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Handgemachtes Live-Entertainment – Thomas Gansch. Foto: Lukas Beck

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Egal was passiert, irgendwie schaffen wir es

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Ein Gespräch mit Mnozil-Brass-Trompeter Thomas Gansch
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Thomas Gansch ist Mitbegründer und Leadtrompeter von Mnozil Brass. Das Wiener Blechbläserseptett steht vor seiner „Jubelei“-Tournee. Georg Rudiger erreichte Thomas Gansch im Krankenhaus wenige Minuten vor seiner Entlassung. Ein Gespräch über den Wirtshausfaktor, Humor ohne Worte und Angst auf der Bühne. 

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neue musikzeitung: Du warst jetzt zum dritten Mal innerhalb von wenigen Wochen wegen eines Sturzes im Krankenhaus. Wie geht es Dir? 

Thomas Gansch: Ich habe viel gelernt über das Gesundheitssystem in Österreich. Ich weiß in Zukunft auch, in welches Krankenhaus ich gehe – und in welches garantiert nicht. 

nmz: Ihr spielt alles auswendig, habt ein Riesenrepertoire und verbindet jede Nummer mit einer Choreografie. Ist ein Mitglied von Mnozil Brass überhaupt ersetzbar? 

Gansch: Ja und Nein. Kein Mitglied von Mnozil Brass ist ersetzbar – aber grundsätzlich ist jeder ersetzbar. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass wir, egal, was passiert ist, es immer irgendwie geschafft haben. Von den Persönlichkeiten her ist aber niemand ersetzbar. Man kann sicherlich jemanden finden, der die Trompetenstimme von Robert Rother spielen kann. Aber sicherlich niemanden, der dabei ein derartiges Gefühl für Timing und Bühnenpräsenz hat.

nmz: Und für Gesichtsakrobatik. 

Gansch: Keine Frage. In puncto Gesichtszüge ist Robert ein Extremsportler. 

nmz: Ihr tourt mit dem Programm „Jubelei“, das zum 30-jährigen Jubiläum im November 2023 entstand. Ist das ein Best-of? 

Gansch: Nein, das wollten wir auf keinen Fall. „Jubelei“ ist bis auf ein Stück ein komplett neu geschriebenes Programm. Aber die Show verändert sich natürlich auf der Tournee. In diesem Jahr erarbeiten wir noch ein neues Johann-Strauß-Programm, das im Sommer in Deutschland Premiere haben wird. 

nmz: Angefangen habt Ihr mit Polkas und Märschen beim monatlichen Musikerstammtisch von Josef Mnozil in seinem Wiener Gasthaus, um Freibier zu bekommen. Ihr habt gesungen, um an den langen Abenden die Lippen zu schonen. Mnozil Brass wurde professioneller, hat mit dem Regisseur Bernd Jeschek Choreografien einstudiert und das Repertoire erweitert bis zu Pop und Filmmusik. Welche Entwicklungen siehst Du in diesem speziellen Bläserseptett im Lauf der jetzt 32 Jahre? 

Gansch: Wir haben einfach das, was als Anarchie begonnen hat, zu einem Role Model in der Blechbläserwelt gemacht. Als wir angefangen haben, gab es entweder die Orchesterlaufbahn oder das klassische Blechbläserquintett im Stil von Canadian Brass. Im Frack auf der Bühne mit weißen Turnschuhen und einer Mischung aus seriöser Musik und humoristischen Ansagen – das fanden wir zu steif und konventionell. Was uns gefehlt hat, war das Unberechenbare, das Improvisatorische, der Wirtshausfaktor. 

nmz: Wie hat sich Mnozil Brass verändert? 

Gansch: Der große Unterschied zu den Anfangsjahren ist, dass die alte Band bis 2004 sehr anarchistisch und archaisch war. Wir spielten einfach los, ohne zu wissen, wie und wo wir ankommen. Dazu sagen wir „bradeln“. Dieses Bradeln muss man sich trauen. Seit dem Wechsel 2004, als Roman Rindberger und Zoltan Kiss dazu kamen, sind wir eine viel strukturiertere Band, in der vorher unsere Arrangements von Leonhard, Gerhard oder mir geschrieben werden. 

nmz: Ihr kommt alle vom Land und habt Euch an der Wiener Musikhochschule kennengelernt. Mit Robert Rother hast Du schon in Melk zusammen in der Blaskapelle Deines Vaters gespielt. Was habt Ihr im Musikverein gelernt, von dem Ihr bei Mnozil Brass profitieren könnt? 

