst früh nur noch dem Geigen zu widmen. Im Rahmen des Gerd Bucerius Förderstipendiums der Zeit-Stiftung in der Deutschen Stiftung Musikleben studiert Tanja Becker-Bender seit zwei Jahren in New York bei Robert Mann, dem Primarius des Juilliard String Quartet, – wie alle wichtigen Lehrer der Geigerin auch er ein Quartettprimarius. Ist das Zufall oder steckt ein Konzept dahinter? „Es war ursprünglich kein bewusster Plan gewesen, es waren einfach Musiker, deren Interpretationen mich ganz besonders überzeugt hatten, von denen ich dann lernen wollte.“In ihrer Heimatstadt Stuttgart war es Wilhelm Melcher, beim dem sie als Vorstudentin an der Musikhochschule fünf Jahre lernte und dem sie sich auch heute noch sehr verbunden fühlt. Ein Jahr war sie an der Londoner Guildhall School of Music and Drama bei David Takeno, einem frühen Gründungsmitglied des Tokio String Quartet. Doch das strenge schulische Korsett engte sie ein, sie wollte Konzerte spielen und nicht brav in alle Unterrichtsfächer gehen. Während dieser Londoner Zeit hatte Becker-Bender oft das Alban Berg Quartett gehört und es entstand der Wunsch, ihre Studien bei Günter Pichler in Wien fortzusetzen. „Bei ihm habe ich gelernt, selbstkritisch zu sein, mich beim Üben aufzunehmen, jedes kleine Detail zu hinterfragen und dennoch die großen Zusammenhänge gegeneinander abzuwägen.“
An ihrem jetzigen Lehrer, Robert Mann, schätzt die Geigerin dessen Fähigkeit, exakt zu charakterisieren, was er tut, und natürlich seine Vielseitigkeit: Denn neben seiner Arbeit im Streichquartett dirigiert und komponiert Mann auch.
Becker-Bender durchlief eine für hoch begabte Musiker typische Abfolge von Wettbewerben, angefangen bei zwei Bundespreisen bei “Jugend musiziert“, über den Concours International de Musique de Chimay in Brüssel, den „Premio Rodolfo Lipizer“ oder den „Premio Niccoló Paganini“ in Genua. Darüber hinaus war sie fünfmalige Gewinnerin im Instrumentenwettbewerb der Deutschen Stiftung Musikleben. Dieser Wettbewerb sollte eine herausragende Rolle in ihrem Leben einnehmen.
Der Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds ermöglicht jungen Begabungen, hochwertige, aus privater Hand kaum finanzierbare Instrumente zu spielen. 1996 nahm die damals 18-Jährige zum ersten Mal am Wettbewerb teil. Damals erspielte sie sich eine Meistergeige von Joanes Baptista Guardagnini von 1761, die sie sehr schätzte (siehe unser Foto) und mit der sie bis vor wenigen Wochen täglich musizierte.
Anfang März dieses Jahres fanden sich wieder einmal hervorragende junge Streicher aus nahezu allen Bundesländern zum 10. Wettbewerb im Hamburger Museum für Kunst und Technik ein. 64 Bewerber wollten eine der 29 wertvollen alten Geigen, Bratschen und Violoncelli, die in diesem Jahr neu zur Verfügung standen, als Dauerleihgabe erringen. Darunter eine Violine von Giuseppe Guarneri del Gesú aus dem Jahr 1728 und – erstmalig – auch zwei Violinen von Antonius Stradivari, gebaut in den Jahren 1686 und 1703.
Für Tanja Becker-Bender wurde ein Traum wahr. Sie „gewann“ die Guarneri als Leihgabe. Wie Instrument und Spielerin zusammenfanden, ist erzählenswert. Das Wettbewerbsvorspiel fand an einem Freitag statt. Am darauffolgenden Sonntagabend endlich die Ergebnisbekanntgabe: Tanja Becker-Bender durfte sich zu den Gewinnern zählen und bekam das Instrument überreicht. Doch zum Spielen und Ausprobieren blieb an diesem Abend keine Zeit mehr. Am nächsten Tag stand sie noch vor fünf Uhr auf, um nach New York zu fliegen. Am Nachmittag dann endlich ein paar Stunden Zeit, um sich mit der neuen Geige auf ein Prüfungsprogramm für den folgenden Tag vorzubereiten.
„Das alles war sehr aufregend, ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, selber Saiten draufzuspannen, ich kam auf Anhieb gut zurecht mit dem Instrument, ging dann aber nachts noch in den Prüfungssaal, um die Akustik kennen zu lernen. Da ich den Lichtschalter nicht fand, probte ich im Dunkeln. Die Prüfung lief gut, einen Tag später ging es zurück nach Stuttgart, am Mittwoch probte ich bereits mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim Beethoven-Romanzen in G-Dur und F-Dur, die wir dann am Donnerstag in Trossingen spielten.“ Ein aufregender Start für die Geigerin und ihre neues Instrument: „Alles hat gut geklappt, das schweißt zusammen. Inzwischen habe ich die Geige besser kennen gelernt, wir werden eine gute Zeit zusammen haben.“
Ganz besonders schätzt Becker-Bender die warmen, dunklen Klangfarben der Guarneri: „Man kann ganz fein die Farbe beeinflussen, dabei trägt sie unglaublich. Auch hat sie eine ungewöhnlich warme E-Saite. Das ist wunderschön, ganz einmalig für mich.“
Ihre rege Konzerttätigkeit führt Tanja Becker-Bender in den nächsten Monaten durch Europa, Asien, Nord- und Südamerika. Inzwischen hat sie alle klassischen und romantischen Violinkonzerte mehrmals mit Orchester aufgeführt. Der Wunsch nach Neuland wächst. „Ich möchte verstärkt auch Konzerte des 20. Jahrhunderts spielen. Aber ich stelle fest, dass es nicht immer leicht ist, die bei den Veranstaltern anzubringen. Eines der Konzerte, das ich am meisten liebe, ist das Violinkonzert von Alban Berg. Unter Umständen ist es aber schon schwierig einen Prokofieff anzubringen, obwohl das gängige Literatur ist.“
Natürlich rückt für eine junge Solistin irgendwann auch der Wunsch in den Vordergrund, Uraufführungen zu spielen. Erst kürzlich widmete ihr eine befreundete Komponistin, Cynthia Lee Wong, ein Solo-Stück. Becker-Bender erwähnt auch die Zusammenarbeit mit Philipp Lasser, einem Nadia Boulanger-Schüler. Kammermusik macht die Geigerin regelmäßig mit ihrem Wiener Klavierpartner, Christopher Hinterhuber. Eine Tournee durch Argentinien, darunter Buenos Aires und Montevideo, wird trotz der dort herrschenden angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse stattfinden.
Eine Aufgabe, der sich die Geigerin wohl für immer verschrieben hat, ist die Auseinandersetzung mit den sechs Violinsonaten von Bach. „Daran mache ich immer weiter, will ständig etwas verbessern, Neues finden.“
Sie hofft, noch in diesem Jahr ein weiteres Projekt zu realisieren: die Einspielung aller Solosonaten von Bach auf CD, ergänzt durch eine Solo-CD: Bach kombiniert mit neuer Musik. „Im Konzertsaal muss ich spontan reagieren. Die Studiosituation mag ich deshalb sehr gerne, weil man sich hier ein architektonisches Konzept machen kann.“