Gansch: Blechbläser kommen ja fast immer vom Land. So hatte jeder von uns einen Standard an Stücken intus, die er auswendig spielen konnte: 15 Märsche, 13 Polkas, 12 Walzer. Das war der Grundstock. Von dort sind wir weitergeschwommen in andere Gewässer. 

nmz: Ihr habt phasenweise über 120 Konzerte im Jahr in Europa, den USA, Asien und Australien gespielt, jetzt sind es noch rund 80. Ihr verbringt wahrscheinlich mehr Zeit mit Euren Bandmitgliedern als mit Eurer Familie. 

Gansch: Gottseidank nicht mehr. 

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Handgemachtes Live-Entertainment – Thomas Gansch. Foto: Lukas Beck

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nmz: Was magst Du an Deinen Kollegen? 

Gansch: Mit Willi und Gerhard spiele ich zusammen, seit ich 16 war. Jetzt bin ich 49. Das ist die längste Beziehung, die ich in meinem Leben hatte. Ich mag, dass wir es geschafft haben, zusammen zu bleiben. In unserer 32-jährigen Bandgeschichte gab es nur zwei Wechsel – das ist schon erstaunlich. Ich schätze sehr, wie wir gelernt haben, mit Krisen umzugehen. Wir sind eine Familie. 

nmz: Und was nervt? 

Gansch: Tausend Sachen. Es gibt nichts, was mich mehr nervt, als mit dieser Band zu proben. Wir haben unterschiedliche Geschwindigkeiten. Die Toleranz konnte ich nur in dieser Gruppe erwerben. Man gewinnt oder verliert nur gemeinsam. 

nmz: Warum glaubst Du, dass Mnozil Brass mit seiner Mischung aus instrumentaler Virtuosität, besonderen Arrangements und Comedy ein globales Phänomen wurde, das zum Beispiel auch in Japan gut ankommt? 

Gansch: Mnozil Brass funktioniert ohne Worte. Und ist handgemachtes Live-Entertainment. Wir haben in einer Zeit begonnen, als das Fernsehen schon völlig von Playback-Shows vom Musikantenstadl an abwärts verseucht war. Die Menschen wissen es zu schätzen, wenn wir ihnen etwas Echtes bieten, was im Augenblick entsteht. Musik und Comedy geht sich aus auf der ganzen Welt. Natürlich muss immer die Qualität stimmen. Sonst wäre es nicht lustig. 

nmz: Normalerweise schafft man Nähe zum Publikum, indem man ein Konzert moderiert. Warum verzichtet Ihr bei Mnozil Brass bewusst darauf? 

Gansch: Am Ende einer Show mache ich schon eine Bandvorstellung und erzähle ein bisschen. Und wir singen Lieder, die natürlich auch Texte haben. Aber wozu soll man reden? Es wird sowieso zu viel geredet. Jeder hat eine Meinung und spricht gerne darüber. Wir finden es gut, wenn man etwas sieht und hört, das nicht erklärt wird. Man muss sich eben selbst etwas dazu denken. 

nmz: Auf welches Stück freust Du Dich besonders bei den anstehenden Konzerten?

Gansch: „A Nightingale Sang in Berkeley Square“ ist vielleicht das beste Arrangement, das Leonhard geschrieben hat. 

nmz: Vor welcher Nummer hast  Du Angst? 

Gansch: Fast vor jeder. Die ersten fünfzehn Minuten entscheiden darüber, wie der Abend wird. 

nmz: Kannst Du auch einen Abend zum Positiven drehen? 

Gansch: Ja. Es geht aber auch umgekehrt: Schwach anfangen und stark nachlassen. 

Interview: Georg Rudiger

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